Ein Schimmer voller Hoffnung

Dieser seltsame, aber auch einzigartige Wald liegt im Südwesten. Er ist zum Großteil ertränkt in Wasser und nur mit einem Floß lässt er sich durchquehren. Die Namudus sind die Einheimischen dieses Waldes, sie haben sich dessen Nachteile zunutze gemacht.
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Re: Ein Schimmer voller Hoffnung

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 16. August 2023, 11:00

Das Kraut zeigte eine Wirkung, die Neri bis dahin noch nicht erprobt hatte. Was auch immer Kraven ihr da gegeben hatte, es war wundervoll. Sie spürte keinen Schmerz und ihre Seele fand eine Ruhe, die sie lange suchte. Alles war gut und sollte genau so sein, wie es eben war. Es war berauschend und doch entspannend gleichzeitig. Und je länger die Wirkung anhielt und sich steigerte, desto intensiver wurde alles. Da waren die Farben, die mit einem Mal mehr Farbpigmente aufwiesen. Grün war nicht einfach grün – es war… grüner als Grün. Und Kraven? Der Mann nahm seine Maske ab und offenbarte, dass sich dahinter ein erfahrenes, durchaus attraktives Gesicht verbarg. "Du solltest sie öfter abnehmen", kommentierte sie frei Schnauze, was sie empfand, und erntete einen flammenden Blick von dem Bären. Die Wirkung der Kräuter lockte Neriélle’s Freiheitsliebe hervor. Sie wollte sagen, was sie dachte ungeachtet der Konsequenzen, sie wollte handeln nach dem, was sie empfand und sie wollte dafür nicht mit tadelnden Blicken gestraft werden. Vermutlich war das auch der Grund, weshalb sie Calhoun so schnell verfallen war. Er tadelte sie nicht für ihre Gelüste – er bediente sie. Alles war gut so. "Das wird deine Geliebte gerne hören", forschte sie durch die Blume mal ein wenig nach, als Kraven erneut recht zweideutige Bemerkungen machte. Der Mann lächelte verschmitzt und offenbarte die vielen Lachfältchen. „Tut sie – tun sie alle.“, antwortete er und zwinkerte doch tatsächlich! Der Mann war verdammt noch mal schlimmer als Calhoun. Er war eine seltsame Mischung aus Arunn und Calhoun, wenn man es bedachte. Das Geheimnisvolle, Reizvolle hatte er von Calhoun. Die offene, teilweise übergriffige Art aber von Arunn. Seltsame Kombination und irgendwie… gefährlich für Neri`s aktuellen Zustand. Doch bevor es zu weiterem kommen konnte, fuhren sie durch einen Weidenvorhang und Neri erhielt den Blick auf eine wundervolle, wässrige Oase, die sich dahinter versteckt hatte. Auch hier leuchteten die Farben so wahnsinnig intensiv, dass ihr nicht mal die Raubfische Angst machen konnten. Alles war gut. Und Kraven baute erneut Nähe auf, die sie durchaus zu genießen wusste. Oh, welche Fantasien sich auch immer auftun wollten, Neri hätte sie alle Willkommen geheißen. Nun aber lenkte sie eine bevorstehende Aufgabe ab. Sie sollte also hinabtauchen und… eine Seele bergen? Was zum… Zu den Fischen? Aber… was sollte es schon, alles war gut, nicht wahr? Das Kraut verhinderte, dass Neri Angst verspürte. Trotzdem echote eine kleine Warnung in ihrem Kopf wieder. "Eines musst du mir aber versprechen: Wenn die Fische mich zerfleischen, dann opfere meine Überreste den Hütern, damit sie wirklich was zu lachen haben." Er nickte. „Natürlich“, dann grinste er und bevor sie ins Wasser gleiten konnte, hielt er sie noch mal auf. Er kam ihrem Ohr erneut näher, dann säuselte er hinein: „Komm zurück und finde heraus, wie ungezogen ich es mag!“, dann glitt sie ins Wasser.
Es war längst nicht so kalt, wie bei ihrem ersten Badeversuch. Entweder heizte sich die Quelle etwas auf und wurde nicht so sehr von Regenwasser und anderem gespeist oder aber es lag an den Kräutern. Ganz egal – alles war gut und das Schwimmen sogar angenehm. Als sie auch ihren Kopf unter Wasser beförderte sperrte sie mit einem Mal sämtliche Geräusche aus. Hier wurde alles Störende verschluckt, alles Lebhafte ausgesperrt. Hier gab es nur sie selbst. – Und die Raubfische. Noch schwammen sie weiter unten, unter ihren Füßen, in ruhigen Kreisen, doch würde sich das bald ändern? Neri konnte erkennen, dass das, was sie offenbar finden sollte, direkt unter ihren Füßen war. Es war wie ein Licht, das die Motte anzog, wenn sie es entdeckte. Doch um dort hinzugelangen, musste sie durch drei Ringe aus Fischen schwimmen, die sie mit Leichtigkeit zerfleischen würden. Neri schaffte es, ihre Magie nutzbar zu machen und sich somit ein wenig Licht zu verschaffen. Es würde gewiss auch die Fische abhalten, so glaubte sie. Tatsächlich schien es zu funktionieren, denn sobald sie sich dem ersten Fischkreis genähert hatte, passierte… gar nichts. Alles war gut. Die Fische schwammen weiterhin im Kreis und ließen sie passieren. Bis sie hindurch war und mit Blick auf den zweiten Fischkreis aus dem Augenwinkel erkennen konnte, wie die oberen Fische innehielten. Sie wandten sich ihr zu und noch ehe Neri erkennen konnte, wo die Oberfläche war, griffen die Raubfische an. In der Panik erlosch ihr Licht, tauchte sie mit Eintreffen der Fische in Dunkelheit. Neri wusste nicht mehr, wo sie sich befand. Überall zappelten Fischflossen und aufgewühltes Wasser um ihr Gesicht herum und nahm ihr die Sicht. Panik wollte sich ausbreiten, da spürte sie, wie ihr ein Fisch in den Nacken biss. Der Schmerz war unbeschreiblich und löste etwas ganz anderes aus.
Neri sah sich selbst auf einer steinernen Bank sitzen und die Füße baumeln lassen. Sie hatte Zöpfe zu beiden Seiten ihrer Ohren und schien über etwas nachzudenken. Dann trat ein ihr sehr vertrauter Mann neben sie und setzte sich. Neri erinnerte sich an die Szene:

“Was ist los, Neriélle?“, hörte sie die Stimme des Elfen sagen. Es war ihr Vater, der dort neben ihr saß und Neri wurde sich bewusst, dass es wieder eine dieser unschönen Situationen gegeben hatte. Da war der Wunsch ihres Vaters, dass Neri ebenso wie er große Sprünge in der Lichtmagie machte. Dass sie eines Tages in seine Fußstapfen und darüber hinausspringen würde. Aber Neri wusste auch noch, wie sie sich damals gefühlt hatte und man sah es der kleinen Elfe an. Sie zuckte mit den Schultern und schwieg. Eroan seufzte tonlos und wandte den Kopf ab. Einen Moment schwiegen sie, dann neigte er sich zu ihr und murmelte: „Die Lichtmagie kommt aus deinem Herzen, Neriélle. Sie ist in dir und sie speist sich aus deinem guten Kern…“, versuchte er sie aufzubauen. Doch Neri wusste, dass das nicht den Druck nahm. Denn wenn sie doch einen so guten Kern besaß… wieso misslangen ihr einfachste Übungen? Und bedeutete das nicht im Umkehrschluss… dass sie keinen guten Kern hatte? „Ich fühle mich heute nicht so gut.“, murmelte sie als lahme Ausrede, weil sie nicht darüber sprechen konnte, was sie insgeheim für sich fürchtete. Wie könnte sie ihre Eltern enttäuschen? Wie könnte sie sie jemals wieder ansehen? Sie waren der Inbegriff von reinen Seelen… Sie alle. Und Neri passte nicht hinein.
Neri spürte wieder diesen Schmerz und tauchte aus der sehr lebhaften Erinnerung auf. Ihr wurde bewusst, wo sie sich befand und dass sie immer noch unter Wasser war. Die Fische allerdings waren fort. Lediglich die unteren Kreise gab es noch. Und in ihrem Nacken spürte sie das Brennen, auch wenn ihr Bewusstsein sich augenblicklich wieder erinnerte, dass alles gut war. Die Panik verflog, das Gefühl der Kräuter stellte sich wieder ein. Auf zum nächsten Kreis… Erneut konnte Neri hindurchschwimmen und erst danach griffen sie die Fische an. Selbst mit Vorwarnung war es beängstigend und auch schmerzhaft, als sie zubissen. Neri hatte bereits das Gefühl, dass sie verbluten würde, wenn sie das noch länger aushalten musste. Außerdem wurde die Luft knapper, das fühlte sie. Dieses Mal wurde sie in eine ganz andere Art der Erinnerung katapultiert:

Dunkelheit umfing sie. Sie war deutlich älter und hatte längst keine Zöpfe mehr. Neri war erwachsen geworden, auch wenn der jugendliche Leichtsinn sie fest im Griff hatte. „Neri!“, hörte sie eine vertraute Stimme. Es war ein junger Elf, mit dem sie aufgewachsen war, doch sie erinnerte sich nur noch dunkel an den Namen. Sie waren keine richtigen Freunde geworden. Lediglich, als sie ein gewisses Alter erreichten, hatte er begonnen ihr nachzulaufen und sie? Sie hatte sich mal darauf eingelassen. „Neri, wo willst du hin? Es ist dunkel, du kannst jetzt nicht mehr in den Urwald.“, ermahnte er sie und das war eben auch so ein Punkt. Er war… langweilig. Neri’s Augen blitzten abenteuerlustig. „Kann ich wohl. Der Urwald verändert sich nicht, nur weil es dunkel ist!“, gab sie zur Antwort. Auch an jene Szene erinnerte sie sich. Danach war hatte sie ihn stehenlassen und gegen seine Integration gewettet – und gewonnen. Er blieb, wo er war. Und schied somit als erneuter potentieller Partner, wenn ihr danach war, aus. Zu langweilig. Neri aber zog es in den Urwald. Die Erinnerung sprang etwas. Sie wusste, sie hatte im Dunkel des Kapayu gejagt und würde mit kleiner Beute heimkehren. Doch bevor sie die Schwelle zum Tal übertrat, erregte etwas anderes ihre Aufmerksamkeit. Auf einer Lichtung, unweit des Dorfes, konnte sie einen der Fremden beobachten. Er stand da und mit einem Mal hatte sie Mühe, richtig zu sehen. Es war, als legte sich etwas über ihre Augen, dann verschwand er vor ihrer Nase und faszinierte sie auf eine Weise, die sie einfach nicht verstand. Es sirrte etwas in ihrem Innern, Neri spürte es. Und innerhalb dieser Erinnerung, die sie abermals sehen durfte, spürte sie, wie sich ihre Nackenhaare aufstellten, wie sie eine Gänsehaut bekam. Sie spürte, wie die Schatten sie in einer Weise berühren konnten, die sie nicht verstand. Und wie diese sie zur Ruhe bringen konnten. Sie spürte, wie sich ihr Herzschlag beruhigte, wo er vor Angst rasen sollte. Neri konnte erkennen, dass sie bereits damals empfänglich für diese Art der Magie gewesen war. Und bereits damals wollte sie mehr wissen, wollte zu diesem Magier und sich ihm zeigen. Wollte lernen, wollte wissen.

Auch diese Erinnerung verschwand und zurück blieben Brennen und… Luft! Neri brauchte Luft. “Wenn du jetzt aufhörst, war alles umsonst… Alles ist gut, vertraue dir…“, hörte sie eine gesäuselte Stimme, die wieder eine Verbindung zu ihr suchte. Neri wusste, das waren die Hüter.
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Re: Ein Schimmer voller Hoffnung

Beitrag von Neriélle » Donnerstag 17. August 2023, 10:07

Neri durchbrach die Wasseroberfläche und ließ Kraven mit all seinen Versprechungen zurück. Der Fremde, der offen legte, dass er nicht nur die eine Geliebte hatte und auf sie warten würde, damit sie ihre gegenseitigen Erwartungen erfüllen konnten. Die berauschte Elfe konnte nicht leugnen, dass Kraven ein Prickeln in ihr auslöste und sie sich darauf freute, diesem näher auf den Grund zu gehen. Das konnte er auch in ihrem letzten Blick erkennen, den sie austauschen. Doch jetzt beanspruchte etwas anderes ihre volle Aufmerksamkeit.
Neri fokussierte sich auf das Wasser und das, was unter seiner Oberfläche verborgen lag. Die Quelle war angenehm warm und als sie hinab tauchte, wurde alles andere ausgeblendet. Neri fühlte sich wie in einer Blase aus tiefer, nasser Stille, als sie mit ausladenden Bewegungen hinab schwamm, um die Luft, die sie anhielt, so lang wie möglich auszunutzen. In der Tiefe glaubte sie, ein Licht zu erkennen und fokussierte sich auf dieses, während sie selbst ihre Magie aussandte, um die Raubfische auf Abstand zu halten. Allein die Tatsache, dass die Fische hier drei Ringe bildeten und nicht direkt auf sie zu schwammen, erinnerten sie daran, dass sie in einer magischen Quelle schwamm, in der wohl nichts unmöglich war. Und sie nahm es als selbstverständlich an. Sie befand sich im Rausch und ließ jede Vorsicht fallen. Zielgerichtet schwamm Neriélle durch den ersten Kreis der Fische, während sie diese misstrauisch beäugte. Doch das Kraut suggerierte ihr Sicherheit. Ihr würde nichts geschehen. Es war undenkbar, dass hier unten eine Gefahr lauerte. Umso unvorbereiteter traf sie der Angriff. Neri sah noch aus dem Augenwinkel, wie die Fische, die sich inzwischen über ihr befanden, inne hielten, doch dann ging alles ganz schnell. Sekunden später waren die Fische überall, während sie plötzlich in völliger Dunkelheit schwamm. Ein Schrei wollte sich aus ihrem Mund lösen, doch sie versuchte, die kostbare Luft nicht hinaus zu lassen. Neri verlor die Orientierung und zappelte hilflos zwischen den ebenso hektischen Fischflossen. Dann durchfuhr sie ein Schmerz im Nacken und noch bevor dieser Schmerz sie an ihren ersten Fischbiss erinnern konnte, war sie plötzlich ganz woanders.

Sie sah sich selbst in jungen Jahren und sie sah ihren Vater. Neriélle musterte ihn, während sich ihr Herz schmerzhaft zusammenzog. Sie vermisste ihn! Gleichzeitig vermisste ein Teil von ihr vielleicht auch ihr behütetes Leben in Shyána Nelle, von dem sie einen Ausschnitt zu sehen bekam, der ihr Herz noch ein bisschen schwerer werden ließ.
Neri hatte dieses Gespräch mit ihrem Vater vergessen, aber jetzt spürte sie deutlich die Gefühle von damals wieder in sich aufwallen. Sie spürte den Frust und die Selbstzweifel. Zweifel daran, wieso die Lichtmagie sich vor ihr verschloss, obwohl sie eine Shyáner Elfe war und dazu noch die Erbin eines sehr begabten Lichtmagiers. Müsste sie dann nicht den Weg, der vor ihr lag, mit einer selbstverständlichen Leichtigkeit beschreiten? Wie sollte sie an den guten Kern glauben, an den ihr Vater appellierte, wenn es ihr nicht möglich war, ihr magisches Potenzial im ganzen Ausmaß zu nutzen? Sie spürte es immer wieder, sie konnte die Magie nicht so nutzen, wie es ihr eigentlich zustehen musste. Hieß das dann, dass ihr Kern nicht gut war? Schwerer als die eigene Enttäuschung über sich selbst, wog die Enttäuschung ihres Vaters. Er zeigte es nie offen, aber das brauchte er auch nicht. Für Neriélle war es eindeutig, dass er enttäuscht von ihr sein musste. Ihn kostete das Wirken der Magie keinerlei Mühe, während sein einziges Kind an den einfachsten Zaubern scheiterte. Die Erinnerung riss alte Wunden auf, die nie verheilt waren. Und Gefühle, die sie oft versucht hatte, von sich weg zu schieben und die dennoch in ihr schlummerten und ihr stets einredeten, dass sie anders war und nicht dazu gehörte.

Die Erinnerung verblasste und das Brennen aus der Wunde in ihrem Nacken drang wieder durch ihr Bewusstsein. Die Zweifel, Enttäuschung und das Gefühl, niemals dazu gehört zu haben und niemals zu können, hallten noch in ihrem Inneren nach. Die Kräuter dämpften den Schmerz und spülten jede denkbare Angst in der Tiefe davon. Alles war in Ordnung. Alles war richtig so und alles hatte seinen Grund. Neriélle wusste, was sie zu tun hatte. Ohne sich eine Pause zu gönnen, welche Verschwendung von kostbarer Luft bedeutete, schwamm sie durch den nächsten Kreis. Diesmal war die Elfe eine Spur angespannter, weil sie sich für einen weiteren Angriff wappnete. Doch die mentale Vorbereitung half nichts. Der Angriff kam nicht völlig unvermittelt, aber doch sehr schnell und sehr schmerzhaft. Sie spürte die Bisse wie heiße Brenneisen in ihrer Haut. Und sie spürte die körperliche Belastung und dass die Luft langsam knapper wurde. Doch bevor sie sich damit auseinandersetzen konnte, war sie weit weg von dieser Quelle.

Sie bekam eine weitere Erinnerung zu sehen und für einen Moment lächelte Neri, als sie an die damalige Zeit und an den Elfen zurück dachte. Sie hatte sich in dieser Zeit viel ausprobiert, sie hatte auch mit diesem Elfen viel Spaß gehabt, aber die Szene verdeutlichte, wie langweilig er gewesen war, sodass sie sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte, sich seinen Namen für lange Zeit zu merken. Der Elf hatte nicht mit ihrer Abenteuerlust mithalten können und war an ihren Erwartungen und ihrer Sprunghaftigkeit wie viele andere vor und auch nach ihm gescheitert. Die Erinnerung sprang und Neri sah plötzlich einen Fremden auf einer Lichtung unweit von Shyána stehen. Doch der Blickkontakt hielt nicht lange, denn etwas legte sich über ihre Augen und er verschwand in der Dunkelheit. Dafür spürte sie nun deutlich das Sirren in ihrem Inneren, das von der Faszination für die geheimnisvolle Dunkelheit hervor gelockt wurde. Sie spürte die Gänsehaut in ihrem Nacken und sie spürte Ruhe, die sie sonst nirgends fand, nicht einmal allein im Kapayu. Diese Ruhe war anders, sie ging tiefer, weil sie etwas in ihrem Inneren berührte. Da war keine Angst, obwohl sie ihr Leben lang vor dem dunklen Volk und seinen dunklen Mächten gewarnt worden war. Stattdessen spürte sie tief in sich eine Verbundenheit, an die sie sich nun wieder deutlich erinnerte. Alles war in Ordnung. Alles war richtig so und alles hatte seinen Grund.

Als die Erinnerung verblasste, bemerkte Neri zuerst das Brennen und dann, dass die Luft knapp wurde. Im ersten Moment wollte sie dem Drang nachgeben und zurück an die Oberfläche schwimmen. Doch die Worte der Hüter hielten sie auf.
Alles ist gut, wiederholte Neri. Sie sollte sich selbst vertrauen und nichts anderes hatte sie doch bisher immer getan. Wem sonst sollte sie in ihrem sprunghaften Leben vertrauen, in dem kein Platz für jemand anderes war?
Die beiden Erinnerungen hatten ihr vieles wieder bewusst gemacht. Alles davon war in Ordnung. Jedes Gefühl hatte seine Berechtigung. In dieser Quelle konnte sie einfach so sein, wie sie war. War es da nicht möglich, dass sie in dem dritten Ring endlich die Antworten auf die vielen stummen Fragen in ihrem Inneren fand? Und so fasste Neri Mut und schwamm mit schnellen Zügen dem dritten Ring aus Raubfischen entgegen…

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Re: Ein Schimmer voller Hoffnung

Beitrag von Erzähler » Freitag 18. August 2023, 21:33

Wie konnte man Vertrauen haben, wenn man doch immer wieder zu spüren bekam, dass man nicht hineinpasste. Dass man so, wie man war, seine Familie nur enttäuschen konnte. Dass man nicht dem Bild der Umgebung entsprach und aneckte. Dass man Überzeugungen nicht teilte, obwohl sie doch vorgelebt wurden. Neri hatte es auf jener besonderen Ebene stets schwergehabt. Zwar ließ sie sich das nicht bewusst anmerken, doch war sie auch nicht so fromm und folgsam, wie man es von einer Shyáner Elfe erwarten würde. Oder sogar erwarten könnte? Immer aus dem Rahmen zu fallen, belastete nicht nur die Umgebung, sondern auch einen selbst. Denn wenn jeder ehrlich in sich hineinhorchen würde, dann fände so mancher dort den Wunsch, einfach dazuzugehören. Oder sich endlich einmal so zeigen zu dürfen, wie er wirklich war. Neri hatte diesen Druck in ihrer Heimat nicht mehr ausgehalten. Sie wusste, ohne den Finger darauf legen zu können, dass sie anders war, und das wurmte sie so stark, dass sie gehen musste. Sie musste ihr Leben finden. Ihr Leben, nicht das ihrer Eltern oder das ihrer Freunde. Dass sich diese Suche gleich zu Beginn so schwierig gestaltete, hätte sie dann aber doch nicht gedacht. Neri stolperte eher durch die Anfänge eines neuen Lebens, als dass sie kleine Schritte machte, doch hatte sie bereits auch schon das eine oder andere gelernt. Erstens: Niemals irgendwo einsteigen, denn man konnte in einem Heerlager aus Feinden aufkreuzen. Zweitens: Sich nicht von Charisma und Schatten einlullen lassen, denn das endete in einem Chaos der Gefühle, das man so schnell nicht entwirrt bekam. Drittens: Dämonen existieren und sie sind… verführerisch. Wo Asmodeus noch angsteinflößend und abscheulich anmutete, da war der Dämon der Hoffnungslosigkeit weitaus subtiler vorgegangen… Und sie hatte hingehört. So, wie sie auch jetzt hinhörte, als ihr ihre Erinnerungen Teile ihres Lebens zeigten. Es waren eben jene, die ihr Leben seltsam auf den Punkt brachten.
Ihr Gefühl, ihre Familie stets nur zu enttäuschen und dem Druck des Erfolges ihres Vaters nicht gerecht werden zu können und dann diese Neugierde auf alles, was in Shyáná Nelle für schlecht befunden wurde. Während ihr die Luft immer weniger zu werden schien, da hielten sie die Stimmen der Hüter in ihrem Kopf davon ab, aufzutauchen. Waren es denn nun die Hüter oder bemächtigte sich wiedermal jemand ihrer Gedanken, um sie für sich einzunehmen? Neri wusste ja jetzt, dass jene bei ihr leichtes Spiel hatten. Dank des Krautes, das inzwischen die volle Wirkung entfaltet hatte und sie sorglos und ruhig werden ließ, geriet sie nicht einfach in Panik. Im Gegenteil – alles war gut.

Dieser Gedanke pflanzte sich tief in ihr ein und breitete sich dort aus. Es musste so sein und sie würde diesem Pfad folgen. Neri tauchte weiter und auf den letzten Ring aus Fischen entgegen. Jene zogen ihre Kreise, ebenso wie Ring eins und zwei, bis sie hindurch war. Inzwischen war die Quelle etwas dunkler geworden und nur ein schwaches Licht am Grund war ihr Anhaltspunkt, um den Weg nicht zu verlieren. Sobald Neri auch den letzten Kreis durchschwommen hatte, wusste sie schon, was folgen würde. Auch jene Tiere griffen plötzlich an. Sie bissen, sie rissen und sie hielten sich an ihr mit den spitzen Zähnen fest. Es waren Schmerzen und Neri wusste, dass sie verbluten könnte. Doch noch bevor die Panik des Selbsterhaltungstriebes einsetzen konnte, wurde es dunkel um sie herum. Zum dritten Mal wurde sie in eine Szene katapultiert, die sie sich als Zuschauerin ansehen konnte:
Dieses Mal jedoch wirkte die Szene irgendwie anders… Die Mode sah noch anders aus und nicht sofort erkannte Neri, wo sie sich eigentlich befand. Sie konnte Teile des Hauses vage erkennen und fand sogar einige Dinge darin wieder, die sie an ihr eigenes Zuhause erinnerten. Interessanter als die Einrichtung aber war die Frau, die sich darin befand. Über einen kleinen, hölzernen Sekretär mit feinen Intarsien gebeugt, schrieb jene eilig etwas auf einen Zettel und faltete dann das Pergament klein zusammen. Die Frau, sah sich plötzlich um, und Neri konnte einen Blick auf das Gesicht erhaschen. Die Frau trug die Haare ein wenig hochgebunden und hatte ein leicht rundliches Gesicht, ohne dabei dicklich zu wirken. Sie war äußerst hübsch und eine Elfe, wie Neri an den Ohren erkennen konnte. Ihre Haut wirkte jedoch im Vergleich zu den Elfen in ihrer Heimat oder Neri selbst, dunkler. Gleichwohl aber fand Neri bedeutende Ähnlichkeit in den Augen. Jene schauten ebenso golden leuchtend aus den mandelförmigen Augen, wie Neri’s eigene. Doch begegnet war sie dieser Frau nie, das wusste sie. Die feinen Finger hielten das Pergament fest. Sie zitterten leicht. Irgendetwas hatte die Frau verschreckt. „Liebling?“, hörte Neri jemanden außerhalb ihrer Sichtweite rufen. Die Frau erschrak und beeilte sich das kleine Pergament zu verstecken. Hierzu wählte sie ein Kleinod. Golden und mit einem türkisenen Stein erkannte Neri es gewiss sofort. Sie selbst trug es um den Hals. Die ihr unbekannte Elfe nestelte an dem Amulett herum und versteckte jenes dann an einem geheimen Ort. Neri konnte ihr nicht folgen, als sie das Zimmer verließ. „Ich komme sofort!“, rief die ihr Unbekannte, die dennoch etwas Vertrautes hatte. Dann hörte Neri noch ein Kinderlachen und die Stimme eines Mannes: „Gilwen! Dein Kleid! Ich bitte dich, Liebling – nicht durch die… Gilwen!“, hörte sie ihn tadeln, doch dann verschwamm auch diese Erinnerung, die nicht ihre eigene gewesen war. Neri tauchte aus dem Gesehenen wieder auf und erneut erfasste sie der brennende Schmerz. Dieses Mal jedoch war es nicht das Brennen der Bisse, sondern ihre Lunge. Ihre Lunge brannte und schrie nach Atemluft. Sie war ihr ausgegangen und nun verlangte alles in ihr nach Sauerstoff. Ein Blick nach oben verriet Neri, dass sie viel zu weit unten war. Sie war zu weit getaucht und hatte nicht bedacht, dass sie Luft für den Rückweg brauchen würde. Das Leuchten am Grund wurde weniger, je mehr Luft sie einbüßte. Und schließlich… erlosch es, ebenso wie ihre Panik erlosch. Neri spürte, dass Wasser in ihre Lungen drang und sie sich mit einem Mal vollkommen ergeben fühlte. Alles war gut… Es musste so sein. Und wie zum Hohn fiel, ihr letzter Blick auf das emporsteigende Amulett um ihren Hals, das im Wasser Auftrieb erhielt. Der Stein darin leuchtete noch kurz, ehe sich ihre Sicht für immer verdunkeln sollte…

Stille. Endlose Stille überall um sie herum. Am Ende hatte ihre Neugierde sie besiegt und sie war daran zu Grunde gegangen. Ihre Sorglosigkeit hatte sie bestraft. Hatte aus ihr eine Närrin gemacht, die nun das Leben verwirkt hatte. Ohne darüber nachzudenken, war sie zu tief getaucht und hatte ihren letzten Atemzug hergegeben. Neri spürte nichts mehr, war sorglos und frei. Dann rüttelte sie unsanft etwas und forderte doch noch mal den Auftritt ihres Bewusstseins. Jenes aber sträubte sich wohl etwas, wollte die stille Herrlichkeit genießen, die sie da lockte. Erneut wurde sie unsanft geschüttelt. Dann drückte sich etwas auf ihre Brust und quetschte ihre Lungen zusammen. Wie ein Blasebalg dehnte jene sich auf, erzeugte einen Unterdruck und sog mit brachialer Stärke die Luft zurück in ihren Kreislauf. Neri atmete! Allerdings hatte sie auch viel, sehr viel, Wasser geschluckt und schon setzte ihr Körper auf Selbsterhaltung und hustete sämtliches Wasser heraus. Es dauerte, bis sie all das Wasser der Quelle losgeworden war und womöglich die Augen aufschlagen konnte. „Was denkst du dir?!“, kam es schneidend und dunkel von der Seite. Und erst jetzt wurde ihr noch ein weiteres Geräusch bewusst: Neben ihrem Kopf tippelten kleine Füße auf und ab und eine nervtötende Stimme wiederholte stets dasselbe: „Oh mannomannomann… oh mannomannomann…“, Pitt lief aufgeregt auf und ab während zwei dunkle Hände sie beim Husten stützten. Sie konnte die Kleidung ausmachen, eine schlichte Hose, ein schlichtes Hemd, aber recht Waldelfen-mäßig. Grün und Braun war vorherrschend, was die dunkle Haut nur umso mehr in Szene setzte. Kletterte ihr Blick weiter, erkannte sie das weiße, lange Haar und schließlich dieses verboten gutaussehende Gesicht, das ihr mit einem Stirnrunzeln und Blitzen aus den roten Augen entgegenblickte. Erst jetzt kehrte die Erinnerung zurück, erst jetzt der Schmerz der Bisse und das Gefühl überall in Flammen zu stehen. Die Kräuter waren fertig mit ihrer Arbeit – nichts war mehr gut! Und dann diese letzte Erinnerung….
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Re: Ein Schimmer voller Hoffnung

Beitrag von Neriélle » Samstag 19. August 2023, 21:57

Neri fasste Vertrauen in sich selbst, so wie sie es sonst auch tat. Es war alles gut. Die Kräuter suggerierten ihr falsche Sicherheit, hier unten im tiefen Wasser, wo eine Gefahr für ihren Leib und ihre Seele lauerte. Doch die Kräuter berauschten ihren Geist und ließen sie die Gefahren nicht mehr erkennen. Das Kraut appellierte an ihren Leichtsinn, der sie noch tiefer tauchen und durch den dritten Kreis der Raubfische schwimmen ließ. Das Licht am Grund, das immer diffuser wurde, wies ihr den Weg. Als sich die Fische in Bewegung setzten, zuckte sie nur noch leicht zusammen. An den Schmerz gewöhnte sie sich jedoch nicht. Hundert spitze Zähne bohrten sich in ihr Fleisch und sie fühlte das Blut aus den Wunden pulsieren. Doch wieder war es eine Erinnerung, die sie vor einer möglichen Panikattacke rettete.

Neriélle sah eine Frau in einem Haus, das sie nicht kannte und das sie an ihr eigenes Zuhause erinnerte. Sie hatte erwartet, sich selbst zu sehen, doch diese Frau war sie nicht. Sie hatte sie auch noch nie zuvor gesehen. Nachdem ihr Blick durch den Raum geschweift war, in dem sie seltsamerweise den ein oder anderen Gegenstand widerzuerkennen glaubte, realisierte sie, dass die Fremde eilig etwas aufschrieb.
Wer ist sie? Warum sehe ich sie? Was treibt sie so zur Eile an?
Neriélle stellte fest, dass sie gehetzt aussah. Hatte sie vor etwas Angst? Sorgte sie sich um etwas? Als die Frau den Kopf hob, sah Neri sie mit all ihrer Schönheit. Sie war eine Elfe, aber ihr Gesicht war rundlicher und ihre Hautfarbe dunkler als für Elfen ihrer Art typisch. War sie keine Shyáner Elfe? Oder nicht aus vollem Blut? Generell wirkte sie weniger grazil als andere Shyáner Elfen und erinnerte sie im Gesamten an sich selbst. Noch immer suchte Neri eine Erklärung dafür, wer die Elfe war, doch als ihr Blick auf die goldenen Augen fiel, die doch recht selten unter ihresgleichen waren, schien ihr Herz geradezu zu stolpern. War sie eine Verwandte von ihr? Neri versuchte sich krampfhaft zu erinnern, doch sie kannte die Elfe nicht. Da war sie sich sicher. Trotzdem empfand sie Mitleid mit ihr, da sie so fahrig und in Eile aussah, als müsste sie etwas Dringendes erledigen, bevor sie entdeckt wurde. Dann hörte Neri eine Stimme aus dem Nebenraum nach der Elfe rufen, die sich daraufhin erschrak und sich nervös umsah. Offenbar überlegte sie, wo sie das zusammen gefaltete Pergament verstecken sollte. Für einen Moment setzte Neris Herzschlag aus, als sie sah, wonach sie griff.
Es ist mein Amulett. Das Amulett meiner Großmutter. Sie ist es.
Neriélle wusste nicht, was sie denken sollte und war überwältigt von dieser Erkenntnis. Sie musterte die Elfe aus der Erinnerung eingehend, ehe diese verblasste. Neri hatte ihre Großmutter nie zuvor gesehen und wollte sich jedes Detail von ihr einprägen. Sie wusste kaum etwas von ihr, da ihre Mutter selbst noch ein Kind gewesen war, bevor ihre Großmutter ums Leben kam. Es gab kaum Geschichten über sie und so war Neri froh, zumindest diesen kleinen Einblick in das Leben der Elfe erhaschen zu können. Dann wurden ihre Ohren von einem Kinderlachen gekitzelt und dann erneut von einer männlichen Stimme, die offenbar ihre Mutter tadelte! Sie sah hier tatsächlich ihre Großmutter, in ihrem Haus, mit ihrem Mann und ihrer Tochter Gilwen. Neriélle war verwirrt, das alles zu sehen und zu hören. Gleichzeitig war sie sehr dankbar dafür, wenigstens einmal in ihrem Leben ihre Großmutter gesehen zu haben - während ein Teil ihrer Gedanken schon bei ihrem Amulett waren, in dem all die Jahre ein Geheimnis ihrer Großmutter schlummerte.

Sie hätte gerne mehr von ihrer Großmutter gesehen. Doch das Geschehen vor ihren Augen löste sich auf. Zurück blieb das bekannte Brennen, glaubte Neri zumindest, bis sie den Unterschied bemerkte. Es waren ihre Lungen, die brannten und die nach Luft schrien!
Ich brauche Sauerstoff, stieg plötzlich Panik in ihr auf. Alles in ihr schrie nach Luft, doch der Weg hinauf an die rettende Oberfläche war zu weit. Neri sah sie in weiter Ferne schimmern. Ihre Sicht verdunkelte sich und ein merkwürdiges Gefühl durchströmte sie, als sie auf den leuchtenden Stein in ihrem Amulett blickte und gleichzeitig das Wasser in ihre Lungen drang. Es spülte sie aus dem Leben und dann fühlte Neri gar nichts mehr.

Ihr Bewusstsein genoss die Stille und ließ sich nur sehr widerwillig wecken. Neri bemerkte die Bemühungen um ihr Überleben zunächst nicht. Es war als würde sie schlafen und jemand Ungebetenes wollte sie wecken. Nur, dass ihr Schlaf viel tiefer und viel gefährlicher war. Dann spürte sie weit entfernt ein Rütteln und Drücken irgendwo an ihrem Körper. Neri fühlte es noch nicht bewusst und nicht gänzlich. Dann jedoch wurde ihr mit vermeintlicher Gewalt das Wasser aus den Lungen gedrückt.
Luft! Mit einem tiefen Atemzug, der sich ihrer Kehle entrann, schnappte Neri danach. Gleichzeitig bahnte sich das Wasser einen Weg aus ihren Lungen hinaus. Neri hustete sich eine gefühlte Ewigkeit förmlich die Seele aus dem Leib, bis kein Wasser mehr ihren Hals verließ. Wann immer sich ihr die Gelegenheit bot, schnappte sie heiser Luft und wusste nicht, was sie zuerst machen sollte. Es war ein Wechsel von Husten und gierigem Atmen. Vornüber gebeugt stützte sie sich mit einer Hand vom Boden ab, die andere lag auf ihrer Brust, in der es sich anfühlte, als hätte jemand eine innere Kette gesprengt, die sie vom Atmen abgehalten hatte. Zuerst war da kein Gedanke in ihrem Kopf, es ging nur ums Überleben. Es war kein Platz für den Gedanken da, wer bei ihr war, aber sie spürte die Hände, die ihr Halt boten oder ihre Haare zurück hielten. Schließlich sank sie mit dem Rücken zurück auf den Boden und atmete gierig weiter. Sie fühlte sich völlig ausgebrannt.
„Was denkst du dir?!“
Neri erkannte die Stimme an ihrer dunklen Stimmlage und auch an ihrer ganz eigenen 'Feinfühligkeit'. Und sie hörte noch etwas ganz in der Nähe: Das Ottsel, das völlig nervös hin und her tippelte.
Calhoun und Pitt sind hier, realisierte sie langsam und öffnete die Augen, als müsste sie sichergehen. Sie drehte den Kopf in seine Richtung. Er sah seltsam aus in der Kleidung eines Waldelfen, ungewohnt, aber die Töne schmeichelten ihm auf eine Weise. Sie suchte den Blick in seine roten Augen.
"Alles.. war.. gut", presste sie hervor, als wäre das Mantra Erklärung genug. Dabei gab es nichts, das ihre Beweggründe besser beschreiben konnte. Sie hatte sich gar nichts dabei gedacht. Sie war nur dem Weg gefolgt, der sich ihr gezeigt hatte und der genau richtig gewesen war. Ein Weg voller Erinnerungen, Gefühle und Offenbarungen. Erinnerungen, die nicht alle ihre waren.
Sie erinnerte sich zurück an ihre Großmutter und das Amulett! Hastig fasste sich Neri an die Brust und bemerkte erleichtert, dass es noch um ihren Hals hing. Am liebsten hätte sie es sofort geöffnet, um die versteckte Botschaft darin zu lesen. Neri war sich sicher, dass sie nicht nur eine Illusion, sondern die wirkliche Vergangenheit gesehen hatte. Aber sie würde das Amulett lieber später öffnen, wenn sie alleine war, und so ließ sie die Hand wieder neben sich sinken.
Gedanklich ging sie die Geschehnisse danach durch. Erneut sah sie die glitzernde Wasseroberfläche vor ihren Augen, ehe diese immer dunkler geworden war und ihr Körper von dem Wasser geflutet worden war. Die Erinnerung schnürte ihr die Kehle zu, als ihr klar wurde, dass sie beinahe ertrunken wäre. Wenn Calhoun nicht hier gewesen wäre, dann.. Sie musste sich nicht umsehen, sie ahnte, dass Kraven, der ihr das alles eingebrockt hatte, nicht mehr hier war. Doch an ihn wollte sie nun nicht denken. Später würde sie die Begegnung vielleicht noch einmal überdenken. Ebenso wie die Bilder aus den Erinnerungen. Doch jetzt war ihr Körper im Überlebensmodus und nur noch zum Nötigsten fähig. Sie hatte in Lebensgefahr geschwebt und es war der Dunkelelf, der sie gerettet hatte - schon wieder.
"Du.. bist.. hier." Jedes Wort schmerzte. Ihr Hals schmerzte, ihre Lungen schmerzten und ihre Worte waren nur ein Krächzen, weshalb sie sich kurz fasste. Aber sie lächelte Calhoun neben sich an und tastete nach seiner Hand. Sie blickte einfach nur in seine roten Augen, die so viel mehr zu bieten hatten als das Grün eines völlig Fremden. Sie war froh, dass er hier war, und dafür brauchte sie kein Rauschmittel. Sie spürte eine seltsame Erleichterung über seine Anwesenheit, deren Intensität sie selbst überraschte. Calhoun war keine Erinnerung und auch nicht Vergangenheit. Er war einfach da, wenn sie ihn brauchte.

Neri schloss die Augen und verzog das Gesicht, weil ihr gesamter Körper brannte. Es fühlte sich an, als hätte die Quelle ein Feuer in ihrem Inneren entzündet. Es tat weh! Das ließ sich nicht leugnen und war auch für die anderen erkennbar: An ihrem immer mal stärker werdenden Händedruck, falls Calhoun seine Hand nicht entzog, an ihrem Stöhnen, wenn sie sich bewegte, und an der Kraftlosigkeit, die sie ungewöhnlich schweigsam machte. Trotzdem fand durch den Schmerz hindurch noch ein anderer Gedanke den Weg in ihr Bewusstsein.
Hat es funktioniert? Hat es gereicht? Habe ich..
"Das Holz..?", beendete sie ihre gedankliche Frage laut und schlug die Augen wieder auf, um sich nach dem Holz der Hüter umzusehen, obwohl jede Bewegung schmerzte.

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Re: Ein Schimmer voller Hoffnung

Beitrag von Erzähler » Dienstag 22. August 2023, 21:29

Es war verstörend und beeindruckend zugleich zu sehen, wie ihre Großmutter war als sie noch lebte. Auch wenn der Ausschnitt bedeutend klein war und sicher nicht alles abbildete, so war Neri unendlich dankbar. Denn ihre Großmutter hatte sie nie kennenlernen dürfen, da sie viel zu früh starb. Und mit ihr all das Wissen, das sie gehabt haben musste. Ihre Mutter war noch zu jung gewesen, um wirklich viel über ihre Großmutter erzählen zu können. Der Verlust der Mutter war etwas, das nachhaltig prägen konnte und so wurden Dinge schöngeredet und gar bewusst verschwiegen. Neriélle aber bekam einen kleinen Einblick darauf, dass ihre Großmutter nicht nur schöne Zeiten erlebt hatte. Sie wirkte fahrig und unstet, gar gehetzt. Doch bevor Neri die Informationen richtig verarbeiten konnte, hauchte sie ihr Leben aus. Da bekam sie endlich eine Richtung gewiesen und dann… verlor sie die Chance auf Aufklärung. Sie tauchte zu tief, zu lang und zu weit. Das Leben beutelte diese junge Elfe gehörig und verlangte ihr zum Schluss einfach alles ab. Allerdings kümmerte sich eine spezielle Person erheblich wenig um Schicksal und Vorsehung. Noch bevor Neriélle einen Eindruck von Rhuna’s kurzzeitigen Aufenthaltsort auf Kata Mayan erhalten konnte, spürte sie, wie ihr Körper zurück katapultiert wurde in ein entbehrungsreiches Leben. Alles schmerzte. Ihre Beine, die mit Wunden von Fischen versehrt waren, ihre Lungen, die viel zu wenig Luft gehabt hatten und ihr Herz. Weil sie gesehen hatte, was sie sehen musste. Neriélle war gestorben und doch flutete die Atemluft ihren Körper und belebte ihn. Es brauchte nur die schroffe Stimme des Dunklen, um sie gänzlich in die Gegenwart zurückzuholen. "Alles.. war.. gut", krächzte sie schwach und erntete ein Schnauben. „Offensichtlich.“, brummte er sarkastisch und hielt sie, während sie hustete. „Was zum Scheiß Henker und seiner siffigen Axt hast du dir denn dabei gedacht?!“, wurde sie von der Seite angeschnauzt und erkannte unweigerlich die fellige Schnauze des Ottsels. Pitt schob seine Schnauze über ihr Gesicht und sah sie tadelnd an. Nein… nicht tadelnd. Missbilligend und äußerst erschrocken. Aber irgendwie auch erleichtert. „Was musst du auch mit diesem gut gebauten Kerl loszuckeln und mich allein lassen, hm? Siehst’e ja, was du davon hast!“, motzte er weiter und nahm gar keine Rücksicht darauf, ob sie ihm überhaupt folgen konnte. Neri aber brauchte noch einen Moment, bevor sie dann den Blick auf Calhoun richtete. Ihr war bewusst, dass Kraven wohl nicht mehr da war. Zumindest hatte er sich bisher nicht gezeigt. "Du.. bist.. hier.", erneut krächzte sie nur und ihr Hals fühlte sich an als hätte sie rostige Nägel gegessen. „Natürlich ist er da! Er war auch der einzige, den ich gefunden habe, um dich vor diesem grottenschlechten Plan zu retten!“, motzte Pitt weiter und weiter und bekam gar nicht mit, wie hinter ihm Calhoun seinen Blick auf Neri gerichtet hatte.

Er musterte sie prüfend, sagte aber nichts weiter. Das übernahm ohnehin das vorlaute Ottsel. „Plan – was rede ich! Das war kein Plan, das war… großer Kackmist! Erst wirst du von dem einen Fisch fast plattgemacht und dann? Und DANN? Dann springst du wieder rein in diese elendige Suppe!“, echauffierte er sich und gestikulierte wild vor ihrem Gesicht herum. Während Pitt die Geschehnisse zusammenfasste, hielt Neri die Hand des Elfen und drückte diese, wenn der Schmerz sie wieder einholte. Er zog seine Hand nicht zurück, sondern behielt die ihre bei sich und gab ihr den nötigen Halt. Als Pitt abermals ansetzen wollte, war es Calhoun, der ihm das Wort abschnitt. „Wir haben es verstanden, Fellknäul!“, mahnte er ihn zurecht und Pitt warf ihm einen missmutigen Blick zu. „In Ordnung, ich habe verstanden!“, maulte er und zog beleidigt ab. Er setzte sich auf seinen kleinen Popo und verschränkte die winzigen Arme vor der Brust. Demonstrativ sah er zur Seite und äffte Calhoun halblaut nach. „Das Holz..?", wollte Neri wissen und der rote Blick rutschte zur Seite. „Du meinst das hier?“, fragte er und löste seine Hand von ihrer, um über sie zu greifen und ihr tatsächlich ein Bündel Holz zu zeigen. Die dünnen Zweige sahen auf dem ersten Blick unscheinbar aus. Trotzdem konnte Neri spüren, dass sie ungewöhnlich warm waren. Als pulsiere in ihnen das Leben. Und während sie das Bündel betrachtete oder gar berührte, da hörte sie eine Stimme in ihrem Kopf: „Du bist auf dem Weg, Neriélle aus Shyáná Nelle. Deine Seele starb auf dem Grund der Quelle… und wurde wiedergeboren, um den ersten Schritt auf ihrem neuen Weg zu gehen. Folge ihm.“, dann verschwand die Stimme wieder, die so tief in ihre Seele dringen konnte. Neri hatte es geschafft. Sie war über eine ihr unbewusste Grenze gegangen und wurde dafür belohnt. Die Seele, die der Wald verloren haben sollte, war sie selbst gewesen. Was auch immer das bedeutete, sie spürte, dass sich etwas verändert hatte. Die Bilder ihrer Vergangenheit hatten ihr gezeigt, wie zerrissen sie doch im Innern war.
„Komm. Schaffen wir dich hier weg.“, hörte sie noch Calhoun sagen und schon spürte sie, wie er ihr das Holzbündel auf den Bauch legte, um sie im nächsten Moment tatsächlich hochzuheben. Er schien keine Mühe zu haben, sie zu tragen. „Komm, Fellknäul“, brummte er und Neri spürte die Vibration an seiner Brust, an die sie unweigerlich anlehnte. „Ich hab‘ einen Namen, Spitzohr!“, schnauzte Pitt, folgte aber brav den beiden Elfen. Einen Moment schritt Calhoun schweigend in Richtung Waldmenschendorf. Von Kraven war tatsächlich nichts mehr zu sehen. Hatte er tatsächlich existiert? Oder war er nur eine Einbildung gewesen? Oder waren es die Hüter, die ihr... eine Illusion sandten, damit sie diesen Weg gehen konnte? Es war alles sehr verwirrend und undurchschaubar, was hier im Sarius geschehen war. „Jemand wird sich deine Wunden ansehen müssen. Oder du heilst dich selbst – falls du das kannst.“, bemerkte er trocken und schaute sie dabei nicht mal an. Er wirkte ohnehin distanziert wie immer. „Du wolltest also Holz holen, ja?“, fragte er daraufhin und schnaubte abermals. „Und das alles für deinen Bogen?“, er hatte bereits klargemacht, dass er es für sentimental hielt. Deshalb sagte er auch nichts weiter. „Wohin soll ich dich bringen? Die Heilerelfe ist nicht in der Lage, dir zu helfen. Sie liegt noch im Koma. Dieses rothaarige Weibsbild mit dem losen Mundwerk ist beschäftigt. Ich könnte die Wunden ausbrennen und zumindest verbinden.“, murmelte er dann und sah sie nun an. Er senkte seinen Blick in ihre goldenen Augen. „Vielleicht machst du für ein paar Stunden mal keine Dummheiten.“, schlug er vor und es blitzte kurz in seinen Augen auf. Hatte er einen Scherz gemacht? Konnte nicht sein, oder? Dann ging er weiter. Calhoun würde Neri dort hinbringen, wohin sie wollte. Er würde sie entweder tragen oder aber stützen, wenn ihr das lieber wäre. Allerdings schmerzten die Bisswunden erheblich und trotz ihrer Wiedergeburt, fühlte sich alles noch etwas zittrig an. Und dann war da noch das Amulett…
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Re: Ein Schimmer voller Hoffnung

Beitrag von Neriélle » Sonntag 27. August 2023, 21:54

Ihr Körper schmerzte und brannte. Neri war nicht fähig, einen klaren Gedanken zu fassen und genauer über das nachzudenken, was ihr im Wasser widerfahren war und was sie gesehen hatte. Die Worte des Ottsels drangen zwar an ihre Ohren, aber sie konnte ihnen aufgrund der äußeren Umstände und der Schnelligkeit des Gesprochenen nicht ganz folgen. Ebenso wenig war sie in der Lage, das Quasseln des Ottsels zu unterbrechen. Stumm blickte die Elfe auf die fellige Schnauze, die sich in ihr Blickfeld schob und bemerkte amüsiert, wie lustig Pitt aus diesem Blickwinkel aussah. Dann versuchte sie aber, ihre Aufmerksamkeit auf seine Worte zu lenken. Während Pitt noch einmal betonte, wie schlecht ihr Plan war, den man im Endeffekt gar nicht als solchen bezeichnen konnte, war sie froh, dass wenigstens nur einer der Anwesenden auf sie einredete und sie mit Vorwürfen überschüttete. Etwas, das normalerweise dazu führte, dass Neri mit mitunter aufbrausenden Widerworten reagierte. Doch jetzt gerade war sie einfach zu erschöpft dafür. Sie fühlte Calhouns Hand in ihrer und schloss die Augen. Pitt war kaum zu stoppen und schwieg erst, als der Elf seinem Wortschwall einen Riegel vorschob. Neri seufzte erleichtert in die entstehende Stille hinein. Sie konnte jetzt gerade nicht auf Pitts Gefühle Rücksicht nehmen, es kostete sie einfach schon zu viel Kraft, die Schmerzen auszuhalten. Der Anblick des beleidigten Ottsels, der Calhoun nachäffte, hätte sie bestimmt zu erheitern gewusst, doch sie sah ihm nicht hinterher. Sie war nur darüber froh, dass er seine Tirade endlich abbrach.

Stattdessen kam ihr wieder in den Sinn, wieso sie das alles getan hatte. Sie hatte Holz von den Hütern erbitten wollen. Hatte es sich wenigstens gelohnt, in dieser Quelle zu ertrinken? Sie hatte nicht wirklich viel Hoffnung, doch dann belehrte Calhoun sie eines Besseren.
„Du meinst das hier?“
Neris Oberkörper, den sie gerade aufrichten wollte, sank zurück zu Boden, als Calhoun neben sie griff und ihr das Bündel Holz zeigte. Ihre Miene erhellte sich, soweit das unter den Schmerzen, die sie noch immer peinigten, möglich war. Die Elfe streckte die Hand aus und ihre Finger fuhren ehrfürchtig über das heilige Holz, das sich warm anfühlte, als würde das Leben dadurch pulsieren.
„Du bist auf dem Weg, Neriélle aus Shyáná Nelle. Deine Seele starb auf dem Grund der Quelle… und wurde wiedergeboren, um den ersten Schritt auf ihrem neuen Weg zu gehen. Folge ihm.“
Neri würde sich wohl nie wieder über eine Stimme in ihrem Kopf wundern. Während ihrer Reise hatte sie einige dieser merkwürdigen Erfahrungen gemacht und hinterfragte gar nicht erst, wie das möglich war. Sie nahm es einfach hin, dass es diesmal die Stimme der Hüter war, die sie in ihrem Kopf hörte. Die erste Erleichterung über den Erfolg ihres zweifelhaften Plans bekam jedoch schnell einen Dämpfer..
Ich war tatsächlich tot.. Die Erkenntnis drang langsam zu ihr hindurch. Sie hatte den Hütern ihre Seele am Grunde dieser Quelle geopfert. Eine Seele im Tausch gegen das magische Holz. Auf ihren Armen bildete sich eine Gänsehaut. Sie hatte das wohl größte Opfer gebracht, das man machen konnte. Gleichzeitig hatte dieses ihr einen neuen Weg geöffnet. Neri fragte sich, von welchem Weg die Hüter sprachen und wohin sie dieser Weg führen würde. Aber ganz offensichtlich hatte es etwas mit dem Geheimnis ihrer Großmutter zu tun. Ihre Großmutter, das Amulett..
„Komm. Schaffen wir dich hier weg.“
Calhoun riss sie aus ihren Gedanken, bevor sich diese näher formen konnten. Und bevor sie irgendwie reagieren konnte, lag das Holz auf ihrem Bauch und der Elf hob sie einfach hoch. Neri versteifte sich unter der Berührung und blinzelte irritiert. Sie spürte das Brummen seiner Stimme angenehm an ihrer Haut vibrieren, so nah war sie seiner Brust, als er Pitt zu sich rief.
"Ich kann.." Neri räusperte sich, genervt, dass ihr Hals noch immer schmerzte und sie nicht einfach wie gewöhnlich losplappern konnte. "..alleine laufen", beendete sie schließlich den Satz. Sie war sichtlich überrumpelt von seiner tatkräftigen Unterstützung und so langsam erwachte auch ihr Stolz. Sie hatte immer versucht, alles alleine zu bewältigen. Und sie wollte sich nun ungerne den ganzen Weg zurück ins Dorf tragen lassen! In der Zwischenzeit waren auch die Worte des Ottsels zu ihr hindurchgedrungen. Natürlich war Calhoun nur hier, weil er der Einzige war, den Pitt gefunden und gefragt hatte. Sie alle waren Fremde im Dorf, sie kannten kaum jemanden dort. Am Ende war das Vertrauen innerhalb ihrer kleinen, bunt durch gewürfelten Gruppe immer noch größer als zu den fremden und kritischen Dorfbewohnern. Wen sonst hätte Pitt also holen sollen?

Calhoun stellte sie auf die Füße und Neri sog die Luft scharf zwischen den Zähnen ein. Es fühlte sich an, als würden tausende Nadeln in ihre Beine gestochen werden. Doch sie wollte nicht einfach hilflos in seinen Armen liegen. Etwaige Blicke des Elfen ignorierend, lief sie ein paar Schritte. Die Schmerzen zuckten durch ihre Beine und letztendlich musste sie sich nach einigen Metern an einem Baum abstützen, um nicht auf die Knie zu fallen. Während sie sich an die Schmerzen im Liegen mehr oder weniger gewöhnt hatte, musste sie nun feststellen, dass der Schmerz noch einmal zunahm, wenn sie ihre Beine bewegte. Wo war dieses Kraut, wenn man es brauchte?! Sie hätte jetzt viel für seine schmerzstillende Wirkung gegeben!
Resigniert und beinahe widerwillig blickte sie zu Calhoun hinauf. Ihr wurde klar, dass sie so Stunden brauchen würden, um ins Dorf zurückzukehren. Vermutlich würde der Abend hereinbrechen, bevor sie da waren. Und wenn sie sich an Kravens Worte richtig erinnerte, wäre es besser, ihre Wunden schnell zu versorgen.
"Also gut..", murmelte sie und sah sichtlich zerknirscht zu Calhoun hinauf. Erneut ließ sie sich von dem Dunkelelfen hochheben, während sie das Holz in der Hand hielt. In seinen Armen legte sie es zurück auf ihren Bauch und ließ sich, wenn auch weiterhin widerwillig, tragen. Auch wenn ihr schnell der Gedanke kam, dass es weitaus unattraktivere Männer gab, von denen sie sich tragen lassen würde.

„Jemand wird sich deine Wunden ansehen müssen. Oder du heilst dich selbst – falls du das kannst.“
Neri sah abermals irritiert zu dem Elfen hinauf, der irgendwann die herrschende Stille durchbrach. Seine Idee war so absurd, dass sie zuerst dachte, dass er sich einen Scherz auf ihre Kosten erlaubte. Doch ein Blick in seine abgewandte Miene verriet, dass er es wohl ernst meinte. Bevor Neri jedoch verstand, dass er überhaupt nur auf diese Idee kam, weil sie eine Lichtmagierin war, sprach er schon weiter und brachte sie vorzeitig von einer Richtigstellung ab.
„Du wolltest also Holz holen, ja? Und das alles für deinen Bogen?“
"Holz holen..?", wiederholte sie und schnaubte nun ihrerseits. Sie war für dieses Holz gestorben! Bei ihm klang es wie eine Kleinigkeit. Auch wenn ihr klar war, dass er nicht wissen konnte, von wem sie das Holz bekommen hatte, fühlte sie unterschwellig Ärger in sich aufsteigen, dass er ihr Opfer so herunterspielte. Neri blickte zu ihm hinauf und überlegte einen Moment. Ob sie ihm alles erzählen sollte? Sie wusste es nicht. All das Geschehene hatte sie vorsichtiger gemacht. Sie hatte gelernt, dass es nicht gut war, jedem alles unter die Nase zu reiben. Zumal sie selbst noch nicht einmal ansatzweise Zeit gehabt hatte, das Erlebte zu verarbeiten. "Du verstehst das nicht. Ich habe es nicht einfach geholt. Das Holz ist magisch. Es ist von den Hütern des Waldes. Ich brauche einen Bogen, aber.." Sie stockte kurz und erinnerte sich an die hitzige Diskussion, die sie damals im Wald nahe Zyranus' geführt hatten. Er hatte deutlich gemacht, was er von ihrem Bogen hielt und dass er nicht nachvollziehen konnte, welchen Wert er für sie hatte. Sie sprach nicht weiter, aber es war klar, dass sie den Satz ähnlich beenden wollte, wie sie ihn begonnen hatte: Er würde es nicht verstehen. Er würde ihr Opfer nicht verstehen. Würde sie das Ganze nochmal machen? Vermutlich nicht. Hatte es sich gelohnt? Das würde sich zeigen, wenn sie Kayon das Holz brachte und ob er sein Wort halten würde. Eigentlich konnte sie noch immer nicht ganz fassen, was sie getan hatte. Die andauernden Schmerzen waren auch nicht gerade hilfreich dabei, darüber nachzudenken.
„Wohin soll ich dich bringen? Die Heilerelfe ist nicht in der Lage, dir zu helfen. Sie liegt noch im Koma. Dieses rothaarige Weibsbild mit dem losen Mundwerk ist beschäftigt. Ich könnte die Wunden ausbrennen und zumindest verbinden.“
Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen, als sie über die Optionen nachdachte, die im Grunde genommen keine waren. Sie selbst konnte keine Wunden heilen. Avalinn war also noch immer bewusstlos und Kaja hatte mehr als genug zu tun.
„Vielleicht machst du für ein paar Stunden mal keine Dummheiten.“
Neris linke Augenbraue hob sich überrascht als ihre Blicke sich trafen. Sie sah Calhoun prüfend an, als müsste sie sichergehen, dass sie richtig gehört hatte und seine ungewohnt scherzhaften Worte richtig interpretierte. Dann huschte ein feines Grinsen über ihre Lippen. Vielleicht war er ja doch nicht nur aus dem einzigen Grund hier, weil Pitt niemanden sonst gefunden hatte?
"Diesmal habe ich mich wohl selbst übertroffen", lenkte sie ein. Sie räusperte sich, weil ihr Hals noch immer kratzte, doch langsam fiel ihr zumindest das Sprechen wieder leichter. "Es kann mir jedenfalls keiner vorwerfen, dass es langweilig in meiner Nähe wird." Sie lachte kurz, doch das Lachen reizte ihren Hals und löste einen Husten und ein Brennen in der Brust aus, sodass sie reflexartig eine Hand dorthin legte und das Gesicht vor Schmerz verzog. "Ich werd's mir überlegen", sagte sie abschließend und sah mit einem Schmunzeln zu ihm hinauf. Dann wurde sie wieder ernster, als sie auf seine letzten Fragen zurück kam.
"Ich kann keine Wunden heilen", stellte sie als erstes klar. "Kaja hat bestimmt mehr als genug zu tun. Also.. wenn du das tun würdest, ..bevor ich nach dem Ertrinken auch noch verblute.." Eigentlich hätte sie etwas schelmischer klingen wollen, doch am Ende übermannte sie die Erkenntnis, dass das vielleicht gar nicht so weit hergeholt war, und sie wurde nachdenklicher.
Ich bin ertrunken, dachte sie erneut und konnte es noch immer nicht recht fassen. Ob Kraven gewusst hatte, was ihr bevorstand? War er deshalb davon gepaddelt, nachdem er sie dem Tod überlassen hatte? Oder hatten ihr die Kräuter das alles nur vorgegaukelt? Einschließlich der Anziehung, die zwischen ihnen geherrscht hatte? Sie erinnerte sich, wie sie sich ihm ganz offen angeboten hatte und wusste nicht einzuordnen, ob das hauptsächlich an der Wirkung der Kräuter oder allein an der Wirkung des Menschen gelegen hatte. Für einen Moment überlegte sie, ob sie sich ihn nur eingebildet hatte. Doch er war es gewesen, der ihr die Kräuter gegeben hatte und Pitt hatte ihn auch gesehen. Zumindest das war nicht von der Hand zu weisen.
Die monotone Bewegung auf Calhouns Arm verstärkte die Müdigkeit aufgrund der Erschöpfung. Ab und zu schloss Neri sogar ihre Augen, während Calhoun sie zurück zum Dorf trug. Auch wenn es ihr noch immer nicht ganz passte, so hilflos in seinen Armen zu liegen. Doch die Wärme, die sein Körper ausstrahlte, war angenehm und die Pause tat ihrem geschundenen Körper gut. Neriélles Gedanken schweiften ab. Erneut dachte sie an ihre Großmutter und an die Nachricht, die nahe an ihrer Brust in ihrem Amulett verborgen lag. Sie konnte es kaum erwarten, es zu öffnen und mehr darüber zu erfahren - mehr über ihre Großmutter, ihre Vergangenheit und vielleicht auch mehr über den Weg, der sich ihrer wiedergeborenen Seele geöffnet hatte..

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Re: Ein Schimmer voller Hoffnung

Beitrag von Erzähler » Montag 28. August 2023, 21:50

Die Hüter hatten ihr bestätigt, was sie bisher nur hatte ahnen können. Neri war auf dem Grund dieser eigenartigen Quelle gestorben. Ertrunken. Ihr Halskratzen versuchte es ihr einzubläuen, ebenso wie das Brennen ihrer Lungen. Erst nach und nach spürte Neri, dass ihr Körper rebellierte. Er schmerzte, er ächzte unter der Last des Lebens und er begehrte gegen jede Bewegung auf. Alles fühlte sich so unsagbar schwer an. Zudem kam die nervtötende Stimme von Pitt. Das Ottsel hatte überhaupt kein Gespür für den Moment. Dafür aber Calhoun offenbar bedeutend mehr, denn er beließ seine Hand, wo Neri sie gerade brauchte. Und sagte kein Wort, bis sie ihm eine Frage stellte. Für das Geben ihrer Seele, hatte Neri tatsächlich das Holz erhalten, mit dem sie ihren Bogen bei Kayon reparieren lassen konnte. Der Einsatz hatte sich gelohnt, nicht wahr? Nun, das musste sich erst noch zeigen, aber der Bogenbauer hatte versprochen, seine Künste wieder aufzunehmen, wenn sie es denn schaffte, dieses magische Holz zu beschaffen. Wie, das hatte er auch nicht gewusst. Dass es nicht leicht werden würde, das hatte man ahnen können, doch das? Calhoun allerdings erkannte ihren Zustand besser als Neri. Er hob sie hoch, was ihre Gegenwehr aktivierte. Er hielt die Elfe nicht auf, sondern stellte sie auf der Erde ab, damit sie sich selbst beweisen konnte, dass sie nicht hilflos war im Moment. Oder, um ihr eben genau das zu zeigen. Mit einer schier endlosen Seelenruhe betrachtete er Neri’s Gehversuche, als wären sie die ersten in ihrem Leben. Was auch so ausgelegt werden konnte, denn die Hüter gaben den Hinweis darauf, dass sie neugeboren war. Dass sie nun einen neuen Weg beschreiten konnte und sollte. Sie sollte ihm folgen.

Doch im Moment folgte Neri nur ihrem Sturkopf. Und musste einsehen, dass sie Hilfe nötig hatte. Grummelnd bat sie Calhoun doch wieder, ihr zu helfen, was jener kommentarlos auch tat. Er war tatsächlich besonders ruhig. Bis er ihr die Frage nach dem Holz stellte und damit einen äußerst wunden Punkt erreichte. "Holz holen..?“, hakte Neri pikiert nach und erntete einen Blick aus den roten Augen. „Ja oder nicht?“, fragte er salopp nach. "Du verstehst das nicht. Ich habe es nicht einfach geholt. Das Holz ist magisch. Es ist von den Hütern des Waldes. Ich brauche einen Bogen, aber.." „…ich verstehe das nicht, schon klar.“, kommentierte er ihr Stocken, als würde er ihre Gedanken erraten und schüttelte den Kopf. „Nein, verstehe ich wirklich nicht. Du bist gerade erst einem Dämon entkommen und das Nächste, was du machst, ist dich kopfüber in raubfischverseuchtes Wasser zu stürzen. Niemand würde das verstehen!“, gab er zu und das auf eine Weise, die man schon als hitzig auslegen könnte. Um dann einen Kommentar zu geben, der ihre Schlagfertigkeit weckte: "Diesmal habe ich mich wohl selbst übertroffen… Es kann mir jedenfalls keiner vorwerfen, dass es langweilig in meiner Nähe wird." Er schnaubte erneut, warf ihr aber einen kurzen Blick zu, der weder herablassend noch abfällig war. Calhoun trug Neri weiter und löste damit etwas ihre Zunge. "Ich kann keine Wunden heilen. Kaja hat bestimmt mehr als genug zu tun. Also.. wenn du das tun würdest, ..bevor ich nach dem Ertrinken auch noch verblute.." Der Dunkelelf nickte nur. Bis er ihren Blick erneut suchte. „Hast du je versucht, deine Wunden zu heilen?“, stellte er eine Gegenfrage und erinnerte sie gleich mal an seinen ‚Selbstvertrauen-Vortrag‘ aus der Zwischenwelt. Hatte sie es je versucht? Avalinn nutzte ebenfalls Lichtmagie. Wieso sollte es ihr nicht vergönnt sein, das ebenfalls zu tun? Neri’s Gedanken rutschten zu dem Bärenmann, der einfach verschwunden war. Und erneut war es, als könnte Calhoun ihre Gedanken erraten, als ich sagte, ohne den Blick vom Weg zu nehmen: „Er ist geflohen, als ich auftauchte. Namudu sind äußerst scheu, weil sie nur ihresgleichen kennen und vielleicht noch mal Elfen jene aus dem Dorf. Dunkelelfen kennen sie nicht und glauben an das Unheil.“, er zuckte die Schultern, dass ihr Körper einen kleinen Satz machte. „Gar nicht so doof, die Einheimischen, was?“, er grinste sogar etwas hinterhältig, doch dann betrat er mit Neri wieder die Schwelle zum Dorf.

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