Das Haus der Famlie van Tjenn

Sämtliche Straßen Andunies sind gepflastert und von schönen kleinen Häusern gesäumt. Meist Fachwerkhäuser, aber auch mal eine prächtige kleine Villa. Nur die ärmeren Bezirke der Bettler und Halunken sollte man meiden.
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Madiha Al'Sarma
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Re: Das Haus der Famlie van Tjenn

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Dienstag 26. September 2023, 19:52

Es war wohl das erste Mal, seit Madiha Freiheit hatte kosten dürfen, da sie sich einen Ausbruch in diesem Maße erlaubte. Sie zeigte sich sonst, entgegen der allgemeinen Vermutung vielleicht, recht umgänglich und einsichtig. Sie zeigte ein gewisses Maß an Güte und Vernunft, das man einer ‚Göre‘ aus der Gosse Sarma’s wohl nicht zugetraut hätte. Madiha wohnte eine Empathie inne, die sie selbst immer wieder überraschte. Und die sie nicht bewusst einsetzen konnte. Sie ließ sich von ihr leiten und versuchte einen Weg durch das Gestrüpp der Welt zu finden. Leider versagte diese Empathie ausgerechnet in einem Moment, da sie nötig gewesen wäre. Madiha aber war zwar frei von Ketten, aber gewiss nicht von Verfehlungen. Sie bemühte sich nach Leibeskräften allen und allem gerecht zu werden, aber ihr fehlte es an Ausdauer. Die letzten Wochen seit ihrer Flucht waren mühevoll, entbehrlich, verletzend und schwer gewesen. Es warwn die kleinen Momente, die ihr geholfen hatten, sich dennoch über das Gute und Schöne zu freuen. Und sie hatte sich vielleicht ein wenig zu sehr auf den breiten Schultern eines Diebes ausgeruht, die eben auch nicht alles tragen konnten. Sie waren ausgelaugt. Caleb nicht weniger als sie. Ihre wundervollen Momente hatten sie lediglich noch ein Stück weitergetragen, aber sie konnten nicht aufhalten, was sie beide erkennen mussten. Das Leben außerhalb von festen Mauern und Regeln oder eben der vermeintlichen Freiheit der Gilde, war doch ganz anders. Und schmerzvoller, wenn geliebte Menschen strauchelten. Sich auf eine Bindung einzulassen, ob nun aus aufrichtiger, leidenschaftlicher Liebe oder platonischer, bedeutete eben auch erkennen zu müssen, dass eben jene Bindung aushalten musste, wenn der andere einen enttäuschte. Corax hatte davon zehren dürfen, dass er trotz seiner Fehltritte noch immer Freunde hatte. Madiha hatte erkannt, dass Caleb sie trotz der potenziellen Gefahr liebte… und sie? Sie hatte nur den Schmerz gespürt, während sich seine Hände um die Kehle der Dunklen legten. Sie hatte nur den Todeskampf gefühlt, den sie gegen Corax zu kämpfen gehabt hatte. Sie hatte nur gesehen, dass er sich veränderte… dass Andunie ihn veränderte. Und sie hat nicht wie sonst besonnen und hilfreich reagiert, nein, sie hatte Caleb weggestoßen, weil sie glaubte, dass ihr Fels in der Brandung zu rutschig wurde, um sie vor einem Sturz zu bewahren. War das nun Liebe? Oder brauchte sie selbst nur jemanden, der sie hielt, wenn sie strauchelte? Madiha starrte aus dem Fenster des oberen Stockwerks und wusste es nicht. Sie sah den Apfelbaum und überlegte, wie es wohl dazu gekommen war, dass man die Toten auf so unterschiedliche Arten bestattete. Und würde sie so etwas in Sarma haben, wäre sie überhaupt gegangen? Sie hätte alle zurückgelassen… Sie seufzte leise. Sie hat alles zurückgelassen. Das Mädchen sehnte sich nach etwas, was sie nun besser verstehen konnte. Die Wärme des Feuers war für sie nun nicht mehr beängstigend. Kjetell’o hatte ihr gezeigt, was sie in der Lage war zu tun. Und es erfreute sie, half ihr, sich besser zu fühlen. Die Spielerei, die für sie längst keine war, sondern bereits ‚große‘ Magie in ihren Augen, lenkte ihren Geist ab. Sie schaffte es, dass sich die Flamme verformte, zu dem wurde, was ihr Wille war. Dann ließ sie sich von der Magie leiten und hüllte sich damit ein. Sie lächelte. Es war wie ein kleiner Freund, der sie weder verurteilen noch verändern wollte. Der nichts erwartete, außer, dass sie mit ihm spielte.

Madiha war gänzlich versunken darin und zuckte erschrocken und auch ertappt zusammen, als Jivvin plötzlich sprach. "Alle glauben, Feuer ist zerstörerisch." Der dunkle Schopf wandte sich an die Elfe und stirnrunzelnd musterte Madiha die Elfe. Nach der ersten Schrecksekunde wandte sich Madiha wieder an ihre eigene Hand und betrachtete noch einen Moment das Feuer, ehe sie es erlöschen ließ. Sie schaute aus dem Fenster. „Ich habe das selbst geglaubt, bis vor wenigen Stunden. Ich stehe ganz am Anfang meiner Magie und… naja wie auch immer.“, bemerkte sie, dass sie bereit war Details zu erwähnen, die vielleicht nicht angebracht waren. Und Jivvin war gewiss nicht wegen ihrer Magie hergekommen. Plötzlich stutzte Madiha. Wieso war Jivvin überhaupt hergekommen? Plötzlich stand die Dunkle neben ihr – auch das hatte Madiha kaum wahrgenommen. Nicht, weil ihre Gedanken ihre Aufmerksamkeit korrumpierten, sondern weil Jivvin einfach verdammt leise war! "Aber nicht einmal Feuer kann sich immer an die Regeln halten. Wird es dadurch aufhören zu brennen? Wird es nie wieder fressen, wenn man ihm Nahrung gibt? Wird es an der Tatsache sterben, dass es einmal nicht den Erwartungen entsprochen hat?" Sie musterte das Gesicht der Elfe, das sich ebenfalls den Ausblick gönnte. Madiha versuchte die Worte zu verstehen und im richtigen Kontext zu hören. „Ich weiß es nicht…“, murmelte Madiha und sah nun ebenfalls hinaus in den Garten. Es war die Wahrheit. Madiha konnte es nicht wissen, weil sie nie zuvor in einer ähnlichen Situation gewesen war. „Ich… habe geglaubt, dass es bleiben würde, wie es war. Ich… ich weiß nicht was werden soll, wenn sich alles ändert… schon wieder…“, murmelte sie erneut und dachte an ihren Neuanfang in Sarma zurück. Mit dem Eintreffen der dunklen Schergen, hatte sich ihr gerade entstehendes Leben erneut komplett geändert. Mit dem Betreten des Schiffes wieder, denn die Ereignisse überschlugen sich und plötzlich war sie nicht mehr ‚nur‘ Madiha, sondern Herrin von Corax, Gossengöre einer Adeligen und … verliebt in Caleb. Sie lächelte kurz bei dem Gedanken daran. Ohne, dass sie etwas daran hätte ändern können und auch ihr Gemüt konnte ihr das nicht madig machen. Mit Anlegen im Hafen von Andunie hatte sich schon wieder alles geändert. Das Mädchen stutzte. In ihr formte sich ein Gedanke, der sich noch nicht recht greifen ließ.
"Dein Freund ist ein Idiot.“ Madiha sah missmutig auf. Sie wollte gerade protestieren, da sprach Jivvin weiter. "Aber ich hätte ihm nicht zugetraut, dass ihn der Tod seines Vaters und das Schicksal seiner Mutter so mitnimmt. Liebe ist verdammt beschissen! Zum Glück bin ich davon nicht betroffen.“ Sie erwiderte den goldenen Blick und kniff kurz die Augen zusammen. Da kam ein Aber… "Glauben alle." Das Zupfen an ihrem Haar nahm Madiha mit einem leichten Lächeln wahr. Ihr Herz lupfte sich bereits wieder an und der trübe Moment schien zu verfliegen. "Ich will nicht umsonst gekocht haben. Los jetzt!" Sie sah der Elfe kurz nach, rührte sich aber nicht. „Ich komme gleich nach…“, murmelte sie. Bevor Jivvin aber den Raum endgültig verlassen konnte, wandte sich Madiha ihr noch mal zu: „Jivvin? Ich weiß, dass ihr ein gutes Herz habt!“, sagte sie voller Überzeugung und glaubte daran. Jivvin gab sich nicht im Geringsten, wie es die Dunkelelfen zahlreich taten.
Das, was sie für Estelle tat, was sie für sie getan hatte und was sie vielleicht noch bereit wäre zu tun… nein, Jivvin war nicht frei von Mitgefühl und Wärme. Das konnte sogar so ein dummes Ding, wie Madiha erkennen. Danach blieb sie noch einen Moment, wo sie war und wälzte abermals ihre Gedanken. Bis sie sich erhob und tief durchatmete, bevor sie die Tür zum Flur öffnete, um dann die Treppe wieder hinunterzunehmen. Vor dem Esssalon blieb Madiha allerdings dann stehen und spähte vorsichtig hinein. War Caleb dort? Oder hatte er, nach ihrem Ausbruch das Weite gesucht. Sie würde es ihm gerne erklären und sie hatte das dringende Bedürfnis, sich bei ihm zu entschuldigen… Sie wusste jetzt, dass ihre Erwartungen viel zu viel waren. Dass sie nicht davon ausgehen durfte, dass er immer derselbe blieb. Wie könnte er? Auch sie veränderte sich jeden Tag… das stand ihm im gleichen Maße doch auch zu? Madiha biss sich auf die Unterlippe und suchte Caleb’s Blick.
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Re: Das Haus der Famlie van Tjenn

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 27. September 2023, 18:57

Jivvin aus dem Haus der Dornentänzer - laut eigener Aussage die Letzte unter ihnen - war nicht nur unglaublich geschickt darin, sich absolut lautlos zu bewegen. Sie besaß darüber hinaus mehr Feingefühl, als man es einer Dunkelelfe zutrauen würde. Sie besaß genug Herz, um Madiha in ihrem Zimmer aufzusuchen und nicht nur mit ihr zu sprechen, sondern sogar auf ihre Feuermagie einzugehen. Sie fand eine Metapher, die ihre Kräfte mit der aktuellen Situation verbanden. So gelang es ihr, eine Brücke zu Caleb zu bauen. Caleb, der nicht immer die Erwartungen würde erfüllen können, die Madiha vielleicht an ihn stellte. Niemand konnte das. Er nicht, das Feuer nicht ... und auch Jivvin nicht. Sie bewies es, indem sie hier war und es der Sarmaerin erklärte. Angesichts ihrer Herkunft, der beiden Katana auf ihrem Rücken und der Tatsache, dass sie die Mitglieder ihres eigenen Hauses eiskalt gemeuchelt hatte, mochte man meinen, in ihrer Brust schlüge überhaupt kein Herz. Aber sie besaß eines und niemand wusste das nun so genau wie Madiha. Trotzdem hatte sie in Bezug auf ihre aktuelle Lage noch Zweifel.
"Ich ... habe geglaubt, dass es bleiben würde, wie es war. Ich ... ich weiß nicht, was werden soll, wenn sich alles ändert ... schon wieder..."
Sie hörte wie die Elfe mit der Zunge schnalzte. Ihre Armverschränkung löste sich ebenso wenig wie der Blick hinaus in den Garten. Sie gab Madiha dennoch Antwort: "Wenn sich alles verändert, darfst du nicht zurückbleiben. Das wäre das einzig Falsche, das du tun kannst. Ändere dich ebenfalls, passe dich an. Überlebe. Vor allem: überlebe alle anderen." Sie schenkte ihr einen knappen Blick aus dem Augenwinkel, dass ihre goldenen Augen wie Goldmünzen auffunkelten, wenn Licht darauf traf. Sie war die erste Dunkelelfe mit so zauberhaften Augen, die eher an Kjetell'o erinnern wollten, auch wenn Jivvin ihre Wälder in den Iriden durch weitere Reichtümer eingetauscht zu haben schien. Vielmehr hatte sie allerdings nicht mehr zu sagen und so wandte Jivvin sich rasch zum Gehen. An der Tür blieb sie noch einmal stehen. Madiha konnte ihr zufriedenes Heben der Mundwinkel nicht sehen, als sie meinte, sie käme nach.
"Jivvin? Ich weiß, dass Ihr ein gutes Herz habt!"
Und sie sah sie auch nicht, als Jivvin sich erneut umdrehte, denn ihre Miene hatte ihren Rat befolgt und sich geändert. Nun zog sich ihr Mund nämlich missbilligend zu einer schmalen, nahezu perfekt geraden Linie zusammen. "Sprich es in der Öffentlichkeit aus und du wirst erfahren, dass ich auch eine sehr scharfe Klinge habe", mahnte sie. Den Worten fehlte allerdings dieser schneidende Unterton. Es war keine Drohung, es war eine Warnung, ihren Schein zu wahren. Dann verabschiedete die Dunkelelfe sich schweigend. Madiha war erneut allein. Sie konnte sich einen Moment sammeln und über die ausgetauschten Worte nachdenken. Ihr Feuer hatte sich wieder angenehm in ihrem Körper verteilt, war zu fließender, unsichtbarer Magie geworden, aber das Gefühl blieb. Es wärmte sie. Es spendete Zuversicht, jedenfalls genug, dass sie sich wirklich noch einmal hinunter und ins Speisezimmer wagen wollte.
Am Eingang zu dem wintergärtlichen Raum blieb sie jedoch noch einmal stehen. Sie lugte vorsichtig in den Raum hinein. Jivvin war natürlich anwesend. Es wäre seltsam gewesen, wenn sie Madiha extra beorderte, ihr Frühstück zu essen, dann aber selbst abwesend blieb. Nein, sie war da und sie saß am Kopfende in einem der herangezogenen Polsterstühle. Sie hob den Kopf nicht an, obwohl gerade ihre feinen Elfenohren Madiha wohl schon auf der Treppe gehört haben mussten. Stattdessen schmierte sie sich etwas der Kräuterbutter auf ein Stück Brot. Auf dem Teller vor ihr lagen brutzlig braune Speckstreifen zusammen mit einem kleinen Klumpen Ei. Ähnlich sah es auch auf Estelles Teller aus. Sie hockte zu Jivvins rechter Seite. Die Dunkelelfe hatte der alten Dame den Sessel bis an den Tisch herangeschoben, damit sie es bequem hatte. Die Frau aß bereits, hielt aber plötzlich inne und drehte ihren Kopf überraschend zielgenau zur Tür. Sie lächelte, ohne Madiha sehen zu können. Dann nickte sie sanft und widmete sich wieder ihrem Frühstück.
Zwei Teller blieben noch übrig. Zwei ... leere Teller. Der eine war für die Sarmaerin gedeckt worden. Natürlich lag noch nichts darauf, denn sie musste sich erst noch mit an den Tisch begeben. Doch auch auf dem anderen fehlte es an den Leckereien, die Jivvin zubereitet hatte. Und das, obwohl jemand noch mit am Tisch saß. Caleb war nicht geflohen. Er hockte seiner Mutter gegenüber und in unmittelbarer Reichweite der Dunkelelfe, nämlich zu ihrer Linken. Madiha konnte somit Calebs linkte Gesichtshälfte sehen und erkannte dort einen rötlichen Handabdruck. Der Form nach zu urteilen war es die Hand einer Frau, die ihn dort getroffen hatte. Der Dieb blickte verbissen auf seinen leeren Teller herab. Er zuckte aber zusammen, als seine Mutter plötzlich doch sprach: "Sie ist hier. Iss, mein Schatz."
Caleb spähte zur Seite. Seine Augen suchten Madihas, bis sie einander kreuzten. Sein Blick brach unter Reue und er senkte den Kopf wieder. Jivvin schnaubte neben ihm. "Du großes Baby!", tadelte sie und schöpfte ihm eine besonders große Kelle aus Rührei auf den Teller. Estelle gluckste nur vergnügt. Caleb rührte sich nicht. Erst falls Madiha es wagte, sich neben ihn zu setzen - dort, wo für sie gedeckt worden war - reagierte er. Dann nämlich streckte Caleb die Hand aus, um nach ihren Fingern zu fassen und diese zu umgreifen, sie zu drücken. Nein, er klammerte sich daran fest. Jivvin beobachtete es, sagte aber nichts dazu. Ein Gespräch am Tisch in ihrer Gegenwart und unter Estelle, die von der Tragödie nicht halb so viel mitbekommen hatte wie alle anderen, wäre ohnehin nicht die beste Idee. Dass beide noch einmal miteinander würden reden müssen, wäre jedoch klar. Doch dass es Caleb leid tat, ebenso.
"Beschütze mich vor der Stadt... und mir selbst", raunte er leise in Madihas Richtung.
"Welche Sprache muss ich nun lernen, um deine Lästereien zu kontern?", erwiderte Jivvin und schob etwas Speck auf den Teller der Sarmaerin herüber. Ihre Worte aber erreichten Caleb. Er hob einen Mundwinkel an und zischte daraufhin, als die geprügelten Wangenmuskeln mit Schmerz antworteten.
"Verdient", entgegnete Jivvin.
"Hm?", summte Calebs Mutter. Sie lächelte selig, einfach zufrieden, so viele Menschen - und Elfen - am Tisch sitzen zu hahen. Für sie war wirklich alles nur halb so schlimm. Sie passte sich an. Sie änderte sich. Was nutzte es schon, sich in Trauer zu verkriechen. Auch blind sah diese Frau nach vorn!
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Re: Das Haus der Famlie van Tjenn

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Mittwoch 27. September 2023, 20:38

Zu glauben, dass sie die einzige mit Fehlern wäre, war wohl Madiha’s größter Fehler. Das Mädchen glaubte so fest an die ihr eingebläuten Unzulänglichkeiten, dass sie gar nicht anders gekonnt hatte als stets die Fehler bei sich zu suchen. Sie machte es falsch, sie schlug irrige Pfade ein, sie verhielt sich nicht richtig. Sie war so felsenfest davon überzeugt gewesen, dass sie tatsächlich der untersten Stufe des Lebens angehörte, dass sie gar nicht damit gerechnet hatte, einmal Zeugin von Verfehlungen zu werden, die andere machen konnten. Sie sah Caleb auf einem Podest. Hoch oben thronte er dort und sah auf sie, Madiha, herab. Nicht aus Gehässigkeit, sondern, weil das alle so taten. Er empfand zwar Wärme für sie und sie glaubte ihm das bedingungslos, aber dass diese Sichtweise gewisse Probleme mit sich bringen konnte, ahnte Madiha nicht. Das Mädchen war so sehr darauf erpicht, für sich selbst einen sicheren Hafen zu finden, dass sie längst übersah, dass auch Caleb einen solchen brauchte. Dass Azura und Corax so einen brauchten. Dass jene Suche, nach Geborgenheit, Sicherheit und Akzeptanz sie alle miteinander verband. Jivvin zeigte ihr, dass nicht jeder immer die Erwartungen erfüllte. Eigentlich möchte man meinen, das gerade Madiha keine Erwartungen an irgendwen stellte, denn immerhin hatte man das auch nie an sie getan. Doch Caleb war so sehr ihr Held in schimmernder Rüstung gewesen, dass sie es einfach nicht hatte fassen können, dass er strauchelte und jenes Strahlen erhebliche Flecken bekam. Doch während Jivvin ihre Warnung im Raum stehen ließ und seitens Madiha ein kleines, wissendes Lächeln erntete, konnte sie zu ihren Gedanken zurückkehren. Die sich formenden Gedanken waren neu und doch… fühlten sie sich richtig an. Niemand kann immer richtig funktionieren. Es zu erwarten war eine andere Form der Sklaverei, der wohl niemand standhalten konnte. Das Mädchen musste sich selbst über etwas klarwerden. War Caleb für sie nun nur der sichere Hafen? Der rettende Anker und Fels in der Brandung? Oder liebte sie ihn um seinetwillen, auch wenn er strauchelte und fiel? Wenn er Schuld auf sich lud und einen falschen Pfad einschlug? Jene Gedanken formten sich, kurz bevor sie den Weg hinunter in den Salon fand. Das Feuer war ein gutes Beispiel gewesen. Sie hatte sich stets vor diesem seltsamen Gefühl in ihrem Innern gefürchtet. Und sie hatte sich vor der Prüfung in der Akademie gefürchtet. Sie hatte sich vor der Erwartung gefürchtet, dass nicht sämtliche Mühen seitens Dunia umsonst gewesen waren. Dass sie bestehen konnte, vor den wachsamen Augen des Gremiums. Auch hatte sie sich davor gefürchtet, dass Caleb erwartete, dass sie perfekt war. Dass sie die Dinge immer richtig machen würde. Im Umkehrschluss war sie es jedoch gewesen, die das erwartete. Und eigentlich wollte sie sich doch immer gegen jene Erwartungen wehren. Wenn eine Azura erwartete, dass sie nur der Bodensatz der Gosse war, dann wollte sie ihr erst recht zeigen, dass sie sich irrte. Wenn Corax glaubte, sie würde ihn schikanieren, wie alle Herrinnen es je getan hatten, dann wollte sie ihm umso mehr zeigen, dass das nicht ihrem Sinn entsprang. Und wenn Madiha glaubte, sie würde zu nichts nütze sein, waren es Caleb, Corax und Kjetell’o, die ihr zeigten, dass sie falsch lag. Erwartungen wurden selten erfüllt… Und das musste nicht immer etwas Schlechtes sein. Das Mädchen hatte wirklich vieles durchdacht und sich die Zeit genommen, Jivvin’s Worte genauer zu wälzen. Auch hatte sie verstanden, dass die Elfe ihr damit helfen wollte. Was wiederum die Erwartung niederlegte, sie wäre eine rohe, kalte Aggressorin, die sich einfach nahm, was ihr nicht zustand. Madiha lernte vieles in diesem Moment und jenen danach und es tat ihr leid, was sie zu Caleb gesagt hatte. Es tat ihr leid, dass er in ihr keine Stütze gefunden hatte, obwohl er explizit danach gefragt hatte. Es tat ihr leid, dass sie ihn mit anderen Augen gesehen hatte… Noch immer sah. Denn etwas hatte sich geändert, etwas, was sie nun innehalten ließ, als sie den Salon beinahe erreicht hatte.

Sie schaute auf die essende Jivvin und zu ihrer Rechten Estelle. Sie wirkte längst nicht so betroffen, wie Madiha sich fühlte. Und sie sah Caleb… Er wirkte versteift und hatte nichts Essbares angerührt. Das Mädchen beobachtete die Szene einen Moment und war sich nicht mehr so sicher, ob Caleb sie überhaupt dabeihaben wollte. Jivvin würde sich über seinen Willen hinwegsetzen… Doch dann sah Estelle in ihre Richtung, zumindest wandte sie den Kopf und lächelte. Madiha aber schaute noch auf die Wange, die sich rötlich im Kerzenlicht zeigte. Stirnrunzelnd betrachtete sie die deutlichen Spuren und ihr Blick rutschte zu Jivvin. War sie das etwa…? Warum? Auch Madiha zuckte, als Estelle’s Stimme sie erreichte: "Sie ist hier. Iss, mein Schatz." Der Blick des Mädchens flatterte zu Estelle, um dann wieder zu Caleb zu blicken. Sie biss sich auf die Unterlippe und als sich ihre Blicke kreuzten, da flatterte ihr Herz. Es war keine Angst, die sich dort auftat, es war keine Trauer… Es war… Wärme, Liebe, um genau zu sein, weil sie spürte, was nur ein Blick von ihm auslösen konnte. Nein… da hatte sich nichts geändert – ganz im Gegenteil. Sie fasste neuen Mut und ging in den Salon, um sich schließlich endlich neben Caleb zu setzen. Ein wenig beklommen saß sie da und wollte gerade etwas sagen, da spürte sie die große Hand des Diebes auf ihrer. Madiha umschloss gleich seine Finger mit ihren, während er dasselbe tat. "Beschütze mich vor der Stadt... und mir selbst" Sie drückte fester zu und wandte den Kopf in seine Richtung. „Das werde ich… immer…“, flüsterte sie zurück und lächelte leicht und mit dem Versuch, aufmunternd zu sein und eine Entschuldigung einfließen zu lassen. Jivvin aber zog die Stimmung ein wenig nach oben, indem sie flapsig für Heiterkeit bei Caleb sorgte. "Sendli...", beantwortete sie die Frage. "Meine Heimatsprache...", fügte sie an, obwohl es vermutlich unnötig war. Doch Madiha war ihre Sprache wichtig. Sie gab ihr eben auch Sicherheit... Obwohl sie sagen musste, dass sie den Wunsch verspürte, ein wenig mehr Caleb's Sprache zu lernen. Vielleicht konnte sie hier und dort das eine oder andere Wort aufschnappen und für sich abspeichern. Sie würde zukünftig mehr darauf achten und nachfragen...
Madiha lächelte ebenfalls leicht und betrachtete daraufhin seine Wange eingehender. Sie warf der Elfe einen fragenden Blick zu, denn auch sie wollte jetzt nicht näher darauf eingehen. Es würden gewiss noch mal Worte fallen müssen aber die gehörte nur Caleb und ihr. Jetzt griff sie, nachdem sie den Dieb losgelassen hatte, nach einem Streifen Speck und biss vorsichtig ab. Nach nur einer Sekunde war klar: Das war lecker! Madiha knabberte die Scheibe weg und ließ sich etwas Rührei auftun. Auch das war sehr lecker, sodass sie trotz der unschönen Zwischensequenz mit Appetit aß. Für einen Moment konzentrierte sich Madiha dann auf das Frühstück, bevor sie aber noch nach einem Brot angelte und einen Apfel auf ihren Teller legte. Erst dann, während sie ein wenig gedankenverloren in ihrem Brot bröselte, richtete sie das Wort in den Raum. „Wie wird es denn jetzt weitergehen?“, sie sah jeden von ihnen einmal an. „Ich meine… du bist der Erbe… was… bedeutet das jetzt?“, fragte sie noch mal und kannte sich mit solchen Dingen nun wirklich nicht aus.
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Re: Das Haus der Famlie van Tjenn

Beitrag von Erzähler » Samstag 30. September 2023, 00:26

Wie hätte sie auch anders denken können als in den schlechtesten Tönen über sich selbst? Wenn man täglich, fast schon ritualisiert, vorgehalten bekam, dass jede Handlung, jedes Wort aus dem eigenen Mund, ja sogar jeder Atemzug Makel besaß, dann verlor man den Blick für jene anderer. Aus Ritualen wurde Routine und nie zuvor hatten Corax' Worte besser gepasst: Wenn man es nur fest und lang genug glaubte, wurde es wahr. All die Jahre in Sklavschaft hatte man Madiha eingebläut, zu glauben, sie sei gerade so viel Wert wie sie Khasib und seine lüsternen Handelspartner unterhalten könnte. Unter dieser Stufe befand sich nur noch der Staub, zu dem er sie nicht hatte zerfallen lassen wollen, solange er noch Befriedigung durch sie erlangen konnte. Erst als Madihas rebellische Ader ein um's andere Mal zu heftig hervortrat, gestärkt durch die winzigen Lichtblicke in Form von Calebs Erscheinen und angereichert mit ihrer feuermagischen Wut, hatte es fast zu ihrem Ende geführt. Und auch da war ihr der Ritter in wüstendiebischer Rüstung erschienen. Caleb hatte sie immer wieder gerettet - sie, die doch nur aus Fehlern bestand, wie man es ihr hatte glauben machen wollen. Niemand besaß Fehler. Über alle hatte Madiha kontinuierlich hinwegsehen können, selbst dann, als Corax ihr mit seinem eigenen Würgeangriff eine Heidenangst einjagte. Selbst als Jakub ihn nicht nur zu unsäglichen Dingen, sondern auch in eine Kinderform zwang. Sie hatte Azuras spitze Zunge ignoriert und eher bei sich die Schuld gesucht für die kratzbürstige Behandlung durch die Adlige. Sie hatte Caleb seinen unbedachten Sprung in die Tiefe verziehen und lieber den Schmerz ihres Herzens akzeptiert, als dass sie auch nur einen noch so kleinen Makel bei ihm gesucht hätte. Und nun musste sie erkennen, dass seine Weste niemals reinweiß war. Kein lebend Wesen Celcias besaß ein solches Kleidungsstück. Sie alle waren fleckig, gezeichnet durch das Leben selbst samt seiner Entscheidungen. Es war irrsinnig anzunehmen, dass es auch nur ein fehlerunbehaftetes Geschöpf in dieser Welt gab. Nur die Götter waren erhaben genug, diese Eigenschaft zu tragen und so sehr die Sarmaerin ihren Dieb auch liebte, ein Gott war er nicht. Ebenso wenig war Azura die noble Adlige, für die sie sich gab und Corax der ewig Gebeutelte. Seine Entscheidungen hatten ihn zum Mörder gemacht. An seinen Händen klebte Blut. Azuras Verhalten hatte ihr viele Türen verschlossen. An ihren Händen klebte Pech. Caleb hatte Fehler begangen. An seiner Hand hing...
Madihas Finger wurden von einer Wärme erfüllt, als der Mann neben ihr seine Pranke auf ihrer Hand ablegte, ohne hinzusehen. Er drückte sanft zu, klammerte sich mehr an sie anstatt ihr so Geborgenheit spenden zu wollen. Er wusste um seinen Fehler. Er bereute ihn, aber er würde auch mit den Konsequenzen leben, wie sie alle es immer taten. Die Flecken auf der reinen Weste schwanden dadurch nicht, aber sie verblassten, bis sie in ihrem wilden Gemisch dem Gewand eine neue Farbe gaben. Sie schenkten dem reinen, unschuldigen Weiß ein Muster aus Erinnerungen. Fehler waren dazu da, aus ihnen zu lernen und diese gewonnene Erfahrung würde für den weiteren Lebensweg Mentor und Gefährte sein. So manch einer hörte nicht auf sie, musste erst neue, tiefere Flecken schaffen und vielleicht würde derjenige niemals lernen. Caleb aber war nicht so. Das wusste Madiha. Er mochte kein edler Ritter in schimmernder Rüstung sein - wie sie alle nicht - aber er versuchte stets, sein Bestes zu geben. Corax bemühte sich. Azura ... bräuchte wohl noch etwas mehr Zeit, ihr feines Gewand zu verunstalten. Ihre eigene verlorene Schönheit reichte offenkundig noch nicht aus, aber mit ein wenig Glück und Zuwendung durch den Raben würde auch sie möglicherweise noch lernen können. Wie es um Kjetell'o, den Shyáner Elfen, stand, wusste Madiha nicht. Er besaß gewiss seine Geheimnisse, aber wie viele davon sich als Fehler auszeichneten, ließ er nicht durchblicken. Frei davon wäre er nicht. Ebenso wenig wie Estelle oder Jivvin.
Diese Gedanken machten es erträglicher. Außerdem ließen sie Madihas Herz leichter schlagen. Es war leichter, anderen zu verzeihen. Es wurde leichter, sich selbst zu verzeihen. Darüber hinaus versuchte man nicht mehr, Fehler um jeden Preis zu meiden. Das war unmöglich. Man lud sie zwar nicht direkt zu sich nach Hause ein, aber man lernte, sie zu akzeptieren und das Beste aus einer unglücklichen Situation heraus zu machen.
Estelle van Tjenn schien diesen Weg für sich eingeschlagen zu haben. Deshalb hatte sie Jivvins Familie den Mord an ihrem Mann und die Folter an sich selbst verzeihen können. Und es wirkte. Hätte sie die Dunkelelfe in Schimpf und Schande versucht, zu verjagen, so wäre sie ihrem Gatten eventuell auf dem Fuße gefolgt oder säße nun allein in ihrem Heim - allein und blind. So aber hatte sie jemanden an ihrer Seite, der ihr aushalf. Jemand, der die Taten der eigenen Mitglieder verurteilte, ihre Fehler wiedergutmachen wollte und Estelle eine Freundin geworden war.
Außerdem erwies Jivvin von den Dornentänzern sich als eine hervorragende Köchin. Der Speck war genau richtig durchgebraten worden. Knackig brach er unter Madihas Bissen, hinterließ eine Mischung aus den knusprigen Rändern, seinem ureigenen Fleischgeschmack, ein wenig Würze und Fett als Geschmacksträger. Es war einfach nur köstlich. Auch die Rühreier waren ihr gelungen, doch Madiha würde sich selbst ebenso auf die Schulter klopfen können. Ihre Butter besaß keine Klumpen. Die Kräutermischung war ausgewogen und schmeckte harmonisch auf den dick geschnittenen Brotscheiben. Sie hätte bereut, dieses Frühstück verpasst zu haben! Gleichermaßen hätte sie Calebs Worte verpasst, so leise er sie auch sprach. Nicht alle verstanden ihn, noch weniger nahmen Madihas Antwort überhaupt auf. Sie wisperte eben noch eine Spur leiser als ihr Dieb. Aber sie reagierte auf Estelles Frage. "Sendli ... Meine Heimatsprache...", antwortete sie. Das ließ die ältere Dame verzückt auflächeln.
"Dann stammst du aus Sarma, Madiha? Daher dieser schöne Name. Oh, ich erinnere mich an Kleinigkeiten, die dein Vater aus Sarma manchmal mitbrachte, Caleb. Und ich spreche nicht von den süßen Feigen oder Datteln, obwohl der mitgebrachte Schnaps sich großer Beliebtheit erfreute." Estelle lächelte in sanfter Nostalgie. "Ich mochte die sarmaer Gewürze schon immer sehr. Erinnerst du dich, dass ich immer etwas Zimt in unsere Apfelmarmelade gegeben habe? Die besondere Schärfe stammt aus der Wüstenstadt."
"Ich weiß", entgegnete Caleb. Endlich sprach er wieder am Tisch. "Und einige feurige Döschen mit diesem roten Pulver."
"Chili", lachte seine Mutter auf. "Du hast dir zwei große Löffel davon in deinen Kompott gerührt, weil du dachtest, es wäre so köstlich wie der Zimt."
"Ich habe Feuerkegel geschaffen wie ein Magier." Er schmunzelte schief in Madihas Richtung, ehe er sich mit der freien Hand in den Nacken griff. "Zwei Mal..."
"Caleb!" Seine Mutter lachte halb im Tadel, aber vielmehr erfreut darüber, dass die Stimmung am Tisch gerettet schien. Dann hob sie einen Finger an. "Drei Mal. Erinnere dich an Gregors Lektion."
"Er hat mich nur einmal mit dem Gürtel getroffen!" Plötzlich wurden beide van Tjenns ruhig. Es tat gut, sich an alte Zeiten zu erinnern, zugleich schmerzte es auch, denn es machte den frischen Verlust wieder greifbar. "Jetzt wünschte ich fast, er würde mich noch einmal damit erwischen", murmelte Caleb.
"Stehst du auf Schmerzen? Ich könnte dir in einem Akt aus Erotik und bittersüßer Pein Nadeln unter die Haut stechen, bis du allein dadurch deinen Höhepunkt erreichst", mischte Jivvin sich mit staubtrockener Miene ein, während sie ihr Brot mit Kräuterbutter bestrich. Estelle räusperte sich, doch die Dunkelelfe sah Caleb mit unverblümtem Ernst an. Er hingegen wurde knallrot, rieb sich vom Nacken über die Haare. Dann schaute er zu Madiha herüber, auch um Jivvins Goldblick zu entgehen. "D-Danke, aber ich ... hitzige Leidenschaft reicht mir." Er grinste schief wie gleichermaßen verliebt.
Jivvin musterte das Paar, wobei sie nun Madiha einen längeren Blick schenkte. Er sprach Bände. Er schrie Feuermagierin von jeder Seite, aber ob die Elfe sich darüber amüsierte, war aus ihrer neutralen Miene nicht herauszulesen.
"Wie wird es denn jetzt weitergehen?", versuchte Madiha das Gespräch in andere Bahnen zu lenken. Alle am Tisch schienen ihr dafür dankbar zu sein. Sie wandte sich an Caleb. "Ich meine ... du bist der Erbe ... was ... bedeutet das jetzt?"
Caleb schaute von seinem Teller hinüber zu seiner Mutter. "Da ich der einzige Erbe bin, geht wohl jeglicher Besitz, jegliches Vermögen in den meinen über. Ich bin das neue Oberhaupt der van Tjenns, mit allen Privilegien und ... Aufgaben. Ich werde die Werft beaufsichtigen müssen - falls sie noch existiert?" Sein Blick wanderte zu Jivvin herüber. Es war jedoch seine Mutter, die für Aufklärung sorgte. Sie setzte die Teetasse trotz ihrer Blindheit geschickt auf der Untertasse ab und faltete dann die Hände in ihrem Schoß.
"Mein Schatz, die Werft existiert noch und sie wird nach wie vor unter dem Namen van Tjenn geführt. Die Aufsicht hat jedoch jetzt das dunkle Volk, das Andunie regiert." Caleb verzog augenblicklich den Mund. Jivvin hob eine Hand an: "Van Tjenns Werft untersteht den Dornentänzern. Mein Cousin - möge Faldor seine Seele in Blut tränken - wollte der dunklen Armee eine Flotte zusammenstellen. Da wir beide das Schicksal teilen, einzige Erben unseres Blutes zu sein, führe ich seine Pläne fort. Ich habe kein Interesse daran, aber die Werft wird gutes Geld abwerfen. Außerdem habe ich eine befähigte Frau dort abgestellt. Sie weiß, die Andunier zu Arbeit anzutreiben, ohne sie zu ... verschleißen."
"Die Werft arbeitet gut, Caleb", setzte Estelle das Gespräch fort. "Du wirst es leicht haben, die Aufsicht zu führen."
"Es ist ein Selbstläufer. Deine Anwesenheit würde nur bemerkt, falls du Fehler machst." Dies war ein Freifahrtschein. Caleb musste das Erbe seines Vaters nicht zwingend antreten, auch wenn Jivvin es nur indirekt verlauten ließ. Die van Tjenn Werft funktionierte offenbar und keiner schien groß Notiz davon zu nehmen, wer sie letztendlich führte. Wichtig war, dass gelieferte Materialien zu Schiffen verarbeitet wurden. Nicht einmal Jivvin musste sich groß darum kümmern, sondern nur hier und da mal vorbei schauen, um einen neuen Befehl in die Kette zu geben, die eindeutig von ihren Untergebenen gemeistert wurde.
"Verschwinde von hier." Es klang niederträchtiger als sie es meinte. Tatsächlich schien die Dunkelelfe wohlwollend sein zu wollen. "Lebe dein Leben weiter so wie es für dich am besten passt. Deine Mutter ist versorgt." Ohja, sie meinte es gut. Estelle lächelte in ihre Richtung. Jivvin ignorierte es gekonnt. Die alte Dame - ihre Freundin - konnte es ohnehin nicht sehen. Caleb aber sah es. Und Caleb biss sich auf die Unterlippe. "Das ... kann ich nicht." Er schaute hinüber zu Madiha. "Ich kann meiner Stadt nicht den Rücken kehren, als wäre nichts. Dieses Mal nicht. Ansonsten ... wäre es ein Verrat." Ein Verrat an Andunie, vor allem aber an seinen Vater. Jener hatte sein Leben gegeben, um die Stadt und seine Frau zu schützen. Würde Caleb dieses Mal das Heil in der Flucht suchen, machte er dieses Opfer wertlos. Außerdem ließ er seine Mutter im Schutz einer anderen. Er seufzte. "Wenn es dir nichts ausmacht, Mutter, dann überlasse ich dir ... und Jivvin ... die Organistation der Werft. Das war ohnehin niemals mein Traum. Aber ... Andunie kann ich dem dunklen Volk nicht überlassen."
"Eine Regierung zu stürzen wird nicht einfach", kommentierte Jivvin, als ginge es hier nicht um eine Regierung, die von ihresgleichen getragen wurde. Als ginge es sie überhaupt nichts an, dabei hatte sie ganz offenkundig doch eigene Pläne in der Stadt. Madiha hatte einen kleinen Einblick darin erhalten, als beide miteinander gesprochen hatten. Vor Caleb und Estelle erwähnte sie nichts dergleichen. Der Dieb aber hatte ein solches Wagnis gar nicht vor. Er handelte oftmals kopflos und unüberlegt, aber er besaß genug Vernunft um zu wissen, dass er allein es nicht mit einer ganzen Stadt aufnehmen konnte.
"Ich will nur jene in Sicherheit wissen, die ich hier würde zurücklassen müssen. In eine anhaltenden Sicherheit."
"Deine Mutter ist hier sicher", erwiderte Jivvin fast schon gekränkt und deshalb in schärferem Ton.
"Ich sprechen icht nur von ihr. Ich meine alle Andunier", sagte Caleb daraufhin. "Dass nicht alle Dunkelelfen bösartig sind, weiß ich. Einer davon ist mir ein guter Freund geworden und ich bin sicher, es gibt noch mehr wie dich, Jivvin. Elfen, die hier einfach nur einen Neuanfang suchen ... so wie ich einst in Sarma." Wieder drückte er Madihas Hand. "Sie alle müssen vor jenen deines Volkes sicher sein, die finstere Absichten haben. Solange diese Anteile existieren, kann ich Andunie nicht im Stich lassen." Er sah zu Madiha herüber. "Auch wenn das möglicherweise all unsere Pläne durchkreuzt." Pläne? Hatten sie denn welche? Caleb wusste nicht, ob Madiha sich Gedanken zu ihrer Zukunft machte. Er ahnte allerdings ebenso wenig, dass sie bereits Schritte in eine Richtung unernahm. Noch hatte sie weder mit ihm noch mit Kjetell'o über ihren feuermagischen Werdegang geredet. Außerdem wollte sie auch Corax weiterhin auf seinem Weg helfen. Würde Azura hier in Andunie bleiben, so müsste sie es zwangsläufig auch ... oder ihn gelegentlich besuchen. Ihn mitnehmen? Nein, er würde die Adlige nicht verlassen, zu sehr liebte er sie.
Und sein Ebenbild, das sie in den Straßen getroffen hatte? Was war aus diesen Plänen geworden?
Madiha hatte tatsächlich schon einiges getan, um einen längeren Aufenthalt in Andunie zu rechtfertigen. Es musste nicht für immer sein, aber sie plante offensichtlich auch nicht, sofort am nächsten Morgen abzureisen. Wenn sie mit ihrem Feuermagie-Studium bei Kjetell'o beschäftigt wäre, könnte Caleb seinen Weg gehen. Wie auch immer dieser aussehen sollte. Sie könnten beides gemeinsam angehen. Sie könnten sich gegenseitig unterstützen und vielleicht hatten sie in Estelle und Jivvin sogar noch weitere Verbündete gefunden.
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Re: Das Haus der Famlie van Tjenn

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Samstag 30. September 2023, 22:22

Immer war da dieses kleine bisschen Restwürde, das Madiha einfach nicht verlieren wollte. Die kleine Flamme der Rebellion, die ihr einbläute, dass die Worte der Männer nicht stimmen konnten. Woher sie diese hatte, wusste Madiha nicht. Aber sie erkannte, dass ihr diese kleine Flamme das Leben rettete. Das, und die schmutzige Hand eines Diebes, der nicht vergessen konnte, was er einem jungen Leben angetan hatte. Dass aus dem irrigen Wunsch, mehr zu sein und dem schlechten Gewissen nun eine Verbindung entstand, die heilsam für beide sein sollte, hätte sich wohl keiner träumen lassen. Es war passiert. Überraschend für zumindest Madiha, denn sie selbst hätte wohl niemals offen über ihre Gefühle gesprochen, wenn sie nicht gelauscht hätte und so das Gespräch von Corax und Caleb aufschnappte. Nun aber saß Madiha mit dem Dieb an einer wohlgedeckten Tafel, aß leckeres Rührei mit Speck und einem verdammt guten Brot mit Kräuterbutter. Die Atmosphäre war… neu. Das Mädchen aß die Speisen mit einer gewissen Ruhe und einem stillen Genuss. Jeder Bissen landete wohlbedacht in ihrem Mund und alles besah sie sich genauer. Für den geneigten Beobachter dürfte es nicht schwer sein zu erraten, dass sie solche Dinge einfach nicht gewohnt war. Wo es zum normalen Alltag und zum ‚Lieblingsfrühstück‘ einer Witwe gehörte, da war das für Madiha ein Festmahl. Schon am Abend zuvor hatte Caleb sie auch kulinarisch in neue Höhen getrieben und ihr gezeigt, was Mahlzeiten auch sein konnten. Und während sich eine gute Sättigung in ihr einstellte, bekamen sie alle Gelegenheit etwas zu plaudern. Normalität war wohl etwas, das beinahe jeder gerne hatte, wenn die Zeiten so turbulent waren und das hier war für Madiha eine neue Art der Zufriedenheit. Das Mädchen beobachtete die anderen dabei heimlich und spürte weiterhin eine gewisse Wärme in sich. Familie, Heimat, ein Zuhause… Liebe… sie wusste gar nicht wohin mit all dem Neuen und Wundervollen, das sie durchaus auch trotz der vorangegangenen Dinge fühlen konnte. Ein Blick aus den blaugrünen Augen Caleb’s reichten, eine Berührung seiner Hand, das Madiha sich wieder etwas sicherer fühlte. Noch immer würde es Redebedarf geben, aber das konnte getrost auf später verschoben werden. Madiha hatte gerade erklärt, dass sie aus Sarma stammte und nickte, auf Estelle’s Frage, ehe sie sich erinnerte, dass die Alte das nicht würde sehen können. „Richtig, ich komme aus Sarma.“, bestätigte sie, ging aber nicht näher auf ihr Leben dort ein. "Daher dieser schöne Name.“ Madiha lächelte geschmeichelt. „Danke…“, murmelte sie, bevor Estelle weitersprach: “Oh, ich erinnere mich an Kleinigkeiten, die dein Vater aus Sarma manchmal mitbrachte, Caleb. Und ich spreche nicht von den süßen Feigen oder Datteln, obwohl der mitgebrachte Schnaps sich großer Beliebtheit erfreute. Ich mochte die sarmaer Gewürze schon immer sehr. Erinnerst du dich, dass ich immer etwas Zimt in unsere Apfelmarmelade gegeben habe? Die besondere Schärfe stammt aus der Wüstenstadt." Madiha drückte etwas ihren Rücken durch und betrachtete Estelle, die in Erinnerungen schwelgte. Es war erstaunlich zu hören, dass andere über ihre Heimat sprachen. Madiha lächelte leicht bei ihren Worten und nickte etwas. "Ich weiß", das war Caleb.

Das Mädchen hörte nun ihm zu und beobachtete schweigend, wie sich eine Erinnerung zwischen Mutter und Sohn formte, die sie beide zum Lächeln brachte. Bei seinem Scherz lachte Madiha leise und gelöst, bevor Estelle ihren halbernsten Tadel losschickte. "Jetzt wünschte ich fast, er würde mich noch einmal damit erwischen", murmelte er und Madiha verzog leicht das Gesicht. Bis es ihr entglitt, als Jivvin das Wort erhob. "Stehst du auf Schmerzen? Ich könnte dir in einem Akt aus Erotik und bittersüßer Pein Nadeln unter die Haut stechen, bis du allein dadurch deinen Höhepunkt erreichst" Madiha hatte gerade ihren Becher gehoben und hustete nun hinein, weil sie glaubte, sich verhört zu haben. Sie stellte ihren Becher geräuschvoller auf den Tisch ab und warf der Elfe einen Blick zu, der durchaus auch Feuerbälle hätte produzieren können. "D-Danke, aber ich ... hitzige Leidenschaft reicht mir." Nun wurde das Mädchen verlegen und das Lodern in ihrem Blick verpuffte einfach. Sie sah Caleb mit hochrotem Gesicht an, ehe sie den Blick mit einem leichten Grinsen, das ihre Gefühle unverhohlen jedem ins Auge springen ließ, abwandte. Himmel, war ihr das unangenehm. Jivvin’s Blick nahm Madiha nicht wahr, denn sie musste dringend ihr Geschirr sortieren und geraderücken. Als sie das ‚geschafft‘ hatte, lenkte sie das Thema des Tisches auf andere Dinge. Gleichwohl ein willkommener Ausweg, wenn auch trotzdem wichtig zu wissen. Es war gewiss manchmal ein Segen, dass sie die Welt nicht kannte. So war sie unvoreingenommen und leicht führbar. Doch für sie stellte sich ihr Unwissen oft als Stolperstein heraus. Was würde das bedeuten, das Caleb nun zurückkehrte und auch noch Erbe war? Sie wusste es eben nicht und fragte aus Neugier heraus. Die Antworten bargen… kompliziertes Material. Denn sie ließen Madiha erkennen, dass sie noch nicht recht wusste, was eigentlich Sinn und Zweck ihres Aufenthaltes hier in Andunie waren.
Ursprünglich war die Hafenstadt der einzige Anhaltspunkt von dem Mädchen gewesen. Sie hatte fliehen wollen und wusste doch nicht wohin, weshalb sie Andunie wählte als einzigen Ort, von dem sie mal etwas gehört hatte. Dann überschlugen sich die Ereignisse und nun saß sie hier und hörte, dass Caleb Geschäfte führen sollte – oder auch nicht – und er seiner Mutter zur Seite stehen wollte. Was sie als vollkommen verständlich betrachtete. Sie aber hatte Mühe dem Ganzen zu folgen. So betrachtete sie schweigend nacheinander die Redner und lauschte mehr, als das sie sich aktiv daran beteiligte. Dann hörte sie aber Caleb’s Ambitionen und verharrte in seinem Gesicht. "Sie alle müssen vor jenen deines Volkes sicher sein, die finstere Absichten haben. Solange diese Anteile existieren, kann ich Andunie nicht im Stich lassen." Er wollte… ein Andunie schaffen für… alle? Alle, die es wollten? Er wollte es sicher machen? Madiha wurde nachdenklich. Was fing sie denn mit ihrer Zeit überhaupt an? Sie bemerkte seinen Blick nicht, sondern starrte auf ihren Teller. Erst, als er sprach, zuckte sie zusammen und hob den Blick. "Auch wenn das möglicherweise all unsere Pläne durchkreuzt." „Pläne…? Ich…“, Madiha wusste nichts dazu zu sagen. Sie hatte bisher nicht wirklich darüber nachgedacht, was sie eigentlich mit ihrem neuen Leben anfangen wollte. Das wurde ihr just in diesem Moment bewusst. Caleb schmiedete bereits Pläne, in Andunie für Sicherheit zu sorgen.
Das hieß… sie blieben? Aber… Wo würden sie wohnen? In der Akademie? Im Haus von Jivvin? Und was würde sie tun, wenn er loszog? Madiha fühlte sich reichlich überfordert auf einmal. Dutzende Fragen strömten auf sie ein und sie hatte keine Antworten darauf. Da waren so viele Faktoren, die sie bedenken musste und plötzlich fiel ihr auch wieder ein, dass sie dringend mit Caleb sprechen wollte, was Kjetell’o ihr angeboten hatte. Erneut hob sie den Blick und lächelte schwach. „Wie stellst du dir das vor, Caleb?“, fragte sie leise und doch interessiert. Hatte er bereits konkrete Ideen zu seinem Vorhaben? Dann aber folgte ihr Eingeständnis: „Nun … ich kann nicht sagen, dass ich mir… besonders viele Gedanken gemacht hätte…“, sie lief erneut rot an und sah flüchtig zu Jivvin und Estelle, ob sie mit ihrer Aussage Missbilligung erntete. „Es war alles so… turbulent und …ungewohnt“ sie blickte erneut zu Caleb. „Ich habe dir noch gar nicht erzählt, was… also was Kjetell’o … wollte. Und… da war dieser… Mann auf dem Markt…“, sie dachte nach. Dann merkte sie auf und ihr Blick richtete sich wieder auf Jivvin. „Jivvin? Sagt euch der Name Emmyth Faelyn etwas?“, fragte sie vollkommen unvermittelt und aus dem Thema gegriffen. Wer wusste schon, ob die Elfe dazu eine Information besaß. Falls Caleb sie fragend anblicken sollte, würde sie ihm mit einem Drücken seiner Hand bedeuten, später nachzufragen, sie würde ihm das noch erklären. Wie auch immer die Antwort der Elfe ausfallen würde, Madiha hatte dringend Redebedarf mit Caleb. Er offenbarte konkrete Pläne, die er hier in Andunie verfolgen wollte und die sie selbst überraschten. Wann hatte er die Entscheidung gefällt? Und… was, wenn sie ganz andere Pläne gemacht hätte? Es klang so, als würde Caleb davon nicht abrücken und … was war mit ihr? Natürlich, seine Pläne waren nobel, doch… Madiha musterte den Dieb eingängig. Was wenn sie den Wunsch äußern würde, von allem noch weiter fortzulaufen? Wenn sie endlich leben wollte… mit ihm... Das Mädchen holte tief Luft. So egoistisch war sie aber nicht und würde sich hüten zu äußern, dass sie die Angst, die Ungewissheit, den Schmerz ablegen wollen würde. Caleb hatte Recht… Die Menschen und Elfen hier in Andunie brauchten Hilfe. Und wer wäre sie, wenn sie sich über das Schicksal von anderen stellte? Das hatte sie schließlich noch nie getan...
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Re: Das Haus der Famlie van Tjenn

Beitrag von Erzähler » Sonntag 1. Oktober 2023, 09:14

Blendete man all die Umstände aus, zu denen dieses gemeinsame Frühstück geführt hatte, konnte man es wirklich familiär nennen. Selbst dann, wenn sich nur zwei wahre Blutsverwandte am Tisch befanden. Trotzdem erreichte dieses Gefühl der Normalität auch Madiha und es erfüllte sie mit etwas, das sie zuvor nicht erfahren hatte. Als Sklavin hatte sie entweder gar nichts gegessen oder heimlich für sich, wenn es ihr gelungen war, einen Krumen vom reichen Tablett ihrer Herren zu stehlen. Saß sie denn einmal mit den anderen Mädchen und Frauen des Harems zusammen am Tisch, war die Stimmung alles, nur nicht familiär. Man schwieg, konzentrierte sich auf's Essen. Die kargen Mahlzeiten waren stets zu wenig, um wirklich Kraft zu haben und zu viel, um sterben zu wollen. Sie hielten gerade so am Leben, aber der Körper sehnte sich sogar genug danach, dass man bereit war, artig zu sein. So wurden Sklaven gebrochen.
Madiha hatte sich niemals ganz brechen lassen. Ob es an ihrem ureigenen Willen lag oder der Ursprung in Verbindung zu der kleinen, magischen Flamme bestand, die in ihr brannte, konnte sie nicht sagen. Sie wusste nur, dass sie stets gekämpft hatte und es auch weiterhin tun wollen würde. Denn es lohnte sich, oder nicht? Sie saß hier, zusammen mit Caleb, seiner Mutter und einer Dunkelelfe, die mehr Herz besaß als sie zugeben wollte. Sie aßen gemeinsam, ohne einander zu verurteilen. Und sie schmiedeten Pläne. Nun, zumindest taten es die übrigen drei. Madiha stellte fest, dass sie über eigene Vorhaben noch nicht wirklich nachgedacht hatte. Für sie hatte nur festgestanden, ihr neues Glück fernab von Sarma zu suchen, vor allem nach der Invasion durch die dunklen Völker und erst Recht, als Caleb klammheimlich aufgebrochen war, um sie allein zurück zu lassen. Im Grunde war sie eher ihm als ihren eigenen Idealen gefolgt, was sie nun auch bis hierher gebracht hatte. Sie befand sich in Andunie, aber sie hatte bereits mehr gesehen, das auf sie warten mochte. Vom Turm der Wasserakademie aus hatte sie einen Blick auf das übrige Celcia werfen können. Es war groß und weit, mit so vielen farbenfrohen Flickenteppichen, die auf eine Erkundung warteten. Ihre Neugier war ebenso geweckt worden wie ihr Fernweh. Trotz ihrer saramer Herkunft, der man Trockenheit und Hitze zusprach, wirkte Madiha wie ein feuchter Schwamm. Sie wollte alles aufsaugen, was Celcia zu bieten hatte. Aber sie befand sich nun auch in einem Verbund mit ihrem Dieb. Jener entwickelte eigene Pläne. Manche davon konnte sie nachvollziehen. Natürlich wollte er bei seiner Mutter bleiben und ihr beistehen. Madiha hätte wohl genauso entschieden, würde ihre Mutter noch leben und plötzlich wieder an ihrer Seite sein. Würde sie so zu ihrem Vater stehen, sofern er noch existierte und nicht bereits Staub im weiten Sand der Sar geworden war? Wahrscheinlich.
Und die Rettung Andunies? Nein, so konnte sie es nicht bezeichnen. Caleb strebte nicht an, die Stadt vor den dunklen Völkern zu retten. Er wollte sie sicher wissen. So war er. Er schloss niemanden aus, nur weil derjenige sein eigenes Glück an einem neuen Ort suchte. Caleb hatte es selbst so gemacht. Er war als Fremder nach Sarma gekommen, hatte dort Fuß gesetzt und für sich Sicherheit in den Reihen der Wüstendiebe gefunden. Wer wäre er, anderen eine solche Chance zu verweigern, nur weil es seine Heimatstadt war, in der sie ihre Chancen suchten? Nein, ihr Dieb dachte in anderen Bahnen. Er wollte Andunie lediglich von jenen befreien, die einem solch vorurteilsfreiem Denken im Weg stünden. Er wollte jene vertreiben, die nicht bereit waren, in einem Miteinander zu leben. Die Frage war, ob dies auch Madihas Pläne wären. Sie würde noch einmal in Ruhe mit Caleb darüber sprechen müssen. Oh, sie musste so vieles mit ihm bereden!
Ihr Ausbruch vorhin in der Küche war noch nicht geklärt, ebenso wenig sein Angriff auf Jivvin. Aber es gab noch wesentlich mehr, das angesichts der Ereignisse in den Hintergrund hatte treten müssen. Jetzt, da sie ein wenig Alltagsleben einholte und sie alle in Ruhe beisammen saßen, konnte Madiha sich überhaupt wieder an die losen Fäden erinnern, die um ihre Finger geschlungen waren. Einer davon brannte, wenn sie ihn nur ergreifen wollte. Kjetell'o hatte ihr angbeboten, sie in der Feuermagie zu unterrichten. Da er jene Gabe selbst beherrschte, war dies eine glückliche Fügung. Kein Wassermagier der andunischen Akademie könnte sie so fördern wie der Shyáner. Allerdings koppelte der Elf auch eine Bedingung an sein Angebot. Madiha müsste seinem Willen unterstellt sein und blind seiner Weisung folgen - ein einziges Mal, wie er behauptete. Das klang zunächst nach keiner großen Angelegenheit, vor allem nicht, wenn sie ohnehin bereit war, auf sein Wissen zu hören. Doch mit mehr Bedenkzeit entwickelten sich andere Pfade. Wohin führte diese Bedingung? Er könnte nahezu alles von ihr verlangen und sie müsste folgen, wenn sie das Versprechen nicht brechen wollte. Dass er auch vorab keine Details preisgab, sprach nicht gerade für eine unriskante Order. Wie Caleb überhaupt zu der ganzen Sache stand, konnte die Sarmaerin nur erahnen. Sie würde mit ihm darüber sprechen müssen, aber nicht jetzt.
Außerdem gab es noch einen Strang, dem sie nachgehen wollte. Corax' Abbild, dieser freundlich wirkende Doppelgänger in den verregneten Straßen ... wer war er? Ein Dunkelelf, der ihm fast bis auf's Haar glich. Er hatte einfach nur eine Spur unbeschwerter, dadurch jünger gewirkt, aber er hätte nur auf den zweiten Blick nicht mehr mit ihrem rabenhaften Freund verwechselt werden können. Nachdenklich ließ Madiha ihre Augen über die Anwesenden wandern. Sie blieb bei Jivvin hängen. Die Elfe musterte sie. Die ... Dunkelelfe musterte sie!
"Jivvin? Sagt Euch der Name Emmyth Faelyn etwas?"
Alle Augen richteten sich erst auf Madiha, dann auf die Angesprochene. Jivvin verzog keine Miene. "Das Adelshaus Faelyn, selbst ernannt nach ihrer Affinität zu Feen, Kobolden und deren magischen Kräften." Sie nickte. "Man kennt sie, wenngleich es in den letzten Jahrzehnten reichlich still um sie geworden ist. Die Blutlinie stirbt aus." Sie schnaufte und zog einen Mundwinkel hoch. "Sie und die Dornentänzer haben etwas gemeinsam." Dann legte sie den Rest ihres Frühstücks zurück auf den Teller und erhob sich, dass ihr Stuhl über den steinernen Grund schabte.
Estelle drehte ihr den Kopf zu. Ihre unaugesprochene Frage hing über ihnen im Raum. Jivvin beantwortete sie indirekt. "Emmyth Faelyn? Nun gut..." Dann marschierte sie um den Tisch herum und durch die offene Tür Richtung Flur. Man hörte keinen ihrer Schritte, obwohl sie immer noch die pinken Pantoffel trug. Caleb schaute ihr nach.
"Ihr könnt hierbleiben", meinte Estelle plötzlich. Mit einem Lächeln wandte sie ihren Kopf den noch Sitzenden zu, vor allem aber Madiha. Sie war es, die Unschlüssigkeit bezeugt hatte. "Wenn Jivvin euch eine Nacht hier bleiben lässt, wird sie es auch mit weiteren tun. Vor allem, wenn unter ihren Gästen mein eigen Fleisch und Blut ist." Sie seufzte erleichtert. "Ich bin so froh, dass du hier bist, Caleb."
"Und ich bin froh, dass ... du wenigstens noch da bist, Mama." Er löste seine Finger von Madihas Hand, um sie nach jener seiner Mutter auszustrecken. Estelle ergriff die Pranke, drückte sie sanft. "Ihr könnt hierbleiben", wiederholte sie fester. "Mein Schatz, du solltest abklären, ob du das Erbe so antreten willst, wie es vorgesehen war. Die Umstände ... nun ... vielleicht wäre es schwerer, wenn ein van Tjenn plötzlich Anspruch erhebt, als wenn die Werft einer Dunkelelfe unterstellt ist, deren Volk jetzt in Andunie das Sagen hat. Eine .. Verbindung mit Jivvin schließe ich aus."
"Mama!"
Estelle lächelte. "Wir van Tjenns waren nie für eine Zwangsheirat. Deshalb hat Gregor dich doch auch auf so viele Debütantinnenbälle mitschleifen wollen. Er wollte nie über deinen Kopf hinweg entscheiden. Nicht, wenn es um eine Heirat ging. Auch wenn eine Verbindung zu einer Dunkelelfe aktuell wohl eine gute Wahl wäre ... Madiha, du bist eine so herzensgute Seele! Lass meinen Schatz nicht los, solange er artig ist, ja?" Sie kicherte und Caleb rieb sich den Nacken. "An Kinderchen denkt ihr beiden aber noch nicht, hm?" Sie seufzte. "Naja, noch lebe ich. Es hat Zeit..."
Caleb räusperte sich verlegen. "Es ... es gibt noch genug andere Dinge zu planen. Bevor Andunie nicht sicher ist, wäre es verantwortungslos, an ... Kinder ... ich .. meine ..." Seine Mutter nickte und tätschelte im Anschluss seine Hand.
"Schon gut, mein Sohn. Du weißt, ich mag Kinder. Das ist alles. Lasst euch Zeit, ihr beiden. Sichere deine Stadt, mein Schatz. Und während du es tust, soll dieses Haus eure Sicherheit sein. Immerhin ist es dein Zuhause. Wo, wenn nicht hier, solltest du unterkommen?"
"Danke, Mama." Caleb erhob sich nun ebenfalls vom Tisch, um ihn zu umrunden und Estelle einmal in die Arme zu schließen. Sie erwiderte den Druck liebevoll. "Macht euch frisch, ihr beiden. Du weißt noch, wie man die Vorrichtung im Bad nutzt, Caleb? Kleidung könnt ihr aus unserem Schlafzimmerschrank entnehmen. Ich hoffe, dir passen meine Sachen, Madiha. Sie sind ein wenig altbacken, aber modisch genug, um sich aus dem Haus zu wagen. Ich selbst bin nicht mehr so erpicht darauf, durch die Straßen zu flanieren." Eine gewisse Traurigkeit lag in ihrer Stimme, doch ehe diese den Raum erfüllen konnte, winkte Estelle ihren Sohn und auch Madiha fort. "Geht! Bade, Caleb! Ich rieche dich über all die Köstlichkeiten am Tisch hinweg." Sie lachte. "Überlasst das mir. Ihr habt ohnehin noch Dinge zu besprechen, nehme ich an?" Sie mochte nicht mehr sehen können, aber Estelle sah doch mehr als sie alle ahnten. Sie war eine aufmerksame Person.
Caleb löste sich von ihr und hielt nun Madiha seine Hand entgegen. "Was meinst du? Möchtest du ein Bad nehmen? Es ist nicht zu vergleichen mit dem Badehaus der Akademie, aber die Vorrichtung ist in der Lage, Wasser zu erhitzen und Dank dem Pumpensystem müssen wir nichts davon bis in den ersten Stock hinauf schleppen."
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Re: Das Haus der Famlie van Tjenn

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Sonntag 1. Oktober 2023, 22:00

Tatsächlich konnte Madiha dem Zauber des Beisammenseins viel mehr abgewinnen als dem eigentlichen Essen. Nahrungsaufnahme war für sie niemals etwas großartiges gewesen. Es war notwendig, um gerade so die Kraft zu behalten aber ansonsten… Obwohl das Volk der Sarmaer dahingehend eher die geselligen Riten beim Essen pflegten, war sie niemals Teil dessen gewesen. Gemütliches Beisammensitzen mit Freunden und Familie – das war nichts, was Madiha hatte erleben dürfen. Sie war die Stumme im Hintergrund, die nachfüllte und abräumte. Und die sich nie dafür interessiert hatte, sich gedanklich einzulassen auf etwaige Sehnsüchte. Am Anfang hatte sie noch ordentlich rebelliert, hatte Fluchtversuche unternommen, war aufmüpfig und wehrte sich mit Händen und Füßen gegen alles, was man ihr auftrug. Sie wollte fort, wollte zu ihrer Mutter, wollte den Dieb finden, der sie verraten hatte. Verraten und verkauft… Madiha’s Blick glitt zu Caleb. Ob ihrer Gedanken musste sie etwas schmunzeln, denn es war dann doch alles gänzlich anders gekommen. So war es für sie ein Geschenk, jetzt am Tisch der zusammengewürfelten Familie van Tjenn Gast sei zu dürfen und zu sehen, wie es vielleicht mal früher gewesen war, als Estelle ihren Sohn ein wenig gängelte und dabei lachte. Es war Glück… Pures Glück für Caleb und Estelle. Und vielleicht auch für Jivvin, die erkannte, dass man ihr eben nicht stets nur mit denselben Vorurteilen begegnete. Das Mädchen selbst betrachtete sich noch immer mehr als Gast und Beiwerk und weniger als Teil des Ganzen. Sie war froh, dass man sie einlud und dankbar, dass man sie daran teilhaben ließ. Vielleicht würde Madiha das auch nie ganz verlieren, weil sie eben so aufgewachsen war. Aber sie lernte und war begierig darauf, noch mehr zu erkunden. Gerade das war aber etwas, das nun zu schwanken drohte. Caleb offenbarte Pläne, die sie sich noch nicht mal gedanklich gemacht hatte. Für ihn stand fest, dass er bleiben würde. Und für Madiha? Das Mädchen war überfordert damit. Nie hatte sie sich ernsthaft fragen müssen, was sie nun tun wollte. Immer war sie dem Strom gefolgt, hatte reagiert, aber weniger agiert. Was wollte sie? Eine verdammt schwere Frage, denn bisher war ihr Dasein davon geprägt, frei zu sein… Das war sie nun. Und jetzt? So stammelte sie auch mehr, als das sich wahrlich antwortete und musste einmal mehr zusehen, wie ihr die Felle fortschwammen. Um sich nun nicht damit aufzuhalten und sich auch nicht damit auseinandersetzen zu müssen, dass sie hier eine Entscheidung zu treffen hatte, fiel ihr tatsächlich wieder ein, dass sie einige lose Enden in den Händen hielt. Gerade Kjetell’o brannte ihr unter den Nägeln, weil er ihr eine Perspektive aufzeigte, die sie niemals für möglich gehalten hätte. Doch wie sie so oft bereits zeigte, dachte sie als erstes nicht an sich, sondern an… Corax. Und seinen Doppelgänger. Ihr fiel wieder ein, was sie vorhatte, und so sprudelte ihr die Frage über die Lippen, weil Jivvin in ihr Blickfeld auf neue Weise geriet. Gespannt musterte sie die Elfe und ignorierte die Blicke der anderen. "Das Adelshaus Faelyn, selbst ernannt nach ihrer Affinität zu Feen, Kobolden und deren magischen Kräften. Man kennt sie, wenngleich es in den letzten Jahrzehnten reichlich still um sie geworden ist. Die Blutlinie stirbt aus. Sie und die Dornentänzer haben etwas gemeinsam." Madiha starrte Jivvin an. Dann lachte sie leise. „Feen und Kobolde?“, hakte sie nach, als wollte die Elfe sie aufziehen. Sie suchte Bestätigung bei Caleb und Estelle, doch beide reagierten nicht darauf. Madiha runzelte die Stirn und fragte sich, ob es Feen und Kobolde tatsächlich geben sollte? Sie hatte sie mal aus einer Geschichte gehört, deren Inhalt ihr sonst nicht mehr einfallen wollte, doch näher beschäftigt hatte sie sich in Sarma nicht. Dort war der Glaube an Feen und Kobolde nun wirklich nicht sehr verbreitet. Das Schaben des Stuhls auf dem Steinboden, riss Madiha aus ihren Gedanken. Nun furchte sich ihre Stirn noch weiter. Jivvin beendete ihre Mahlzeit und ging aus dem Salon. Das Mädchen der Wüste wandte sich ihr nach und blickte fragend drein. Erst als Estelle auch ihre weiteren Fragen beantwortete, wandte sie sich wieder um, aber ihr Gesicht zeugte von ihrer Unsicherheit. Jivvin hatte nicht erklärt, was sie nun vor hatte und Madiha wusste nicht recht, ob sie die Elfe irgendwie… vergrämt hatte. Doch ihre Gedanken erhielten eine neue Richtung und Estelle lud sie beide ein, um noch länger im ehemaligen Hause van Tjenn zu verweilen. Madiha lächelte leicht, als Caleb die Hand seiner Mutter ergriff und jene noch mal bestätigte, welch Glück es für sie war, dass ihr einziger Sohn nun wieder den Weg nach Hause gefunden hatte. "Mein Schatz, du solltest abklären, ob du das Erbe so antreten willst, wie es vorgesehen war. Die Umstände ... nun ... vielleicht wäre es schwerer, wenn ein van Tjenn plötzlich Anspruch erhebt, als wenn die Werft einer Dunkelelfe unterstellt ist, deren Volk jetzt in Andunie das Sagen hat. Eine .. Verbindung mit Jivvin schließe ich aus."
"Mama!"
Madiha schluckte ihr Erschrecken herunter. Dass es immer wieder zur Sprache kam, das Caleb im Grunde jede andere Partie haben könnte, machte ihr zu schaffen. Er konnte seine Liebe gestehen, es ehrlich meinen und doch… doch erinnerte man Madiha stets daran, dass sie eben nichts beizutragen hatte. Eine Verbindung Jivvin und Caleb wäre vorteilhaft. Sehr sogar bedachte man die Umstände. Das Mädchen nippte verhalten noch mal an ihrem Getränk. "Wir van Tjenns waren nie für eine Zwangsheirat. Deshalb hat Gregor dich doch auch auf so viele Debütantinnenbälle mitschleifen wollen. Er wollte nie über deinen Kopf hinweg entscheiden. Nicht, wenn es um eine Heirat ging. Auch wenn eine Verbindung zu einer Dunkelelfe aktuell wohl eine gute Wahl wäre ... Madiha, du bist eine so herzensgute Seele! Lass meinen Schatz nicht los, solange er artig ist, ja?" Während der Anfänge des Satzes, tauchte Madiha immer tiefer ins Getränk ein und wollte sich schon darin verstecken, als sie plötzlich ihren Namen hörte. Ertappt blickte sie auf Estelle und sah das Lächeln. Es dauerte einige Sekunden, in denen Madiha zögerte, doch dann schüttelte sie den Kopf. „Das werde ich nicht, Estelle…“, versprach sie und lächelte Caleb kurz an. "An Kinderchen denkt ihr beiden aber noch nicht, hm? Naja, noch lebe ich. Es hat Zeit..." Und wieder tauchte Madiha in ihr Getränk ab. Langsam war nichts mehr darin. Die Erwartungen waren da, auch wenn Estelle sie gleich wieder relativierte. Kinder schienen der Alten wichtig zu sein… Doch auch darüber hatte Madiha nun wirklich nie nachgedacht. "Es ... es gibt noch genug andere Dinge zu planen. Bevor Andunie nicht sicher ist, wäre es verantwortungslos, an ... Kinder ... ich .. meine ..."
"Schon gut, mein Sohn. Du weißt, ich mag Kinder. Das ist alles. Lasst euch Zeit, ihr beiden. Sichere deine Stadt, mein Schatz. Und während du es tust, soll dieses Haus eure Sicherheit sein. Immerhin ist es dein Zuhause. Wo, wenn nicht hier, solltest du unterkommen?"
"Danke, Mama."


Madiha schwieg sich darüber aus und beobachtete einfach nur, wie Caleb sich von seiner Mutter zu verabschieden begann. Erst als sie sich ebenfalls erhob und ihren nun leeren Becher abstellte, weil sie anfangen wollte abzuräumen, hielt sie inne: "Überlasst das mir. Ihr habt ohnehin noch Dinge zu besprechen, nehme ich an?" „Es macht mir nichts aus zu…“-, sie stockte und erinnerte sich daran, was Jivvin sagte. Auch wenn die Dunkle nicht anwesend war, hielt sich Madiha zurück und nickte leicht. „Vielen Dank, Estelle.“, antwortete sie ehrlich und hob den Blick zu Caleb, als jener seine Hand ausstreckte. "Was meinst du? Möchtest du ein Bad nehmen? Es ist nicht zu vergleichen mit dem Badehaus der Akademie, aber die Vorrichtung ist in der Lage, Wasser zu erhitzen und Dank dem Pumpensystem müssen wir nichts davon bis in den ersten Stock hinauf schleppen." Sie ergriff seine Hand und ließ sich aus der Lücke zwischen Stuhl und Tisch bugsieren, ehe sie leicht nickte. „Ich glaube, das wäre gut, ja…“, antwortete sie und wirkte dennoch recht nachdenklich dabei. Madiha hatte sich eingestehen müssen, dass sie an einem Punkt war, da sie offenbar klar Stellung beziehen musste. Was wollte sie? Eine Frage, die in ihr widerhallte, wie das Echo von Steinwänden. Und einer gähnenden Leere als Antwort. „Danke für das schöne Frühstück…“, ließ sie Estelle noch angedeihen und folgte ihrem Dieb dann zurück durch das Haus und zum Badezuber. Nun waren sie allein und sobald die Tür ins Schloss fiel, stellte sich eine seltsame Stille seitens Madiha ein. Sie blickte auf das Bad und musterte die Vorrichtung, die äußerst praktisch war, doch recht sehen tat sie das alles nicht. Madiha war unsicher. Mehr als sonst, denn auf einmal waren da viele Themen, die sie zu besprechen hatten und sie wusste nicht, womit sie anfangen sollte. „Du möchtest also gerne hierbleiben? Bei deiner Mutter?“, fragte sie daher und das so neutral wie möglich. Es schwang weder Vorwurf noch Missbilligung mit. Sie wollte lediglich herausfinden, was Caleb für sich geplant hatte. Das Mädchen bewegte sich im Raum etwas. Sie war etwas angespannt, auch weil sie noch nicht abschließend über ihren Streit gesprochen hatten. Es trieb sie um, sodass sie nicht recht wusste, wohin mit sich. Noch bevor er aber vielleicht eine Antwort geben konnte oder vielleicht fiel sie ihm auch ins Wort, da öffnete sie sich etwas: „Es tut mir leid, dass ich dich angefahren habe, Caleb.“, sprudelte sie los und blieb endlich mal stehen, um ihn anzusehen. „Ich… ich war so erschrocken und… habe darüber hinaus vollkommen vergessen, unter welchem Druck du stehen musst. Welche… Last derzeit auf dir ruht. Es tut mir wirklich leid.“, meinte sie es ehrlich und trat auf ihn zu. Sie wollte ihn in die Arme schließen, um ihre Worte zu untermauern, hielt sich aber unschlüssig zurück. „Ich wollte dir nicht das Gefühl geben, dass du… dir keine Fehler leisten darfst.“, versuchte sie Jivvin’s Ratschlag in ihre Worte umzuwandeln. Es war wichtig, dass sie das noch mal sagte. Bevor sie über etwaige Pläne sprachen. "Mir tut der Verlust deines Vaters wahnsinnig leid...", auch das hatte sie bisher nicht sagen können. Überhaupt hatten sie nicht mehr gesprochen, seit Caleb erfahren hatte, was mit seinem Vater geschehen war.
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Re: Das Haus der Famlie van Tjenn

Beitrag von Erzähler » Dienstag 3. Oktober 2023, 14:50

Madiha wählte den Weg der höchsten Logik. Jivvin war eine Dunkelelfe aus Morgeria. Warum sollte sie also nicht ein anderes dunkelelfisches Haus kennen? Die Sarmaerin hatte Glück, denn die andere wusste tatsächlich ein wenig zu berichten. Sie behauptete sogar, dass das Haus Faelyn seinen Namen aus dem Umstand besaß, irgendetwas mit Feen und Kobolden zu schaffen zu haben. Das brachte Madiha direkt zum Glucksen. Jivvin schenkte ihr einen neutralen Blick. Es war nicht abzulesen, was sie über diese Märchengestalten dachte. Ob sie sich nun beleidigt fühlte, konnte man auch nur vermuten, jedenfalls verließ sie alsbald den Raum. Caleb hingegen warf seiner Gefährtin ein schiefes Grinsen zu. "Kobolde existieren", meinte er, als sie sich schon auf dem Weg Richtung Badezimmer begaben. "Ich weiß von einigen Geschichten der Männer, die auf den Schiffen unserer Werft gefahren sind. Sie erzählten von kleinen Männlein in knallgelb gefärbten Mänteln mit Mützen, welche in der Lage waren, das Wasser komplett abzuweisen. Außerdem besaßen sie winzige Angeln, mit denen sie ganze Walfische aus dem Wasser ziehen konnten." Er stutzte und zuckte dann mit den Schultern. "Koboldmagie, behaupteten sie. Vielleicht ist's aber wirklich nur Seemannsgarn."
Dann erreichten er und Madiha das Badezimmer. Die junge Frau hatte vorhin nur einen knappen Blick hineinwerfen können. Jetzt ergab sich die Möglichkeit, den Raum genauer zu begutachten. Die Keramikwanner, welche in der Mitte auf einem schwarzen Gitterpodest stand, besaß die Form eines Schiffsrumpfes. Die Galionsfigur dessen war eine nackte Frau, deren Haar sich schützend über ihre weiblichen Stellen legte. Ihr Unterleib formte sich zum Bootsrumpf selbst. Die nach hinten gestreckten Arme ergaben den Wannenrand und im Haar ihres zurückgelegten Kopfes, der vor Begierde den Mund leicht öffnete, fand sich eine Pumpe mit seltsamen Drehverschluss.
"Ein Wasserhahn", erklärte Caleb, der sofort ins Sendli wechselte, sobald er mit Madiha allein war. Er wusste, was ihr gefiel. "Er ist über Rohre in den Zwischenwänden des Hauses mit einem Pumpensystem verbunden, das kontinuierlich diesen Behälter dort mit Wasser füllt." Caleb zeigte auf einen eckigen, großen Kanister, der in die Wand eingelassen war. Dann drehte er den Hahn auf und sofort gluckerte es im gesamten Badezimmer. Aber es floss auch Wasser in die schön geformte Wanne hinein. "Damit es heiß wird, müssen wir unter dem Gitterpodest ein Feuer entzünden und ein wenig warten. Reich mir zwei der Scheite aus dem Eimer neben der Tür."
Gemeinsam bereiteten er und Madiha das Bad vor. Sie würden sich dabei jedoch abwechseln müssen, denn die Wanne war nur groß genug für eine Person. Caleb ließ ihr natürlich den Vortritt. Er kümmerte sich um die Beheizung und suchte anschließend frische Handtücher, einen Block duftender Seife und einige Badeöle aus den rustikal gemütlichen Schränken zusammen. Außerdem entzündete er auch noch ein kleines Räucherwerk, das den lieblichen Duft von Vanille im Raum verteilte. So erinnerte es fast ein wenig an Kjetell'o, wenngleich die Zitronennote definitiv fehlte.
Sobald das Wasser dampfte, löschte Caleb das Feuer bis zu kleiner Glut herunter, so dass man sich beim Betreten der Wanne nicht fir Füße verbrannte. Die Restwärme des Wasser reichte gewiss einige Zeit, bis man gereinigt und zugleich auch entspannt wäre. Caleb ließ sich auf einem seltsamen Keramiksitz nieder, den er Madiha als Wasser-Abort erklärte. Man konnte dort seine Notdurft verrichten und ebenfalls mit einem Pumpensystem und Hahn sein ... Erzeugnis mit Wasser hinaus in eine Jauchegrube hinter dem Haus sickern lassen. Diese führte alles weiter bis ins Meer. So hielt zumindest der noblere Teil Andunies seine Häuser und Straßen sauber. "Ich glaube, das System ist von Zwergen erfunden worden ... oder Gnomen? Goblins? Nein, das wäre albern. Dann wäre Morgeria fortschrittlicher als unsere Stadt und sie hätten keinen Grund, meine Heimat zu erobern." Damit sprach Caleb einen düsteren Kernpunkt an, der nach wie vor über ihren Köpfen schwebte. Ein Punkt, der ihn nicht nur bei seiner Mutter bleiben lassen wollte, sondern ihn auch für die Stadt kämpfen lassen, der er einst den Rücken gekehrt hatte. Madiha erinnerte es daran, dass er Pläne schmiedete, wo sie nach wie vor kaum welche besaß. Sie hatte nur lose Enden vieler kleiner Möglichkeiten, ohne zu wissen, ob sie jene ergreifen oder fallen lassen sollte. Sie wusste nur, dass sie mit Caleb darüber sprechen musste - auch um herauszufinden, ob er wirklich hierbleiben wollte.
Während sie also in den Genuss eines zweiten Bades fern ihrer Erfahrungen kam und Caleb dabei erneut errötete, seinen Blick verlegen abwandte, sich durch die Haare bis in den Nacken strich, nur um später ganz offen zu schmulen, da versuchte Madiha, seine Aufmerksamkeit auf das Gespräch zu bringen. Es gelang, denn die Thematik war alles andere als locker. Selbst dann, als sie versuchte, es eher beiläufig einzustreuen. "Du möchtest also gerne hierbleiben? Bei deiner Mutter?" Es steckte wesentlich mehr hinter dieser Frage als das. Zwischen den Zeilen erkundigte sie sich nach seinen Plänen. Er wollte Andunie sichern, die Stadt lebenswert machen - für alle. Das schaffte man nicht allein und nicht an einem Tag. Das gelang nicht, wenn man auf andere Rücksicht nahm. Was würde aus ihr und ihren nicht vorhandenen Plänen? Was würde ihre gemeinsame Zukunft bringen, wenn es sie denn überhaupt geben sollte? Hatte sie sich etwas vorgemacht? Änderte Caleb nun die Windrichtung seiner hoffnungsvollen Segel angesichts der Zustände seiner Heimat? Angesichts des Schicksals seiner Mutter und des Verlusts seines Vaters? Aber er hatte beide doch schon vor so langer Zeit verlassen, ohne die Folgen zu berücksichtigen. Nun aber hatte er das Grab Gregor van Tjenns gesehen. Er hatte das Ausmaß dunkelelfischer Folter am Leib seiner eigenen Mutter erfahren. Dinge änderten sich. Pläne änderten sich. Beziehungen...?
"Vorerst", erwiderte Caleb mit fester Stimme. "Dann müssen wir beide auch nicht in der Akademie bleiben. Wir können hier wohnen, in vertrautem Gebiet - für mich vertraut." Er bezog Madiha mit ein. Dieses Mal dachte er an sie. "Ich ... weiß allerdings nicht, für wie lange. Vieles ist noch nicht in Stein gemeißelt." Caleb rieb sich den Nacken. Er erhob sich von dem Abortsitz und trat an die Wanne heran. Dann schnappte er sich das Seifenstück, schäumte es ein wenig im Badewasser auf und begann mit hochroten Wangen, Madiha damit einzuseifen. "Du hast gehört, was ich tun will. Ich ... wäre ich in Andunie geblieben, hätte ich zusammen mit meinem Vater das Haus verteidigen können. Ich hab ... nicht nur Andunie im Stich gelassen." Er verstummte für einen Moment und man konnte sehen, wie schwer sein Herz wurde. Er gab sich eine Mitschuld am Tod seines Vaters. Er war nach Sarma geflohen und hatte somit weder die Belagerung noch dessen Ende verhindert. Dabei berücksichtigte er nicht, dass er dies als dreizehn Jahre jüngerer Mann und allein wohl kaum hätte bewerkstelligen können. Aber Caleb sah gern alles als Abenteuer und sich selbst als kleinen Helden, ganz gleich, mit welchen Methoden er seine glorreichen Taten beging. Da wurden ein Einbruch oder eine Beutelschneiderei auch gern mal romantisiert und als alles andere bezeichnet anstelle der kriminellen Handlung, die dahinter steckte. Aber ein solch heldenhaftes Herz wog schwer, wenn die Welt Schrecken geschehen ließ, ohne ihren Helden mit einzubinden.
"Ich konnte vieles nicht verhindern, aber jetzt kann ich etwas tun. Ich muss etwas tun ... das verstehst du doch, nicht wahr? Ich kann nicht einfach hier sitzen und nichts tun!" Auch wenn er selbst nicht einmal wusste, was er denn unternehmen würde. Die Zeit musste es zeigen. Das und ... Rücksicht auf die Frau, die er liebte und die er sonst hintenangestellt hatte, um Richtiges zu unternehmen. Richtiges wie sich hinter einer zickigen Adligen in den Tod zu stürzen, einem mörderischen Sklaven eine Ohrfeige zu verpassen oder seiner boshaften Herrin das Leben zu nehmen. Dieses Mal nicht. Dieses Mal dachte Caleb vorab nach. So fragte er nun seinerseits: "Was möchtest du denn tun, Madi? Fest steht, dass du ebenfalls eine Weile wirst in Andunie bleiben müssen, falls du mich unterstützen willst. Aber ... wenn ... das übrige Celcia lockt, werde ich dich nicht aufhalten. Örtliche Trennung bedeutet keine seelische Trennung. Mein Herz schlägt weiter für dich, wenn du das willst. Und notfalls ... begleite ich dich." Da war es. Trotz allen aufgekommenen Pflichtgefühls, trotz aller Schuld, die er seinem toten Vater und seiner Mutter gegenüber verspürte und trotz des Erbes, das er im Grunde besaß, aber Dank Jivvin möglicherweise würde ausschlagen können, entschied er sich dieses Mal für Madiha. Er würde seine Prinzipien erneut über Bord werfen. Es war so leicht, wenn man eine schreckliche Tat erst einmal begangen hatte, sie zu wiederholen. Er hatte getötet, wenn auch zur Verteidigung aller. Nun war er bereit, seine Prinzipien zu töten, um Madiha zu folgen, falls sie nichts in Andunie hielt. Er richtete sich nach ihren Plänen, wie auch immer jene aussehen mochten. Darüber würde sie nun mit ihm sprechen müssen. Zuvor sah sie sich jedoch in der Pflicht, sich bei Caleb zu entschuldigen.
"Es tut mir leid, dass ich dich angefahren habe, Caleb." Er winkte nur ab, wie er es immer tat. Lockere Handbewegung, ein schiefes Schmunzeln und zuckende Schultern, dass es nur halb so schlimm sei. Aber Madiha kannte ihn. Sie sah die schattenhaften Wolken, die kurz über seine Fjorde von Augen hinweg zogen. "Ich ... ich war so erschrocken und ... habe darüber hinaus vollkommen vergessen, unter welchem Druck du stehen musst. Welche ... Last derzeit auf dir ruht. Es tut mir wirklich leid."
"Lass gut sein, Madi. Ich hab mich in dem Moment selbst vergessen ... nur kurz, aber es hätte folgenschwer sein können." Er sog hörbar Luft durch die Nase ein, straffte sich ein wenig und atmete sie ebenso geräuschvoll als Seufzen durch den Mund aus. "Lass uns nicht mehr darüber sprechen." Caleb kaschierte es, überging es, weil er so am besten damit umgehen konnte. Vergeben und vergessen. Er würde vergeben, wenn er es vergessen durfte. Auf diese Weise kam es auch zu keiner Umarmung wie Madiha es sich am liebsten wünschte. Zum einen blockte Caleb mit Worten ab, zum anderen hockte sie in der Wanne. Das duftende, heiße Badewasser lenkte sie ab, so wie ihr Anblick den Dieb. Doch jetzt hielt er seinen Kopf gesenkt und wandte ihn später dem einzigen Fenster des Badezimmers zu. Es war länglich und in einem Halbbogen gehalten, umrahmt von - ebenfalls grünen - Vorhängen. Auf dem Sims standen nebst einigen Hygieneartikeln erneut viele Pflanzen. Dieses Mal hatte man sich für winzige, bunt bemalte Töpfe und vordergründig kleien Blumen entschieden. Sie schufen einen farbenfrohen Rand unter der regnerischen Aussicht auf die Stadt selbst.
Der Anblick beruhigte. Wahrscheinlich starrte Caleb deshalb eine ganze Weile darauf, schweigend. Lange genug, dass Madiha ihr Bad beenden und zu den Handtüchern greifen konnte. Frische Kleidung fehlte noch. Sie würde mit einem der großen Handtücher um ihren Leib geschlungen Richtung Schlafzimmer stapfen müssen. Die alten Sachen hatten letzte Nacht einiges mitgemacht und ... rochen nach Andunie. Sie sollte sich wirklich umziehen. Caleb ebenso, aber der musste nun auch erst einmal in die Wanne. Sobald jene frei war, zog er sich unter einigem verlegenen Zögern aus und nutzte Madihas Badewasser. Hier wurde nichts verschwendet. Er nahm das Bad ohnehin eher an, um seine Muskeln zu entspannen. Langsam sank er in die warme Feuchte hinab, bis nur noch sein Kopf oberhalb der Lippen herausschaute, als wollte er so verhindern, weiteren unangenehmen Themen und Fragen eine Antwort schuldig zu sein.
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Re: Das Haus der Famlie van Tjenn

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Mittwoch 4. Oktober 2023, 11:24

"Kobolde existieren" Madiha sah Caleb mit großen Augen an und blieb kurz stehen. “Ich weiß von einigen Geschichten der Männer, die auf den Schiffen unserer Werft gefahren sind. Sie erzählten von kleinen Männlein in knallgelb gefärbten Mänteln mit Mützen, welche in der Lage waren, das Wasser komplett abzuweisen. Außerdem besaßen sie winzige Angeln, mit denen sie ganze Walfische aus dem Wasser ziehen konnten.“ Zweifel regten sich in der Sarmaerin. Das klang für ihre sandigen Wüstenohren doch mehr als ausgedacht. Sicher- Madiha wusste nichts von der Welt und doch konnte sie ein Grinsen nicht davon abhalten zu zeigen, was sie darüber dachte. Caleb schien sich nun ebenfalls nicht so sicher zu sein. “Koboldmagie, behaupteten sie. Vielleicht ist’s aber wirklich nur Seemannsgarn.“ Wer wäre Madiha das zu beurteilen? Sie konnte die Aussagen schließlich nicht belegen oder widerlegen. Doch kurz erinnerte sie sich an die Schreckensbilder auf der Blauen Möwe, die Corax heraufbeschworen hatte. Sie schauderte auch bei den Gedanken an die Stockmännchen. „Wenn das diese Kobolde waren… will ich gar nichts genaueres darüber wissen, glaube ich..“, murmelte sie viel mehr zu sich selbst, als zu irgendwem sonst und folgte dem Dieb hinauf in den ersten Stock. Erst jetzt konnte Madiha sich die Zeit nehmen, das Bad genauer zu betrachten. Die Vorrichtung für die Wanne war äußerst ausgeklügelt. Sie konnte zwar die Zweckmäßigkeit nicht bewerten, wohl aber die hübsche Badewanne und ihre Galionsfigur. Sie betrachtete noch die hübsche Wasserfrau, ehe Caleb ihr erklärte, was es mit dem Pumpsystem auf sich hatte. Erstaunt folgte Madiha den Rohren mit den Augen, bis sie in der Erde oder hinter Mauerwerk und Kacheln verschwanden. „Da durch?“, fragte sie erstaunt. Für sie war es reine Magie, dass das Wasser durch diese Rohre fließen sollte. Caleb öffnete den Hahn und Madiha zuckte kurz unter der Geräuschkulisse zusammen. Dann trat sie an die Badewanne heran und starrte mit großem Erstaunen auf das fließende Wasser. „Das ist…. Sowas gibt es in Sarma nicht…“, murmelte sie und ihre nicht vorhandenen Muskeln erinnerten sich beim Anblick des Wassers an jeden einzelnen, geschleppten Eimer, bis die Wanne gefüllt genug war.
Sie kam Caleb’s Aufforderung nach und wandte sich nach dem Eimer mit den Holzscheiten um. "Ich glaube, das System ist von Zwergen erfunden worden ... oder Gnomen? Goblins? Nein, das wäre albern. Dann wäre Morgeria fortschrittlicher als unsere Stadt und sie hätten keinen Grund, meine Heimat zu erobern." Madiha reichte ihm die Scheite. „Wer auch immer das gebaut hat, hätte in Sarma wohl sein Lebenswerk gefunden. Ich wüsste nicht mal, wo all das Wasser herkommen sollte…“, überlegte sie und sah kurz durch das kleine Fenster. „Hier fällt es ja auch vom Himmel.“, murmelte sie, bevor sie zur Wanne zurückkehrte und fasziniert beobachtete, wie Caleb das Holz zum Brennen brachte.

Für einen Moment war sie versucht, ihre eigene Feuerkraft anzubieten, doch sie hielt sich zurück. Caleb hatte von ihr gesehen, dass sie chaotisch und unkontrolliert damit umging. Dass sie vernichtend sein könnte. Und Madiha hatte sich deshalb wirklich äußerst schlecht gefühlt, bis hin, dass sie wieder in alte, schreckliche Muster verfiel, nur um nicht verstoßen zu werden. Das waren keine rühmlichen Momente gewesen und sie wollte nichts heraufbeschwören. Allerdings flossen ihre Gedanken ein wenig weiter und sie sah Caleb dabei zu, wie er alles weitere vorbereitete. Ab und an half sie, doch mit ihren Gedanken war sie an dem kleinen Strand und bei dem Wasser, das ihre Knöchel umspülte. Sie griff instinktiv an ihren Hals und befühlte die hübsche Muschel. Es war wie ein Talisman. Es war eine Erinnerung, gebunden an das Kleinod und sie würde sie nie vergessen. Nachdem die Wanne gefüllt und das Wasser erwärmt war, überließ Caleb Madiha den Vortritt. Sie entkleidete sich völlig selbstverständlich, was einzig noch ihrem Aufwachsen geschuldet war und bemerkte gar nicht, dass Caleb sich ein wenig genierte. So stieg Madiha nackt, wie sie war in die Wanne und keuchte überrascht auf, weil das Wasser so angenehm temperiert war. Das Bad in der Wasserakademie war natürlich um Längen imposanter gewesen, aber das Mädchen aus Sarma hatte man die Bescheidenheit regelrecht eingeprügelt. Zudem konnte Madiha dem kleinen, privaten Rahmen, deutlich etwas abgewinnen. Nachdem sie sich gesetzt hatte, fand ihr Graublau den Blick zu Caleb wieder. Erst jetzt fiel ihr auf, dass er offenbar versuchte, nicht recht hinzusehen. Erstaunt blickte sie an sich hinab und erst jetzt fiel ihr auf, dass sie sich ihm erneut nackt präsentierte, und das erinnerte sie wiederum an ihre gemeinsame Nacht. Madiha wurde etwas rot und lächelte leicht. Doch dann beobachtete sie ihn, wie er es immer wieder nicht lassen konnte, doch hinzusehen. Diese Beobachtung machte etwas mit dem Mädchen. Madiha erkannte, dass es sie berührte, dass er sie gern ansah. Das dieser Umstand sie selbst anregte und eine Atmosphäre schaffte, die sie nicht kannte. Sie versuchte sich erstmalig in ihrem Leben daran, bewusst hier und dort kleine Bewegungen einzustreuen, die seine Augen auf bestimmte Bereiche locken sollten. Und wenn es funktionierte, flatterte ihr Herz und ihr Bauch kribbelte aufgeregt. Bis sie diese kleine Spielerei abbrechen musste, weil sie das noch nicht ‚beiläufig‘ schaffte und endlich das Gespräch suchte. Ein wirklich wichtiges Gespräch, denn es ging nicht um weniger als ihre -gemeinsame- Zukunft. "Vorerst.“ Madiha hob den Blick vom Wasser und musterte ihn schweigend. Sie wartete ab, denn das würde nicht alles sein. „Dann müssen wir beide auch nicht in der Akademie bleiben. Wir können hier wohnen, in vertrautem Gebiet - für mich vertraut. Ich ... weiß allerdings nicht, für wie lange. Vieles ist noch nicht in Stein gemeißelt." Sie nickte langsam und ließ ihren Blick wieder zurückgleiten, auf die sich leicht kräuselnde Wasseroberfläche. Madiha schwieg allerdings, denn seine Antworten lösten in ihr weitere Fragen aus.
Sie wurde angeregt durch seine Worte, darüber nachzudenken, was eigentlich aus ihr werden sollte. Und das war gewiss nicht leicht, wenn man seine Optionen gar nicht kannte und nicht mal wusste, was man wollte. Es war niemals wichtig gewesen und jetzt auf einmal sollte sie etwas anfangen mit ihrer Zeit, was ihr niemand diktierte. Oh, fiel Madiha das schwer.
Eine Bewegung lenkte sie dankenswerterweise ab und sie sah, wie Caleb die Seife eintauchte und sich der Seifenfilm auf dem Badewasser verteilte. Ihr Blick folgte Caleb in seinen Bewegungen weiter und er begann dann ihren Arm zu nehmen und sanft über ihre Haut zu streichen. Madiha lächelte warm und verlegen. "Du hast gehört, was ich tun will. Ich ... wäre ich in Andunie geblieben, hätte ich zusammen mit meinem Vater das Haus verteidigen können. Ich hab ... nicht nur Andunie im Stich gelassen." Sie hob den Blick von der Seife in sein Gesicht. Ihre freie Hand legte sie auf seine und spritzte durch die Bewegung etwas Wasser auf seinen Ärmel. „Caleb… Gib dir nicht die Schuld an den Entscheidungen, die du in einer anderen Zeit getroffen hast.“, murmelte sie und spielte darauf an, dass er unter völlig anderen Umständen gegangen war. „Du hättest nicht ahnen können, dass das alles passiert… Hättest du es gewusst, wärst du niemals gegangen. Das glaube ich ganz fest. Dann sähe dein Leben vollkommen anders aus und dennoch… einen Blick in die Zukunft erhält wohl niemand. Wir können nicht wissen, was um der nächsten Ecke lauf uns wartet…“, versuchte sie sein schlechtes Gewissen etwas zu mildern. "Ich konnte vieles nicht verhindern, aber jetzt kann ich etwas tun. Ich muss etwas tun ... das verstehst du doch, nicht wahr? Ich kann nicht einfach hier sitzen und nichts tun!" Sie nahm ihre Hand von seiner und beobachtete ihn weiterhin. Es war ein solch privater Moment, das Madiha das sehr zu schätzen wusste. Sie waren endlich allein und wirklich ehrlich zueinander. Das Band, welches sie zu Caleb hegte, wurde nur noch dicker.

„Ich verstehe das, Caleb.“, sagte sie schlicht und doch vollkommen ernst. Ihr war klar, dass er hier nicht anders als so handeln konnte. Dass er auch nicht einer Ablenkung nachkommen konnte, wenn es um solch essentielle Dinge ging, wie die Sicherheit seiner Mutter oder seines Zuhauses. Madiha nahm es ihm nicht übel, auch wenn sie glaubte, dass er dies wieder ohne sie tun würde. Dass er sie erneut zurückließ, um richtiges zu tun – aber eben nicht auf sie eingehen konnte. Den Stich verbarg die junge Frau gekonnt und strich sich mit der nassen Hand über die dunklen Haare. Sie musste sich dennoch zusammenreißen, denn es tat trotzdem weh, dass er sie stets zurücklassen wollte – trotz allem, was sie verband. "Was möchtest du denn tun, Madi? Fest steht, dass du ebenfalls eine Weile wirst in Andunie bleiben müssen, falls du mich unterstützen willst. Aber ... wenn ... das übrige Celcia lockt, werde ich dich nicht aufhalten. Örtliche Trennung bedeutet keine seelische Trennung. Mein Herz schlägt weiter für dich, wenn du das willst. Und notfalls ... begleite ich dich." Sie horchte überrascht auf. In ihrem Gesicht spiegelte sich der Eindruck, sich verhört zu haben. „Ich…?“, japste sie schon fast, weil sie gar nicht damit gerechnet hatte, dass er überhaupt eine Überlegung in ihre Richtung anstellte. Nicht aus Boshaftigkeit, aber weil er nun mal war, wie er war. Und sie ihn dafür liebte und es eben reichlich schnell akzeptierte, dass er seinen Weg ohne sie ging und sie die Wahl hatte zu folgen oder eben nicht. Dass Caleb nun aber direkt nach ihrem Wunsch fragte und sogar bereit wäre, all seine Wünsche über Bord zu werfen… für … sie. Madiha’s Augen schwammen kurz und ein Schimmer von purem Glück hätte wohl Corax‘ buntem Gefieder Konkurrenz machen können. Madiha’s Herz wurde leicht. Es wurde angehoben und in ihrem Seelenhäuschen die Gardinen zurückgezogen, um die schöne Morgensonne hereinzulassen. Frischer Wind fegte durch ihre Seele und hinterließ die Leichtigkeit eines lauen Tags des Erwachens. Sie holte zitternd Luft und wirkte gerührt.
Bevor sie allerdings antworten konnte, musste sie sich entschuldigen. Ihr Ausbruch und Jivvin’s Einschreiten hatten ihr klargemacht, dass sie nicht Caleb dafür nutzen konnte, um immer auf Nummer sicher zu gehen. Es waren Veränderungen im Gange, die Madiha brauchte und die sie weiterführten auf ihrem neuen Weg. Caleb winkte ab und Madiha kannte ihn lang genug, um zu wissen, dass er das mit sich ausmachte. Allerdings ließ sie sich nicht nehmen, ihm wenigstens eine Hand aufzulegen und sanft zuzudrücken. Seinen Blick in Richtung Fenster verfolgte sie einen Moment. Erst dann beendete sie ihr Bad, entstieg der Wanne und schlang eines der Handtücher um sich. Es war groß genug, um sie beinahe gänzlich darin verschwinden zu lassen, doch half es ihr jetzt auch, um nicht auszukühlen. Madiha knotete das Handtuch fest, damit sie es nicht ständig halten musste und trat an Caleb heran. Vorsichtig legte sie ihm eine Hand auf die Schulter, um ihn sanft aus seinen Gedanken zu wecken. Bevor er sich entkleiden konnte, hielt sie ihn noch mal auf und schaute zu ihm hoch: „Ich bin für dich da, Caleb… Immer.“, sagte sie mit allem Ernst und all der Wahrheit, die sie in sich finden konnte.

Erst dann überließ sie es ihm, sich ebenfalls ins Badewasser zu legen. Man sah ihm an, dass er verlegen wirkte, während er sich entkleidete. Doch Madiha gab ihm den Raum und die Sicherheit, indem sie sich ein wenig abwandte. Allerdings konnte sie es nicht lassen, einen Blick auf ihn zu werfen, als er in die Wanne stieg und kurz nicht in ihre Richtung sah. Dann lächelte sie verklärt, ließ ihre Augen seine Rückseite abtasten und sich erinnern an die Nacht, die für sie beide die erste dieser Art gewesen war. Mit ein wenig Röte auf den Wangen, übernahm Madiha nun den Sitz auf dem Keramikschemel und sah ihm dabei zu, wie er sich in der Wanne zu entspannen versuchte. Dabei tauchte er so tief ab, dass er Wasser schlucken würde, wenn er etwas sagte, sodass sie nun ihre Zeit gekommen sah, endlich zu antworten: „Du hast gefragt… was ich möchte.“, leitete sie das Gespräch ein und man sah ihre leichte Souveränität wieder bröckeln. Sie konnte den Blick nicht auf ihm belassen, sodass er unstet im Raum umherwanderte. „Die Wahrheit ist, dass ich nicht weiß, was ich möchte.“, murmelte sie. „Nie war das relevant, verstehst du? Ich… rückblickend war es wohl nicht gerade förderlich, immer nur Erwartungen von anderen zu erfüllen… Was will ich also?“, stellte sie erneut die Frage, was allein schon Hinweis genug geben könnte, dass sie keine Ahnung hatte. Eine Erinnerung lebte auf und zeigte sich in ihrem Gesicht. Sie versuchte einen anderen Ansatz und blickte nun wieder den Dieb an: „Der Unterricht bei Kjetell’o war… überraschend“, begann sie endlich mal davon zu erzählen. Sie hätte es viel früher tun wollen, voller Euphorie, weil es etwas gab, was sie konnte. Dann kam alles anders und doch, dieselbe Euphorie lebte erneut in ihr auf, als sie die Erinnerungen abrief. Ihre Augen leuchteten eine Spur wärmer. „Ich hatte große Angst vor dem, was passieren würde nach… naja nach allem. Du weißt schon. Er aber hatte gar keine Angst vor mir, sondern gab mir… Sicherheit, dass ich in der Lage wäre, diese Magie unter Kontrolle zu bringen. Vielleicht sogar zu blockieren. Was ich ursprünglich wollte, wenn ich ehrlich bin.“, sprach sie weiter. Dabei beobachtete sie Caleb, was er vielleicht dazu meinte und was er darüber dachte. Ihr fiel es sichtlich schwer, über sich und ihre Belange zu reden. „Kjetell’o bat mich, das Kaminfeuer zu entzünden.“, nun lächelte sie etwas verlegen, „Und ich suchte nach Zunderzeug, bis ich begriff, dass er natürlich wollte, dass ich meine Magie verwende…“, eine Röte wanderte ihre Wangen hinauf. „Ich hatte Angst. Angst, was passieren würde und dann…“, nun wurden ihre Augen glasig, weil sie noch einmal vor dem Kamin stand und dieses Gefühl erlebte. „Dann spürte ich, wie das Feuer in mir sich veränderte. Es war keine verheerende Kraft, die alles vernichten wollte, es war… wie ein Freund… es wollte, dass ich es benutze und ich… ich entzündete einfach so einen Kamin…“, erzählte sie und hob ihre Hand. Sie beschwor eine kleine Flamme in ihrer Handfläche und formte sie inzwischen schon mühelos zu einer Kugel, einem Kegel, einem Quader.

„Kjetell’o sagte, ich hätte großes Potenzial und wäre ein Naturtalent – ja, so hat er es bezeichnet. Er schien überrascht über meine Fähigkeiten zu sein und sagte, er könnte mir zeigen, wie ich sie so einsetze, dass ich nie wieder Angst haben müsste, dass ich jemandem Schaden zufüge.“, sie blickte auf ihre magische Flamme. Dann ließ sie sie über ihren Arm tanzen und zeigte Caleb damit, dass sie inzwischen eine andere Sicht auf diese Magie hatte. Sie wirkte … ausgeglichen dabei, vollständig. „Ich wollte meine Magie blockieren, aus Angst… aber jetzt? Ich will lernen, Caleb. Ich will alles lernen und sehen, wozu ich in der Lage bin. Ich möchte mehr wissen.“, lächelte sie aufgeregt und voller Tatendrang. „Und Kjetell’o will mich unterrichten…“, ihre Flamme erlosch und sie wurde etwas ernster. „Aber er stellt natürlich eine Bedingung...“, kam sie endlich zum Kern des Ganzen. „Er würde mich – und auch Azura, die aber irgendwie nicht wollte – unterrichten. Aber er sagte, er müsse irgendwann einen Gefallen von uns fordern, den wir dann ohne Fragen zu stellen, ausführen müssen.“, sie schluckte und man sah, dass sie damit haderte. „Caleb, er will nicht sagen, was es ist und… ich weiß nicht, ob… ich habe Angst, dass ich wieder einen Herrn haben werde, dem ich Dinge erfüllen muss. Ich kenne ihn nicht und so nett er wirkt… so gern ich die Magie lernen und als Teil von mir akzeptieren möchte… weiß ich nicht, ob ich nicht einen Pakt schließe, der mich… der uns…“, sie stammelte und seufzte dann. Madiha wusste nicht, wie sie ihre Neugierde, die Magie zu entdecken, ihre Hoffnung, etwas zu können und gut in etwas zu sein und ihre Angst vor erneuter Knechtschaft unter einen Hut bringen sollte. „Was soll ich tun?“, fragte sie dann und sah ihren Dieb hilfesuchend an. Es wurde deutlich, dass sie lernen wollte. Was wiederum bedeutete, dass sie mit Caleb in Andunie bliebe und ihn natürlich unterstützte.
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Re: Das Haus der Famlie van Tjenn

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 4. Oktober 2023, 18:14

Madihas Begeisterung für das andunische Rohrsystem ließ sich nicht verbergen. Sie schwärmte richtig dafür und glaubte, es wäre eine perfekte Erfindung, die man in Sarma umsetzen sollte. Caleb schmunzelte sanft. Er liebte Madihas Sicht auf die Welt, diese ein wenig fremde und dadurch naiv verträumte Sicht, in der noch alles möglich war. Gerade jetzt half sie ihm über all die Schwere hinweg, die sein Herz belastete. Er ließ sich einen Moment lang ablenken. "Auch in Sarma müsste man erst einmal das Wasser haben. Die Rohre würden sich in der Wüstenstadt nur mit Sand verstopfen und nichts zu den Wannen der reichen Sultane befördern. Außer man nähme Meerwasser, aber das ist selbst hier in Andunie nicht ohne Weiteres möglich. Es ist zu salzig, um darin zu baden." Das konnte Madiha nur bestätigen. Als man Caleb und Azura aus dem Meer gefischt hatte, waren sie vielleicht von anderen Verschmutzungen rein gewesen, trotzdem hatten sie und Corax die toten Körper waschen müssen. Das Salz hatte sich wie ein Film auf die kalte Haut gelegt.
Caleb zuckte mit den Schultern. "Wie genau es funktioniert, weiß ich allerdings nicht. Das machen sicherlich auch die Magier der Wasserakademie. Die kennen sich mit dem Element bestens aus!" Caleb beherrschte es nur, das Wasser mit genug Seife schön schaumig zu machen und dann Madiha Pflege zukommen zu lassen, die sie sonst immer Khasib hatte spendieren müssen. Wie wohltuend es doch war, wenn fremde Hände sich um den Körper kümmerten. Caleb ging sehr sorgsam vor und auch sanft. Es stand im großen Widerspruch zu seinen Worten, mit denen er sich mehr und mehr Schuld auflud, weil er die Heimat und seinen eigenen Vater im Stich gelassen hatte - vor über dreizehn Jahren!
"Du hättest nicht ahnen können, dass das alles passiert ... Hättest du es gewusst, wärst du niemals gegangen. Das glaube ich ganz fest. Dann sähe dein Leben volkommen anders aus..." Und wie! Wäre er niemals von Zuhause fort, hätte sein Vater ihn früher oder später zu einem der Tanzbälle begleitet und dann wäre er mit Sicherheit Azura begegnet. Viel jünger im Gegensatz zu ihm ja noch ein Kind, hätte man dennoch eine Ehe arrangiert, auch wenn Calebs Mutter anderes sprach. Die Vorteile wären zu groß gewesen, immerhin hatte Gregor die Tochter der van Ikaris schon im Blick, obwohl ihr Körper alles andere als bereit für Ehe und Familie gewesen wäre. Caleb hatte Azura geheiratet und gemeinsam hätten sie sowohl eine Werft besessen als auch ein Leben im Adel gelebt. Lange genug, bis er hätte Andunie vor der Eroberung verteidigen müssen. Sein Leben wäre vielleicht kürzer gewesen und niemals so frei wie er es brauchte. "Einen Blick in die Zukunft erhält wohl niemand", sinnierte Madiha. "Wir können nicht wissen, was um der nächsten Ecke auf uns wartet..."
"Er ... ist tot ...", keuchte Caleb. Seine Schultern bebten, als die Trauer ihn überfiel, vereinnahmte und zum Schluchzen zwang. "Er ist einfach gestorben!" Caleb ließ die Seife ins Badewasser sinken, den Kopf auf seine Arme am Beckenrand. Er weinte kläglich. Dieser große, drahtige und doch kräftige Mann in der Blüte seiner Jahres weinte hemmungslos. Der Junge, der deinen Vater verloren hatte, bevor beide sich wieder versöhnen konnte, weinte. Es brach alles aus ihm heraus und es dauerte seine Zeit, in der das Gespräch zwischen ihm und Madiha unterbrochen war. Und nachdem er sich wieder halbwegs im Griff hatte, wandte Caleb sich dem Fenster zu. Er schämte sich für seine Trauer, hielt sie nach wie vor für Heuchelei irgendwo und würde die Schuld nicht so schwer ablegen können. Umso wichtiger war es, dass er es eben nicht allein mit sich ausmachen musste. Jedes Herz, das allein zu kämpfen hatte, baute Mauern gegen jegliche Eindringlinge. Calebs Herz durfte nicht hinter einer Festung verschlossen werden, bis niemand mehr zu ihm durchdrang. Erst Recht nicht jetzt, da er einen Entwicklungsprozess durchmachte. Er bemühte sich, das konnte Madiha sehen ... und endlich auch hören. Er grübelte nicht nur über seine eigenen Pläne. Er dachte auch endlich einmal an sie, stellte sie nicht hinten an, im Gegenteil. Er war sogar bereit, seine eigenen Vorhaben zu vernachlässigen, um ihr zu folgen, selbst wenn es nur in ein Abteneuer in der Ferne gehen sollte. Madiha aber hatte das gar nicht vor. Ihr Weg ließe sich gut mit dem seinen vereinbaren, vorausgesetzt sie entschied sich für einen Unterricht bei Kjetell'o. Das setzte jedoch voraus, dass sie sich in seine Hände begab und seine Bedingungen akzeptierte. Das fürchtete sie. Sie mochte den Elfen. Er war sanft, ruhig und geduldig. Letztenldich kannte sie ihn aber nicht und hatte Bedenken, es könnte in einer Katastrophe enden. Jetzt war sie es, die Hilfe brauchte. Caleb konnte ihr diese Hilfe vielleicht bieten. Er müsste nicht die Welt dazu retten, sondern ihr nur seine Gedanken zu dem Thema mitteilen. Endlich sprach sie mit ihm darüber.
Er hörte auch still zu, während er etwas Frieden im Badewasser fand, das Madihas Duft mit angenommen hatte. Seine Augen richteten sich auf die Sarmaerin, die nicht nur von ihrem Unterricht bei dem Elfen erzählte, sondern auch ihre Lernresultate präsentierte. Beeindruckt verfolgte Caleb die Flamme mit den Augen, welche sich einen Weg an Madihas Arm empor bahnte, ohne auch nur ein Härchen zu verbrennen. Nur das Handtuch um ihren Leib wärmte sie etwas und sengte einige vorstehende Stoff-Fäden an. Sie musste noch lernen. Kjetell'o konnte seine Kräfte wirken, ohne dass ihm dabei die Kleidung vom Leib brannte. Das wäre wohl der nächste Schritt, falls Madiha seine Schülerin würde.
"Aber er stellt natürlich eine Bedingung..."
"Natürlich...", brummte auch Caleb. Sein Gemüt hatte Ruhe gefunden und er richtete sich aus dem Wasser etwas auf. Genug entspannt, jetzt wusch er sich auch. Seine Aufmerksamkeit blieb jedoch an Madiha kleben. Er war interessiert daran, welche Bedingung Kjetell'o seiner Gefährtin hatte stellen können. Überrascht hob er die Brauen, als sie erklärte, dass er ein Geheimnis daraus machte. Dann jedoch senkten sich die Brauen wieder und Caleb lehnte sich in der Wanne erneut zurück. Das Wasser verlor langsam seine Wärme. Der Dampf stellte sich ein. Es interessierte ihn nicht. Er lauschte Madiha, wirkte nun aber längst nicht so aufgewühlt wie sie.
Als sie fragte, wie sie mit der Situation verfahren sollte, imitierte Caleb den Shyáner Elfen sogar recht gut. Er blieb nämlich ziemlich ruhig und gelassen. Das bedeutete nicht, dass seine Antwort an Ernst verlor. Er machte sich lediglich weniger Sorgen als Madiha. "Vertrau ihm", sagte er sogar ohne Umschweife. Dann gab er eine Erklärung ab, warum zumindest er so schnell bereit dazu war. "Als bei Serpentis Mortis alles auf dem Spiel stand, kam er zu mir und hat mir den Einhorndolch gegeben. Er nannte keine Gründe, sondern teilte mir nur mit, dass ich mit dieser Klinge schon wüsste, was zu tun sei. Ich habe ihm vertraut und ... es hat dich, Azura und Corax gerettet, zu einem schwindend kleinen Preis." Seine Augen wanderten hinüber zu seinem Stapel an Kleidung. Der Dolch lag obenauf. Er trug ihn immer noch mit sich. Tatsächlich hatte er sich keinen Tag von der Klinge getrennt, seit sie zu einem Mordinstrument in seinen Händen geworden war. Der silberne Einhornkopf des Knaufs funkelte im Kerzenlicht. Die Klinge selbst besaß inzwischen eine schwarze Lederscheide und blieb den Blicken verborgen. "Falls dir mein Wort nicht genügt - ich würde ihm trauen - dann unterhalte dich mit anderen, denen du traust. Corax kann ihn sicherlich noch besser einschätzen. Er hat mehr Zeit im Zwiegespräch mit dem Elfen verbracht. Keine Ahnung, was die beiden da miteinander besprachen, aber ist er nicht bereits dessen Schüler? Frag ihn!" Caleb schlug Azura gar nicht erst vor. Sie schien dem Elfen zwar auch immer mal wieder näher gekommen zu sein, ihr Interesse richtete sich allerdings wohl in eine andere Richtung. Wirklich unterhalten hatte sie sich mit Kjetell'o bisher auch nicht. So schied sie laut Calebs Meinung als Ratgeberin aus.
Doch bis Madiha mit Corax würde sprechen können, sollte noch Zeit vergehen. Er war nicht zugegen. Er wusste ja nicht einmal, wo sie sich mit Caleb herumtrieb. Wahrscheinlich wähnte er beide immer noch auf dem Schiff und bei ... körperlichen Aktivitäten. Körperlich ging es trotz allem zu, denn auch der Dieb musste früher oder später aus dem Badewasser heraus. Sobald er abgetrocknet und ebenfalls mit einem Handtuch umwickelt war, nahm er Madiha mit sich zurück in ihr gemeinsames Schlafzimmer. Sein Blick wanderte zum Bett, dann verstohlen zu seiner Begleiterin. Für ein Stelldichein war nun wohl nicht die Zeit. Das hätten sie auch vor dem Bad machen müssen, um nun nicht erneut nassgeschwitzt zu sein. Er würde es wohl auch ein anderes Mal verschieben müssen. Dass er die Aktivität wiederholen wollte, daran bestand allerdings kein Zweifel.
Während er und sie sich neue Kleidung aus dem Schrank der Eltern heraus suchten, flogen Calebs Augen nämlich immer wieder über Madihas Statur. Gelegentlich strich er an ihrer Haut entlang und bevor sie ein passendes Kleidungsstück gefunden hatte, stahl er sich mehrere Küsse von ihr.
Schließlich aber stand der einstige Wüstendieb in andunischer Kluft im Raum. Wie Estelle angekündigt hatte, wirkte die Kleidung ein wenig altbacken, etwas ... sehr schlicht. Die Farben waren dezent gehalten und machten Caleb allein durch ihre leichte Blässe etwas älter. Das musste nichts Schlechtes sein! Würde er jemals seine Haare bändigen können, sähe er auch in den Sachen seines Vaters reifer aus. Er trug eine schwarze Hose, die ihm nur bis knapp unter die Knie reichte. Den Rest verbargen weiße Seidenstrümpfe und schwarze Stiefel. In der Hose selbst steckte ein Seidenhemd. Die Knopfleiste vorn wurde jedoch von einer ebenfalls schwarzen Weste verborgen und einziger Farbklecks in dem Ensemble bildete das rote Seidenhalstuch. Darüber trug Caleb eine von diesen andunischen Kaufmannsmäntel, die an Seefahrer und Adel zugleich erinnerten. Er war dunkelblau mit schwarzem Saum und goldenen Knöpfen. Somit sah er fast wie ein nobler Kapitän aus. Es fehlte nur noch ein paaender Hut. Auf jenen verzichtete der Dieb jedoch, kämmte mühselig sein Haar und band es dann im Nacken zu einem lockeren Zopf zusammen. Mit dem nicht rasierten Stoppelbart behielt er auf diese Weise etwas Verwegenes.
Sobald er fertig war, nutzte er die Gelegenheit, Madiha zu mustern. Er lächelte. "Ich erinnere mich, dass meine Mutter diese Sachen selten getragen hat. Sie fand sie zu schön und wartete stets auf einen besonderen Anlass. Letztenldich hat sie sie meistens nur zu meinem Geburtstag angezogen. Sie stehen dir."

Als beide sich wieder ins Erdgeschoss begaben, um erneut zu Estelle zu stoßen, wurden sie überrascht. Denn kaum dass Caleb seinen Fuß auf die unterste Treppenstufe setzte, schob sich die große, doppelflügelige Haustür auf und zwei Gestalten betraten das Gebäude. "Wir sind da, Herr." Jivvins Stimme klang noch kälter, wenn sie Lerium sprach. Die dunkelelfische Muttersprache machte jede Silbe gleich skrupelloser und mordbereiter. Sie hatte sich vorhin umgezogen, trug nun keine rosa Puschen mehr, wohl aber noch ihr seidenes, blauschwarzes Kleid. Darüber aber hatte sie ihren Schwertgurt angelegt, so dass beide Katanas überkreuzt hinter ihrem Rücken hervorragten. Am Gürtel selbst trug sie noch einen Dolch vorne rechts und das Haar hatte sie sich mit zwei blitzenden, dicken Silbernadeln hochgesteckt. Alles in allem machte sie den Eindruck einer exotischen Mischung aus Adliger und Kriegerin. Mit einer passenden Aura aus unnahbarer Selbstsicherheit trat sie auf. Daneben wirkte ihre Begleitung beinahe freundlich, wenngleich ihr Anblick zumindest Caleb zusammenzucken ließ.
"Corax?", lachte er und der Angesprochene stutzte. Dann neigte er fragend den dunklen Kopf, dass sein nebelkrähenhaftes Haar, welches auch er zu einem kurzen Zopf trug, ein wenig zur Seite kippte. Zwei Strähnen lösten sich und fielen ihm in die Stirn, wippten dabei knapp über seinen rubinroten Augen. Er lächelte beiden Menschen zu, Madiha mit Erkennen.
"Oh, wir trafen uns zufällig in den Straßen. Ich wusste nicht, dass sie eine Eurer Sklavinnen ist, werte Dornentänzerin. Andernfalls hätte ich sie nach Hause begleiten können."
Jivvins Augen huschten von Corax' Abbild hinüber zu Madiha und Caleb. Sie schwieg und überließ es den beiden, sich selbst zu äußern. Stattdessen wandte sie sich der Tür zu, um jene zu schließen. Nicht alle Ohren mussten etwas mitbekommen. Außerdem stellte sie den Doppelgänger vor: "Sein Name ist Emmyth, einziger Erbe aus dem Hause Faelyn."
"Außerdem anerkannter Alchemist und Forscher", fügte Emmyth mit einem Glucksen an, winkte dann aber ab. "Ihr stellt mit Sklaven vor, Verehrteste? Wie kommt es dazu? Ich schwöre, ich habe Eurem Eigentum kein Haar gekrümmt!" Abwehrend hob er beide Hände, lachte dann aber herzlich im Scherz. Oh, er mochte wie Corax aussehen, sogar mit einer ähnlichen Klangfarbe sprechen, aber er war keineswegs der von Leid und Schicksal geplagte Rabe!
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Re: Das Haus der Famlie van Tjenn

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Mittwoch 4. Oktober 2023, 20:43

"Er ... ist tot ... Er ist einfach gestorben!" Madiha blickte auf den weinenden Mann zu ihrer Seite und zog die Augenbrauen nach oben. Ihr Herz wurde schwer bei dem Anblick und doch konnte sie nicht nachempfinden, wie es sich für Caleb anfühlen mochte. Wobei das stimmte nicht ganz. Als er Azura in den Tod nachgesprungen war, war alles aus ihr gewichen. Alles hatte sich verflüchtigt und sie spürte nur noch Schmerz. Verlust. Angst. Ob es vergleichbar war? Nun, sie würde es nicht erfragen. So neugierig die Sarmaerin auch war, sie besaß auch ein gutes Gespür für Momente. Bei all dem Schlechten, das ihr widerfahren war, hatte sie doch eine reine Seele, die mit jedem Tag stärker werden sollte. So legte Madiha nur ihre Hand auf seinen Schopf und strich beruhigend darüber. Sie war für ihn da. In ihrer Nähe durfte er weinen, durfte er… Schwäche zeigen. Sie wollte es ihm zeigen. Es war gut, es war richtig. Sie würde ihren Fehler nicht mehr wiederholen, sondern das Gesagte seitens der Dunkelelfe für sich abspeichern. Madiha wusste nun, dass sich ihre Sicht auf Caleb verändert hatte. Der Vorfall hatte ihren Schleier von den Augen angehoben und ihr einen neuen Blick gewährt. Und jenen wollte sie weiter nutzen. Denn das Mädchen aus Sarma wollte nicht länger nur den sicheren Anker sehen. Den schützenden Hafen. Sie wollte erreichen, dass auch Caleb das in ihr sah. Er sollte nicht fürchten, sie könnte zerbrechen, wenn er sie belastete. Nicht mehr. Madiha war frei von Ketten und würde es immer sein. Aber die Bindung zum Dieb war nichts, was sich mit einer Kette vergleichen ließ. Auch er hatte ihr versichert, dass er die Liebe zu ihr nicht so sah. Auch er wollte diese Verbindung und sie war belastbar. Das zeigte sich genau an diesem Moment. Madiha konnte für Caleb da sein, weil er einfach so sein durfte, wie er war und fühlte. Er brauchte nicht ständig den lockeren Spruch und das kesse Grinsen auf den Lippen. Sie ließ ihn weinen und gab ihm die Zeit, die er brauchte. Dabei war sie einfach nur da, strich über seinen Kopf und wartete stumm, bis er so weit war. Madiha durfte dabei erkennen, dass sich auch für den Andunier etwas grundlegend änderte.
Er sprach zwar von Plänen, die nicht näher konkretisiert werden konnten, aber er sprach vor allem davon, dass er sie mit einbezog. Ja mehr noch! Er wollte sogar alles hintenanstellen, wenn sie etwas gänzlich anderes vorhatte. Madiha hätte in dem Augenblick wohl ebenso wie Corax in sämtlichen Farben schillern können. Ihr warmer Blick und das zarte Lächeln mussten dem geneigten Beobachter genügen. Trotzdem schlug seine Frage auch Wellen in ihr auf. Woher sollte sie bloß wissen, was sie wollte? Madiha aber, die inzwischen das Bad mit Caleb getauscht hatte, versuchte einen anderen Ansatz und während sie in ihrer Erinnerung an die erste Stunde bei Kjetell’o schwelgte, wusste sie plötzlich was sie wollte… Und das sprach sie auch zum ersten Mal aus. Sie wollte lernen, wollte Wissen mehren und wollte vorankommen in etwas, das sie endlich einmal gut konnte: Feuermagie. Madiha wollte jene weiter ausbauen und nicht nur Angst davor haben. Sie wollte das Feuer für sich und andere zum Schutz nutzen. Eine Kampfmagierin, wie Ilmy Wollweber einst sagte, würde sie gewiss nicht sein wollen. Aber… Madiha hatte bereits jetzt entdeckt, dass das Feuer so viel mehr sein konnte. Das Mädchen hätte mit Hass auf die Welt im Herzen weitermachen können. Grund genug hatte sie gewiss. Doch… in ihr ruhte eine liebe Seele, die einfach nur ihren Platz im Leben haben wollte. Und während sie sprach und das Feuer sichtbar werden ließ, das in ihr nun bedeutend ruhiger floss, da wusste sie, dass dies ein Weg wäre, den sie gern beschreiten wollte. Doch dafür brauchte sie Hilfe, denn ihre Unsicherheit war noch immer nicht ausgemerzt. Sie machte kleine Schritte und Caleb war definitiv jemand, dem sie vorbehaltlos vertraute. So ließ sie das Feuer erlöschen, bevor es das Handtuch versengte und musterte den Badenden. Wusste er einen Rat? Caleb wirkte entspannter und vielleicht hatte das hemmungslose Schluchzen auch die Anspannung fortgespült.

"Vertrau ihm", war die simple, aber bedeutende Antwort seitens Caleb. Madiha war es nun, die überrascht aufblickte und den Kopf leicht neigte. „Ich soll ihm… ? Einfach so...?“, wollte sie sich vergewissern, ob sie sich nicht verhört hatte. "Als bei Serpentis Mortis alles auf dem Spiel stand, kam er zu mir und hat mir den Einhorndolch gegeben. Er nannte keine Gründe, sondern teilte mir nur mit, dass ich mit dieser Klinge schon wüsste, was zu tun sei. Ich habe ihm vertraut und ... es hat dich, Azura und Corax gerettet, zu einem schwindend kleinen Preis." Madiha runzelte die Stirn. Sie war sich nicht sicher, ob sie das ebenso interpretieren wollte. Es hätte auch schiefgehen können. Caleb hätte sich geopfert, wenn Serpentis ihn vorher bemerkt hätte. Irgendwie wollte sich nicht recht das Verstehen bei Madiha einstellen. Ihr Blick glitt ebenfalls zum Dolch auf seinen Sachen. Woher war Caleb nur so sicher, dass Kjetell’o das einkalkuliert hatte? Er hätte auch einfach das Risiko eingehen können… Er kannte ja keinen von ihnen und hatte keinen Grund für ihre Sicherheit zu sorgen. Caleb musste erkennen, dass sie zögerte. "Falls dir mein Wort nicht genügt - ich würde ihm trauen - dann unterhalte dich mit anderen, denen du traust. Corax kann ihn sicherlich noch besser einschätzen. Er hat mehr Zeit im Zwiegespräch mit dem Elfen verbracht. Keine Ahnung, was die beiden da miteinander besprachen, aber ist er nicht bereits dessen Schüler? Frag ihn!" Madiha wandte den Blick wieder zurück und blinzelte in seine Richtung. Dann aber richtete sie sich mit entschlossener Miene auf. Sie schüttelte den Kopf, bevor sie sich gerade machte und einen Ausdruck bekam, der offenkundig eine Entscheidung getroffen hatte. „Ich werde es machen…“, meinte sie und als es heraus war, da brach die feste Miene auf und auf einmal öffnete sich ihre Mimik für ein Lächeln. Sie freute sich. Jetzt, da sie die Entscheidung laut ausgesprochen hatte, fühlte sie Glück in ihrem Innern. „Ich tus!“, rief sie noch mal aus. „Und wenn er versucht mich in Ketten zu zwingen…“, sie ließ es offen, doch Madiha war nicht mehr gewillt zurückzukehren. Auch sie verwandelte sich und wurde stärker. Sie folgte Caleb mit einem leichten Glühen auf den Wangen. Es war die Vorfreude, dass sie sich für den Weg entschieden hatte und Caleb offenbar einverstanden war. Es war das gute Gefühl eines Plans. Sie würden in Andunie für eine Weile bleiben und sie würden einander zur Seite stehen. Sie würden im Haus von Jivvin und Estelle wohnen und leben… als wären sie ein Ehepaar. Er würde seiner ‚Arbeit‘ nachgehen und Madiha fleißig lernen. Feuermagie in der Wasserakademie! Madiha hatte, während sie sich einkleideten das Gefühl von Euphorie gespeist zu werden. Möglichkeiten taten sich auf. Und sie würde die beste Schülerin sein, die Kjetell’o jemals gehabt hatte! Sie würde folgsam, gehorsam und gelehrig sein. Und sie würde ihn stolz machen, das schwor sie sich.

Doch bevor sie auch noch vor Freude losstürmte, um den Feuermagier aufzusuchen, da lenkte Caleb sie ab. Sie lächelte immer wieder unter seinen Berührungen. Seinen liebkosenden Blicken und schickte ebensolche zurück. Sie strich über seinen Arm, wenn er in ihrer Nähe war oder erwiderte den sanften, oder neckischen Kuss. Madiha hatte das Gefühl, erwachsen zu werden. Sicher war sie es schon – irgendwie – aber… so? Es veränderte sich so vieles derzeit und das Mädchen genoss es. Nachdem sie sich etwas aus dem ehemaligen Schrank der Eltern van Tjenn genommen hatten, betrachtete Madiha ihren Caleb. Er wirkte wie ein verwegener Seemann in Rüschen und sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Andunie veränderte ihn… aber nicht alles war besorgniserregend. Das Mädchen trat an ihn heran und strich über sein stoppeliges Kinn. Nichts außer Liebe lag in ihrem Blick. Und dieses Mal war diese Liebe nicht nur bedingungslos. Es war nicht so, dass sie sich vollkommen aufgab, damit er blieb. Jetzt war da eine gewisse Sicherheit in ihrem Blick, die sie stärker wirken ließ. Sie wusste, er liebte sie aufrichtig. Nicht aus Pflichtgefühl, nicht aus Mitleid oder weniger, als sie ihm entgegenbrachte. Er würde für sie alles beiseiteschieben und mit ihr gehen, wenn sie ihn darum bat. Sie waren gewachsen – miteinander und aneinander. Madiha nahm sich einen Kuss von ihm und ließ ihn spüren, wie sehr sie in liebte in diesem intimen Moment. "Du siehst sehr gut aus.“, lächelte sie und trat zurück. Er betrachtete sie und erkannte das Kleid, welches sie trug. Ein langes Kleid, mit klassischen Applikationen, die die Herkunft der Küstenstadt widerspiegelten. Es war weiß-blau gehalten und hatte Trompetenärmel. Madiha war es ein wenig zu groß, aber das fiel kaum auf. Estelle war offenbar nie wirklich ‚viel‘ gewesen und so passte es ganz ordentlich. Bei seinen Erzählungen lächelte sie und strich über den Stoff. „Ich muss mich immer noch daran gewöhnen, dass ich solche Sachen trage.“, gestand sie und griff dann seine Hand. Sie gingen gemeinsam hinunter und zumindest Madiha wirkte etwas ausgelassener. Dann hörte sie Jivvin’s Stimme, auch wenn sie nichts verstehen konnte. Sofort blieb das Mädchen stehen und schaute auf die Dunkle und ihren… “Corax?“, hörte sie Caleb lachend rufen und Madiha stutzte. War das wirklich… Ihr Blick glitt an dem Mann hinab und sie schüttelte den Kopf. Nein… das war… „Emmyth..“, flüsterte sie leise und folgte daraufhin dem Wortwechsel der Elfen. "Oh, wir trafen uns zufällig in den Straßen. Ich wusste nicht, dass sie eine Eurer Sklavinnen ist, werte Dornentänzerin. Andernfalls hätte ich sie nach Hause begleiten können." Madiha stutzte. Sie war überrumpelt von diesem Auftauchen und räusperte sich dann. „Oh…“, begann sie und dachte fieberhaft nach. Sklaven? Sollte … Ihr Blick glitt zu Jivvin. Sie legte Wert auf die Außenwirkung und so knickste Madiha langsam. „Vielen Dank, für das Angebot Emmyth.“, sprach sie ihn an und ließ dennoch mit Absicht das devote ‚Herr‘ weg. Nein… Madiha Al’Sarma war keine Sklavin mehr. „Ich hoffe, es geht euch gut?“, fragte sie weiter und trat näher heran, blieb aber wachsam im Abstand zu den Dunklen stehen. „Dürfen wir etwas… anbieten?“, fragte sie höflich und zeigte trotz allem, dass sie eben gelernt hatte mit Höhergestellten umzugehen. Zudem war sie einfach ein freundlicher Mensch. Es war nur höflich, etwas anzubieten. Und noch wusste Madiha nicht, wie Jivvin zu allem stand, was sie erwartete und wie weit sie die Scharade aufrechterhalten mussten. Es würde ein wenig vorsichtigen Vortasten bedürfen, bevor sie einschätzen konnte, wie weit sie bei Emmyth gehen konnte. Eines war aber sicher: Madiha würde in Erfahrung bringen, was es mit diesem Doppelgänger auf sich hatte. Ihr Blick glitt zu Caleb. „Als ich mit… Corax vom Markt nach… Hause gehen wollte und er… nun, auf der Suche nach einer …“, ihr Augen leuchteten vielsagend „diebischen Elster war, da war Emmyth Faelyn so freundlich, mir mit meinen Einkäufen zu helfen.“, erklärte sie für alle Anwesenden die Umstände. Damit auch Caleb eingeweiht wäre und sicher nun verstand, wieso sie nach ihm gefragt hatte.
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Re: Das Haus der Famlie van Tjenn

Beitrag von Erzähler » Samstag 7. Oktober 2023, 01:23

Es war für Madiha schwer nachvollziehbar, dass Caleb Kjetell'o so bereitwillig traute. So naiv war der Dieb normalerweise nicht. Gedankenlos, ja. Er handelte erst, bevor er sich mögliche Konsequenzen bewusst machte und das führte zu viel Reue im Nachhinein. Aber vielleicht war es genau seine übliche Art, die ihn nun in den Shyáner vertrauen ließ. Kjetell'o traute man kein kopfloses Denken zu. Er schien sehr darauf zu achten, welche Entscheidungen er traf. Er wägte jedes Wort vorher im Geiste ab und hielt sich mit Informationen zurück, wenn er der Überzegung war, für den Hörenden seien sie nicht angebracht. Er behielt ein höheres Augenmaß auf Konsequenzen als Caleb. Deshalb hatte er dessen Vertrauen gewonnen, ob die Übergabe des Einhorndolches nun mitsamt aller Möglichkeiten kalkuliert gewesen war oder nicht. Kjetell'o hatte hier nur gewinnen können!
Statt dieser Erkenntnis weiteres Misstrauen entgegen zu bringen oder sich bei anderen Vertrauten einen Rat einzuholen, genügte es Madiha, Calebs Worte gehört zu haben. Sie wusste instinktiv, dass sie längst eine Entscheidung getroffen hatte, tief in ihrem Inneren. Es war ihr eigentlich nur wichtig gewesen, zu erfahren, was Caleb von dem Elfen hielt. Er hasste ihn nicht, somit würde er Madihas Wahl auch nicht in Frage stellen. Das genüge ihr, sich für den Unterricht bei Kjetell'o Aschwurz zu entscheiden.
"Ich tu's! Und wenn er versucht, mich in Ketten zu zwingen..."
"Wenn er auch nur daran denkt, muss er es mit mir aufnehmen." Caleb grinste zwar, aber es steckte sehr viel Wahrheit hinter diesem verharmlost ausgesprochenen Versprechen. So wie Corax seine Azura beschützte, so würde Caleb es auch mit Madiha tun. Nein, nicht ganz so ... brachial. Aber er würde für sie da sein, so wie er es immer gewesen war und Madiha wusste längst, dass sie es ihm mit gleicher Münze vergelten würde. Davon ein wenig beflügelt folgte sie Caleb ins Schlafzimmer, damit sie beide sich umziehen konnten.
"Du siehst sehr gut aus", lobte sie wenige Zeit später. Caleb schaute an sich herab, ehe die Hand die übliche Geste zum Nacken suchte. Er grinste schief. "Früher hab ich es gehasst, mich so darzustellen. Irgendwie passt es auch heute nicht ganz zu mir. Ich mag's lockerer." Dabei zupfte er sich vor allem das Seidentuch vom Hals und band es neu. Er würde niemals in die noble Gesellschaft hineinpassen, so sehr er es auch versuchte. Ein kleiner Teil von ihm blieb der Freigeist, der das Hemd unordentlich in die Hpse stopfte, die Manchettenknöpfe offen ließ und das seidene Halstuch locker wie einen Schal um den Hals legte. Aber all das stand ihm gut zu Gesicht. Er brauchte diesen kleinen Hauch Verwegenheit. Er brauchte das Diebische, das Romantische, das Freie.
Madiha hingegen konnte wirklich alles tragen. Sie schaffte es sogar, in der Kleidung von Calebs eigener Mutter ihn zu verzaubern, obwohl der Gedanke schon ein wenig seltsam war, ließ man ihn lang genug durch den Kopf wirbeln. Das Kleid mochte der Sarmaerin ein wenig zu groß sein - nicht übermaßig - und doch war es auch hier von Vorteil. Es schenkte ihr nicht nur Bewegungsfreiheit, sondern gab auch ihr das Gefühl, sich von andunischer Mode nicht in eine Rolle drängen zu lassen, dir ihr nicht gefiel. Das Paar oder was immer sie und Caleb letztenldich darstellten konnte sich treu bleiben. Das sorgte für gute Laune, die sie zusammen mit ihrer neuen Garderobe und dem angenehmen Duft der Badeseife hinunter in die Eingangshalle trugen.
Dort erwartete beide die nächste Überraschung. Jivvin war zurück und sie hatte einen Gast mitgebracht. Natürlich erkannte Caleb ihn nicht sofort, hielt ihn für Corax, so wie es Madiha in der Gasse passiert war. Sie sahen sich auch wirklich zu ähnlich, um sie nicht sofort für Blutsverwandte zu halten. Es war unmöglich, Anderes zu behaupten. Emmyth könnte ein Bruder sein, ein Cousin oder Sohn eines Verwandten, der genug vom Blut des Raben auch in sich trug.
Madihas Augen huschten zu Jivvin. Die Dunkelelfe hatte sie nicht als ihre Sklaven vorgestellt. Emmyth selbst ging davon aus, aber sollten die junge Frau und der Dieb auf das Spiel eingehen? Caleb musterte den Mann noch, der nicht Corax zu sein schien. Er entdeckte die kleinen, aber eindeutigen Unterschiede, begonnen bei der Tatsache, dass Emmyth noch über beide Arme verfügte. Aber er schwieg, während er den anderen betrachtete. So war es Madiha, die aufklärte: "Als ich mit ... Corax vom Markt nach ... Hause gehen wollte und er ... nun, auf der Suche nach einer ... diebischen Elster war, da war Emmyth Faelyn so freundlich, mir mit meinen Einkäufen zu helfen."
"Faelyn", wiederholte Caleb den Namen. Er verstand. Sein Blick heftete sich an den Dunkelelfen. Sein Arm aber legte sich um Madiha. Jivvin rührte sich nicht. Sie beobachtete ebenso die Szene, welche sich nur zwischen Madiha und dem Gast abzuspielen schien. Bis jener nach einem knappen Nicken in ihre Richtung sich eben doch der eigentlichen Hausherrin zuwandte. Er verneigte sich leicht vor ihr. "Ich hoffe, die Einkäufe, die Eure Sklavin nach Hause brachte, sind nicht beschädigt worden ... wie es bei Eurer Familie der Fall ist", setzte er nach knappem Zögern nach und seine Augen blitzten tiefrot auf. Sie trafen auf eine Erwiderung aus Jivvins goldenen Seelenspiegeln, bevor jene sich zu Schlitzen engten. Sofort hob Emmyth in einem schlichtenden Versuch beide Hände und gewann etwas Abstand zu der Dunkelelfe. "Oh, das sind nur Gerüchte, aufgeschnappt von zu spitzen Ohren, muss ich zugeben. Aber sie kursieren durch die Stadt." Er winkte ab. "Doch ich möchte kein Teil von Klatsch und Tratsch sein."
"Ihr möchtet vor allem nicht meine Klinge an Eurer Kehle wissen, Erbe der Faelyn. Einziger Erbe des Hauses."
Das saß. Emmyth wurde sichtlich blasser um die Nase und er schluckte. "Das gewiss nicht." Erneut verneigte er sich ein wenig. "Ich bitte um Verzeihung. Nun, da dies geklärt ist: Darf ich erfahren, warum ich hier bin?"
Jivvin hielt nicht hinter dem Berg damit, aber sie war auch nicht bereit, alles zwischen Tür und Angel zu besprechen. Mit einem harschen Kopfrucken in Richtung Madiha und Caleb, wobei sie Letzteren anwies, seine Mutter zu holen, begleitete sie Emmyth Faelyn anschließend in den Grünen Salon. Dort nahm er auf einem der grünen Sofas Platz, während Madiha aufgetragen wurde, für alle Tee aus der Küche zu holen. Die Kanne vom Frühstück stünde noch auf dem Ofen und Tassen fände sie ja im Schrankfach neben dem Spülbecken, wie sie wüsste. Jivvin gelang es, ihr unterschwellig die nötigen Hilfen zu geben, bis wenig später sowohl Tee als auch Estelle mit ihnen im Grünen Salon waren.
"Ihr seid überraschen gütig, dass Ihr Verwandte Eurer Sklaven erlaubt, im Hausstand zu leben, ohne sich aktiv zu beteiligen", merkte Emmyth an. Er klang nicht abwertend, sondern aufrichtig überrascht. Estelle lächelte ihm zu, erklärte sich aber nicht. Sie wusste, welche Rolle sie zu spielen hatte und sie wusste, dass Dunkelelfen keine vorlauten Sklaven duldeten. Jivvin kommentierte seine Aussage: "Wenn Ihr es so sehen wollt, sie dient mir als Gesellschafterin. Um die Gerüchte zu bestätigen: Es ist nicht allzu still im Hause, wenn ich zumindest noch Sklaven habe, mit denen ich mich über den Verlust meiner ... geliebten Familie unterhalten kann."
Daraufhin ging Emmyth nicht mehr näher auf das Thema ein. Tee wurde ausgeschenkt und schließlich wies Jivvin Madiha an: "Setz dich auf das Sofa, zwischen mich und Emmyth Faelyn. Erläutere ihm endlich den Grund seines Hierseins. Du hast seinen Namen erwähnt, du trägst nun auch die Verantwortung für sein Erscheinen. Sei dankbar, dass ich ihn von seinem Tagwerk abgehalten habe." Ihre Worte waren schneidend, aber sie befanden sich auch nicht länger in vertrauter Runde. Auch sie nahm die Rolle ein, die man von ihr erwartete und nach außen hin war sie die letzte des Hauses der Dornentänzer, das auf mysteriöse Weise in Andunie ausgelöscht worden war. Sie war diejenige, die dieses Anwesen in Anspruch nahm und zumindest einige Menschensklaven hielt. Sie war am Ende des Tages aber auch eine Dunkelelfe, die ihr Gesicht wahren musste. Trotzdem konnte sie nicht in Madihas Kopf blicken. Die Sarmaerin würde mit Emmyth direkt besprechen müssen, was sie von ihm erfahren wollte. Vielleicht könnte sie noch auf Calebs Unterstützung hoffen, aber zunächst sollte sie es sein, die sich mit dem Elfen unterhielt.
Emmyth machte nach wie vor einen freundlichen Eindruck. Oh, er sah sogar sehr gut aus in seinen feinen Sachen. Wenn Corax so austaffiert wäre, würde Azura ihn schon längst vor einen Traualtar geführt haben! Man erkannte allein schon an der Qualität seiner Kleidung, dass Emmyth Faelyn aus adligen Kreisen stammte. Sogar das winzige Schnupftuch in seiner Fracktasche musste kostbarer sein als alles, was Madiha jemals in Sarma besessen hatte. Nicht, dass es viel gewesen wäre!
"Nur zu", forderte der Elf sie mit einem Wink auf und griff dann nach seinem Tee. "Ich erlaube dir, offen zu sprechen. Halte dich nicht zurück ... außer vielleicht mit Kommentaren über deine Herrin. Ich kann für keine Folgen deiner Worte geradestehen." Er gluckste leicht. "Aber ich werde mich zurückhalten, Gewalt an einer Sklavin fremden Hauses zu üben. Du darfst dich sicher fühlen und sprechen."
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Re: Das Haus der Famlie van Tjenn

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Samstag 7. Oktober 2023, 23:23

"Früher hab ich es gehasst, mich so darzustellen. Irgendwie passt es auch heute nicht ganz zu mir. Ich mag's lockerer." Sie schmunzelte bei seinen Worten und beobachtete, wie er sich das Tuch locker und in einem Anflug von Trotz zurechtband. Madiha aber konnte nicht anders, als Wärme bei seinem Anblick zu empfinden. „Ganz egal was du trägst oder wer dich in was auch immer zwängen will… Ich sehe… dich. Sie wurde rot. Ja, tatsächlich, Madiha wurde rot und seufzte sogar etwas. Sie war ja so verliebt und wusste kaum mit dieser Intensität umzugehen. Es war gleichermaßen schön, wie erschreckend und Madiha völlig überrumpelt davon. Noch auf der Überfahrt nach Andunie hatte sie sich zurückgehalten. Hatte sich eingeredet, dass sie nicht das wäre, was jemand wie Caleb mögen könnte. Mögen vielleicht, aber nicht lieben. Nicht so. Und als Azura Teil ihrer kleinen Flucht wurde, hatte Madiha ernsthaft geglaubt, dass Caleb sie ohnehin bevorzugen würde. Sie hätte es als logisch empfunden und nicht hinterfragt. Aber es kam alles anders und nun…? Nun stand sie hier und empfand immer mehr. Allein, dass sich Caleb für sie entschieden hatte, obwohl es Dunia, Azura und all die anderen gab. Es gab dem Mädchen ungeheuren Auftrieb und nur, weil Caleb sie erwählt hatte, war Madiha um einiges stärker. Und vor allem gewillt, sich weder noch mal benutzen zu lassen, noch in eine Knechtschaft gezwungen zu werden. Oder gar zu Handlungen gezwungen zu werden, die sie nicht selbst wollte. Es war Caleb’s Liebe, die ihr ermöglichte, eine Selbstsicherheit in sich zu entdecken. Und die ihr den Mut gab, darüber hinauszuwachsen. Denn sich zu entscheiden, Kjetell’o’s Angebot anzunehmen, das konnte sie einzig und allein, weil der Dieb hinter ihr stand. Weil er mit ihr gehen würde, wenn sie es wollte. Sie konnte also ein neues Kapitel aufschlagen, ohne gleich wieder etwas zu verlieren. Er würde sie weiterhin lieben… das hatte er gesagt. Eine örtliche Trennung würde keine seelische bedeuten und Madiha gab das so viel mehr als ihm vielleicht bewusst war. Sicherheit war immens für jemanden wie sie. Dankbar und voller Liebe ging sie mit Caleb die Stufen hinunter ins Erdgeschoss. Nur, um dort auf jemanden zu treffen, der Corax‘ Zwilling hätte sein können. Aber Madiha sah die ‚Fehler‘, sodass sie nicht einen Moment glaubte, Jivvin hätte Corax gebracht. Erstaunt und überrumpelt gleichermaßen, versuchte sie vorsichtig herauszufinden, was Jivvin nun verlangte.

Sie wollte die Dornentänzerin gewiss nicht bloßstellen oder gar anders gefährden. Jivvin war nett zu Madiha gewesen und sie würde sich nun Mühe geben, um sie nicht zu verärgern. Nachdem sie halbwegs neutral erklärt hatte, wie sie zu einer Bekanntschaft mit Emmyth gelangt war, war er es, der sich dann einen kleinen Fehltritt erlaubte. "Ich hoffe, die Einkäufe, die Eure Sklavin nach Hause brachte, sind nicht beschädigt worden ... wie es bei Eurer Familie der Fall ist" Madiha’s Augen huschten zu der Elfe, die scheinbar überlegte, ob sie den Corax‘-Doppelgänger nicht gleich hinrichten sollte. Madiha hielt die Luft an, so gespannt war sie. "Ihr möchtet vor allem nicht meine Klinge an Eurer Kehle wissen, Erbe der Faelyn. Einziger Erbe des Hauses." Das Mädchen aus Sarma biss die Zähne zusammen. Würde es nun tatsächlich dazukommen? Ihr Herz pochte, denn im Grunde wussten sie auch nichts über die Dunkelelfe. Sie sagte zwar, dass sie ihre Familie tötete, weil sie Grausamkeit bewiesen hatten… doch wer sagte ihnen nicht, dass Jivvin auch einfach nur eine Gelegenheit ergriffen hatte? Offenbar aber wusste Emmyth um seine Stellung. Er schien sich bewusst zu sein, dass er eben der einzige seines Hauses war und er war offenkundig auch kein Kämpfer, denn er ruderte zurück. "Ich bitte um Verzeihung. Nun, da dies geklärt ist: Darf ich erfahren, warum ich hier bin?" Madiha schluckte und atmete endlich wieder. Das war … knapp gewesen. Das Mädchen aber achtete nun auf Jivvin. Sie war augenscheinlich die Herrin in diesem Haus und so verhielt sie sich auch. Mit knappen, harschen Bewegungen trug sie Caleb auf, seine Mutter zu holen, während Madiha in die Küche eilte, um Tee zu kochen. Nervös war sie, während sie die Kanne holte und dann fünf Tassen aus dem Schränkchen nahm. Es klirrte einmal, weil ihre Hände rutschig wurden, doch dann atmete sie tief durch, straffte ihre Schultern und kam mit dem Teeservice zurück in den grünen Salon. Alle hatten bereits Plätze eingenommen, sodass Madiha jedem eine Tasse Tee reichte. "Ihr seid überraschen gütig, dass Ihr Verwandte Eurer Sklaven erlaubt, im Hausstand zu leben, ohne sich aktiv zu beteiligen" Ihr Blick flatterte zu Emmyth, dann zu Caleb, ehe Madiha sich aufrichtete, nachdem sie die Kanne wegstellte und nach einem Platz Ausschau hielt, der angemessen war. Sie selbst hatte keinen Tee. Setz dich auf das Sofa, zwischen mich und Emmyth Faelyn. Erläutere ihm endlich den Grund seines Hierseins. Du hast seinen Namen erwähnt, du trägst nun auch die Verantwortung für sein Erscheinen. Sei dankbar, dass ich ihn von seinem Tagwerk abgehalten habe."
Madiha blinzelte einige Sekunden. Sie sah zweifelnd auf den Platz zwischen Jivvin und Emmyth und räusperte sich daraufhin. „Sicher…“, murmelte sie mit halbgarer Zustimmung. Sie setzte sich mit langsamen Bewegungen zwischen die beiden Dunkelelfen und sah mit leicht ängstlichen Augen zu Caleb. Was wenn sie einen Fehler machte? Was wenn sie den falschen Ton traf? Was wenn sie etwas sagte, was nicht gefiel und wie schnell konnten beide Dunkelelfen dann reagieren? Ihr Herz wummerte in ihrer Brust und sie musste reichlich verschreckt aussehen, da Emmyth sich bemüßigt fühlte, für etwas mehr… ‚Komfort‘ zu sorgen: "Nur zu. Ich erlaube dir, offen zu sprechen. Halte dich nicht zurück ... außer vielleicht mit Kommentaren über deine Herrin. Ich kann für keine Folgen deiner Worte geradestehen.“ Sie wandte ihm ihr Graublau zu und musterte ihn erstmals aus der Nähe. Er gluckste plötzlich und auf einmal brach die angstvolle Miene seitens Madiha auf. Sie sah Corax und sie sah, wie gut ihm ein Lächeln stehen würde. "Aber ich werde mich zurückhalten, Gewalt an einer Sklavin fremden Hauses zu üben. Du darfst dich sicher fühlen und sprechen." Ihre Miene wurde wieder etwas vorsichtiger. Trotzdem blieb ihr Blick ein wenig zu lange auf Emmyth hängen, denn der Dunkle glich Corax so sehr, dass es unheimlich war. Und er hatte ihr soeben einen Freifahrtschein erteilt, dass sie ihn fragen durfte, was sie wollte. Erneut klopfte ihr Herz. Madiha räusperte sich kurz, damit sie ihre Stimme fester klingen lassen konnte, doch auch das half nicht wirklich. Sie fühlte sich irgendwie belegt an. „Nun… Emmyth…“, begann sie zögerlich und dreht sich ihm dann leicht entgegen, während sie Jivvin etwas den Rücken zudrehte. „Als ich Euch… in der Marktgasse sah, war ich… überrascht.“, erklärte sie und lächelte leicht. „Ihr sagt, ihr seid der einzige Erbe eures Hauses?“, fragte sie noch mal und musterte ihn genau. „Gibt es keinen… Bruder? Cousin…? Irgendjemanden?“, wollte sie nun wissen und sein Angebot, frei zu sprechen, auch nutzen. Obwohl sie Angst hatte, dass ihre Fragen ihn verärgern und gar gewalttätig werden lassen könnten. „Ich kenne jemanden… der gleicht euch bis aufs Haar.“, rückte sie mit der Sprache heraus und hielt ihren Blick fest auf Emmyth gerichtet. Nun galt es… wusste er etwas? Oder war er ahnungslos?
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Re: Das Haus der Famlie van Tjenn

Beitrag von Erzähler » Sonntag 8. Oktober 2023, 10:22

Ob im Kerker, selbst halb eingegraben im Sand, auf einem Schiff mitten im Meer, im Bad der Wasserakademie zu Andunie oder nun hier im Grünen Salon seines Elternhauses: Ganz gleich wo sich Caleb befand, wie er gekleidet war und ob er selbst glaubte, nicht wirklich hinein zu passen, Madiha sah immer nur ihn. Das hatte sie ihm gesagt und er hatte so dankbar gelächelt, als hätte sie ihm für diesen Moment jegliche Schwere vom Herzen genommen. Jetzt lächelte er nicht, als die Sarmaerin flüchtig zu ihm herüber schielte.
Caleb hatte seine Mutter aus dem Speisezimmer geholt. Estelle blieb schweigsam, schien die Situation aber noch immer einzuschätzen. Sie hatte nicht alles mitbekommen, kannte nicht alle Hintergründe und nun hatte man sie in ihren eigenen Salon gebracht, um Zeugin einer Szene zu werden, die sie wohl am wenigsten verstand. Aber sie war gut in Zurückhaltung. Sie beobach... nein, das konnte sie nicht mehr. Sie lauschte. Sie drehte den Kopf in eine andere Richtung, als fiele es ihr schwer, überhaupt etwas mitzubekommen. Dass sie dabei sehr aufmerksam zuhörte, konnte niemand aus ihrem verschleierten Gesicht ablesen.
Caleb saß neben ihr. Er hatte sich extra einen gepolsterten Schemel herangezogen, um ihre Hand halten zu können, während Estelle erneut den Platz im einzigen Sessel des Raumes einnahm. Als Madiha den Tee brachte, löste sie ihre Finger von denen des Sohnes, um die Tasse halten zu können. Caleb verzichtete. Er wirkte neugierig und zugleich ein wenig aufgeregt. Er konnte den Blick nicht von diesem Mann lassen, der Corax fast bis auf's Haar glich. Falls Emmyth das Starren bemerkte, ging er nicht darauf ein. Er begutachtete mit eigener Neugier sowohl Jivvin als auch Madiha. Vor allem musterte er Letztere, als sie aufgefordert wurde, zwischen ihm und ihrer mutmaßlichen Herrin auf dem Sofa Platz zu nehmen.
Normalerweise hätte sie sich in ihrer Position gar nicht gesetzt, ja, wäre nicht einmal aufgefallen. Auch wenn sie gerade nur die Sklavin spielte, so wäre sie mit den Schatten verschwommen. Dinge wurden erledigt, ohne dass man jene bemerkte, die sie ausführten. Das waren die wirklich guten Sklaven. Jene, die Jahrzehnte in einem Haushalt arbeiten konnten, ohne dass auch nur eine Person außer ihren Züchtigern den Namen kannte. Und selbst unter ihren eigenen Freunden hatte Madiha immer wieder diese Rolle eingenommen. Sie arbeitete aktiv auf Ziele hin, aber wenn es darum ging zu klären, wer sie dorthin geführt hatte, hielt sie sich zurück. Wenn es um ihre eigenen Bedürfnisse ging, hielt sie sich zurück. Es ging nie um sie. Jetzt war es anders. Jivvin schien es genau erkannt und sie nur deshalb so zentral auf dem Sofa platziert zu haben. Nun ging es um niemand anderen als um sie. Denn Madiha war es, die Antworten wollte - von Emmyth.
Der Dunkelelf forderte ebenfalls nach Aufklärung für seine Anwesenheit. Darüber hinaus erteilte er Madiha aber auch die Erlaubnis, absolut offen zu sprechen. Sie nahm dieses Angebot an. Nur der Mann, der genau so wie Corax aussah, konnte ihr Antworten dazu liefern. Wer, wenn nicht ihn, musste sie jetzt einer Zitrone gleich ausquetschen. Kein anderer würde ihr Informationen geben können. Jivvin hatte ihr die Gelegenheit dazu gegeben. Es wurde Zeit, sie am Schopf zu packen.
Bestätigung erhielt sie von Caleb. Sie sah zu ihm herüber. Sie sah ... ihn. Dieses Mal lächelte er nicht, aber er erwiderte ihren Blick und die von Schilfgras umrandeten Fjorde schienen zu nicken. Auch er war davon überzeugt, dass sie nun offen sprechen sollte. Ein Teil seiner Neugier verleitete ihn zu dieser Entscheidung, denn auch er wollte wissen, was es mit Corax' Doppelgänger auf sich hatte. Aber darüber hinaus erkannte er, dass es nicht noch einmal eine solche Gelegenheit gäbe. Wenn Madiha sie jetzt nicht wahrnahm, wäre die Chance vertan.
Madiha räusperte sich. Sie begann schleppend, aber mit jeder weiteren Silbe kehrte der Mut in sie zurück. Ihre innere Flamme loderte auf, ohne zu Brennen. Das einzige, was darunter angefacht wurde, war ihr Ehrgeiz.
"Ihr sagt, Ihr seid der einzige Erbe Eures Hauses? Gibt es keinen ... Bruder? Cousin...? Irgendjemanden? Ich kenne jemanden ... der gleicht Euch bis auf's Haar."Endlich fragte sie. Endlich würde sie Antworten erhalten. Sie hoffte es, denn jetzt legte sie die Karten offen auf den Tisch. Vor allem aber beobachtete sie Emmyth dabei, suchte in jeder noch so kleinen Muskelbewegung seines Gesichts nach Anzeichen von Erkennen ... und wurde fündig.
Die rubinroten Augen des Dunkelelfen weiteten sich kurz. Er wirkte überrascht, aber nur für einen Herzschlag lang. Dann senkten sich die Lider in Erkennen über dieses Rot, das auch von einem anderen getragen wurde. Niemand würde eine Verwandtschaft anzweifeln, sähe er Corax neben diesem Mann stehen. Die Haut, die Haare, die Augen ... Emmyth wirkte einfach etwas weniger verbraucht. Seine Seele hatte keine Jahrzehnte an Leid ertragen müssen, im Gegenteil. Er machte einen unbeschwerten, fast schon zu leichten Eindruck. Er besaß winzige Fältchen in den Mundwinkeln, vermutlich vom vielen Lächeln. Corax besaß diese nicht. Bei ihm lagen sie eher um die Augen herum, verstärkten die dunklen Ringe, die ihn manchmal wie Schatten befielen. Emmyth Faelyn fehlten solche Schatten. Er war optisch all das, was Corax hätte sein können und selbst Madiha würde zugeben müssen, dass das, was sie sah, nicht unattraktiv war. Sie aber konzentrierte sich derzeit nur auf die Mimik und in jener stand noch immer die Erkenntnis ob ihrer Behauptungen.
"Du sprichst von Corax", erwiderte Emmyth. Aber bevor sich irgendetwas Emotionales aufbauen konnte, hob er die Hand. "So ist es doch, oder? Du bist nicht die Erste, die mir gegenüber diesen Namen in den Mund nimmt." Sein Blick huschte kurz zu Caleb, aber ihn bezog er gar nicht so sehr mit ein. Doch auch der Dieb hatte ihn sofort für den Raben gehalten. "Ich war letzte Nacht im Park des Schneeglanzes - zumindest nennen die Einheimischen ihn so", fuhr er fort.
"Ihr geht nachts in einen Park? Hofft ihr, dass Manthala ein paar Blumen erblühen lässt, die Ihr einer Liebschaft schenken könnt?", mischte Jivvin sich knapp ein, ging aber nicht weiter auf diese Sitte ein. Sie gehörte auch eher den Nacht- als den Dunkelelfen. Wenn man seine Liebe unter dem Segen der Traumgöttin gestehen wollte, suchte man eine Blume, die in ihrem Mondlicht blühte. Etwas, das zu selten vorkam, als dass man den Brauch zur Vorasussetzung für eine mögliche Verlobung machen konnte. Dann würden die Nachtelfen gar keine Ehen mehr eingehen, aber es machte Spaß, an solche Geschichten zu glauben. Manche Dunkelelfen kannten die Sitte sicherlich ebenso, sie war kein Geheimnis. Emmyth schien sie auch geläufig, denn er schmunzelte knapp und schüttelte dann den Kopf.
"Meine nächtlich Eskapaden in verzauberte Parkanlagen haben andere Gründe", entgegnete er, ging aber nicht weiter darauf ein. Er war hier, um Madihas Fragen zu beantworten. So wandte er sich ihr nun wieder zu. "Ich begegnete in dieser Nacht - letzte Nacht war es - einer geheimnisvollen Gestalt auf den Kieswegen. Sie stand direkt beim zentralen Springbrunnen. Ich hielt sie zunächst für irgendeine Schlaflose, die es für einen Nachtspaziergang in den Park gezogen hatte. Doch dann wandte sie sich um und ich blickte dem Tod in die Augen. Bleich wie altes Pergament und teils auch fleckig, als hätte jemand Tinte auf ihre Haut verschüttet, war sie. Ich konnte blanken Knochen hervorblitzen sehen. Fäulnis hatte Anteile ihres Körpers befallen und doch besaß sie eine irrational schöne Ausstrahlung. Ich fürchtete sie nicht, sondern ... das klingt so bizarr!" Er gluckste. "Höflich wie ich bin, habe ich ihr gewunken, diesem untoten Geist. Oder was immer sie war. Nekromantie ist nicht mein Interessensgebiet." Emmyth zuckte die Schultern. "Dann fanden mich zu meinem eigenen Leid meine Wachen. Ich hatte mich davongestohlen, aber sie wissen inzwischen sehr gut, wo sie mich finden. Mir blieb keine Wahl, als mich ihnen wieder anzuschließen. Als ich jedoch zu ihnen eilte, meinte ich, den Namen gehört zu haben. Diese ... Tote rief ihn. 'Corax', rief sie. 'Corax, warte auf mich!' Ich fühlte mich nicht angesprochen, denn ich heiße weder Corax, noch kenne ich jemanden mit diesen Namen." Emmyth beugte sich vor, Madiha entgegen. Seine Stimme senkte sich zu einem Raunen und nie zuvor hatte er sich auch dem Raben dermaßen ähnlich angehört. "Und nun sitzt du vor mir und sagst, es gibt jemanden, der mein Ebenbild sein soll. Jemand, der Corax heißt? Was ... geht hier vor sich?" Er lehnte sich zurück, blickte in die Runde. Die Frage schien dennoch an Madiha gerichtet, denn niemand antwortete sofort. Sie warteten darauf, dass die Sarmaerin erneut das Wort ergriff.
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Re: Das Haus der Famlie van Tjenn

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Montag 9. Oktober 2023, 21:45

Als Madiha das letzte Mal versucht hatte, aktiv daran mitzuwirken, dass es um sie und ihre Gefühle ging, da sprang Caleb vor ihren Augen in den Tod. Ohne mit der Wimper zu zucken, ohne darüber nachzudenken. Sie hatte sich bemüht, ihm ihre Gefühle mitzuteilen und musste mitansehen, wie sie es nie wieder würde tun können. Umso erstaunlicher war es, dass der Dieb nun neben seiner Mutter saß und sie inzwischen weitaus mehr als das Austauschen von Gefühlen bewerkstelligt hatten. Eine echte Definition, was sie nun füreinander waren, hatten sie bisher nicht vorgenommen. Sie trug einen Ring, der schöner war als alles, was Madiha bisher hatte besitzen dürfen. Schöner und kostbarer – unabhängig vom tatsächlichen Preis. Er war gestohlen, doch das kümmerte Madiha nicht wirklich. Sie wusste, Caleb war nicht gierig. Sie wusste, er würde niemals des Profits wegen stehlen. Es war mit ihm durchgegangen und er hatte ihr damit eine Freude bereiten wollen. Was er auch geschafft hatte, jedenfalls nachdem sie miteinander hatten klären können, dass keiner den anderen einsperren wollte. Sie wollten zusammen sein. Was schlussendlich daraus würde, dass müsste die Zeit zeigen und Madiha war einfach nur dankbar um jeden Moment mit Caleb. Nun allerdings musste sie diesen Moment hergeben, denn etwas anderes bedurfte dringend ihrer Aufmerksamkeit: Emmyth Faelyn und Jivvin aus dem Hause Dornentänzer. Beide sahen sie mehr oder minder fragend an, während die Aufforderung seitens Jivvin im Raum stand, sie möge sich zwischen sie setzen. Es ging um sie. Und Madiha fühlte sich unsicherer als sowieso schon. Gewöhnt war die zierliche Menschenfrau das ganze überhaupt nicht, weshalb sie auch so zögerte. Sie war doch die Stimme im Hintergrund, die nur ab und an gehört werden sollte. Sie war der Schatten, der anderen das Licht überließ.

Madiha aber war trotz allem folgsam und sie erkannte vor allem, die einmalige Chance, die sich gerade bot. Also stellte sie ihre eigenen Bedürfnisse – nämlich im Boden zu versinken – erneut hintenan. Aber dieses Mal für eine wirklich wichtige Sache. Nachdem sie zwischen den beiden Dunkelelfen Platz genommen hatte, brauchte sie einige Momente, bevor sie überhaupt in der Lage war, vernünftig zu atmen. Dass der Fokus nun auf ihr und ihren Fragen lag, das war doch sehr ungewohnt. Madiha brauchte einige Anläufe, bevor sie dann doch endlich ihre Fragen stellte. Sie sprang über ihren Schatten und schritt mutig voran, damit diese Chance nicht ungenutzt blieb. Sie wollte Antworten und mit einem Seitenblick auf Caleb, da wusste sie, dass er dieselben Fragen hatte. Und mehr noch: Er schien ihr Mut zu schicken. Also wandte sie die Augen von ihm ab und richtete sie auf Emmyth. Ihr Blick glitt nun das erste Mal etwas bewusster über seine Züge. Sie fand beim groben Hinschauen keine ‚Makel‘, die ihn von Corax unterschieden. Aber jetzt, da sie einander so nahe waren, musste Madiha doch eingestehen, dass Emmyth wie das fröhliche Abbild des Raben aussah. Er hatte Lachfältchen, die Corax nicht besaß. Wo er die wärme eines segenreichen Lebens ausstrahlte, da besaß Corax Schatten der Vergangenheit. Sie mussten völlig unterschiedlich aufgewachsen sein. Madiha sah noch mal kurz zu Caleb. Auch er hatte deutlich mehr Lachfältchen als sie oder Corax. Es waren eben unterschiedlich gelebte Pfade, was aber nicht bedeutete, dass sie sie nicht ändern konnten. Das Mädchen kehrte mit ihrer Aufmerksamkeit wieder zu Emmyth zurück.
Ihr war es wichtig zu sehen, ob Emmyth etwas wusste und ihnen eventuell verheimlichen würde. "Du sprichst von Corax" Madiha’s Augen zuckten. Wusste er um ihn?! Doch Emmyth klärte gleich darauf auf, dass er lediglich in der Lage war, die Dinge zusammenzuzählen. "So ist es doch, oder? Du bist nicht die Erste, die mir gegenüber diesen Namen in den Mund nimmt. Ich war letzte Nacht im Park des Schneeglanzes - zumindest nennen die Einheimischen ihn so"
"Ihr geht nachts in einen Park? Hofft ihr, dass Manthala ein paar Blumen erblühen lässt, die Ihr einer Liebschaft schenken könnt?"
Madiha hätte Jivvin beinahe angezischt, damit sie ihn nicht unterbrach, so angespannt war sie. Doch sie hatte sich gut im Griff und so sah sie lediglich zur Elfe, bevor Emmyth weitersprechen konnte und ihre Aufmerksamkeit erneut fesselte. "Meine nächtlichen Eskapaden in verzauberte Parkanlagen haben andere Gründe“, irgendwie war Madiha doch neugierig, welche Gründe das wohl sein mochten, aber sie unterbrach Emmyth nicht. Sie wollte eine Antwort auf ihre Fragen und hoffte, er würde sie ihr gewähren. Er wirkte zumindest gewillt dazu. "Ich begegnete in dieser Nacht - letzte Nacht war es - einer geheimnisvollen Gestalt auf den Kieswegen. Sie stand direkt beim zentralen Springbrunnen. Ich hielt sie zunächst für irgendeine Schlaflose, die es für einen Nachtspaziergang in den Park gezogen hatte. Doch dann wandte sie sich um und ich blickte dem Tod in die Augen. Bleich wie altes Pergament und teils auch fleckig, als hätte jemand Tinte auf ihre Haut verschüttet, war sie. Ich konnte blanken Knochen hervorblitzen sehen. Fäulnis hatte Anteile ihres Körpers befallen und doch besaß sie eine irrational schöne Ausstrahlung. Ich fürchtete sie nicht, sondern ... das klingt so bizarr!“ Madiha hob die Augenbrauen an und runzelte sie dann gleich wieder. "Höflich wie ich bin, habe ich ihr gewunken, diesem untoten Geist. Oder was immer sie war. Nekromantie ist nicht mein Interessensgebiet." „Ihr sprecht von Azura…“, murmelte die Sarmaerin und ihr Blick flatterte zu Caleb.
Doch nur flüchtig schenkte sie ihm ihre Aufmerksamkeit, denn das, was Emmyth erzählte, war viel zu brisant. „Azura ist…“, sie stockte. Durfte sie sagen, was Azura und Corax verband? Sie entschied sich, es anders zu formulieren. „Sie ist derzeit nicht ganz sie selbst.“, dann aber musste Madiha leicht lächeln. „Auch Corax ist von ihr angetan.“, ließ sie dann doch verlauten. Warum auch nicht? Madiha führte hier ein reichlich ehrliches Gespräch. Eine echte Seltenheit in ihrem Leben und dazu noch mit einem vollkommenen Fremden! Aber wieso sollte sie nun hinterm Berg halten, wenn sie doch von ihm scheinbar gewissenhafte Antworten erhalten kann. Wer kannte Emmyth Faelyn denn schon? Wer wusste, was ihn antrieb, ausmachte und bewegte? "Dann fanden mich zu meinem eigenen Leid meine Wachen. Ich hatte mich davongestohlen, aber sie wissen inzwischen sehr gut, wo sie mich finden. Mir blieb keine Wahl, als mich ihnen wieder anzuschließen. Als ich jedoch zu ihnen eilte, meinte ich, den Namen gehört zu haben. Diese ... Tote rief ihn. 'Corax', rief sie. 'Corax, warte auf mich!' Ich fühlte mich nicht angesprochen, denn ich heiße weder Corax, noch kenne ich jemanden mit diesen Namen." Sie nickte erneut. „Eindeutig Azura.“, bestätigte sie abermals und beobachtete den Dunkelelfen mit denselben Rubinen, die Corax besaß. Plötzlich neigte sich Emmyth allerdings ihr entgegen, sodass sie sich etwas aufrichtete. Was kam jetzt? Das Raunen klang nach Corax, allerdings hatte Madiha zu Emmyth nicht eine gewisse Verbindung. "Und nun sitzt du vor mir und sagst, es gibt jemanden, der mein Ebenbild sein soll. Jemand, der Corax heißt? Was ... geht hier vor sich?" Sie nutzte den Moment, in dem er die anderen musterte, um kurz durchzuatmen. Sie dachte nach. Doch dann fasste Madiha sich ein weiteres Mal ein Herz und sah Emmyth entschlossen an. „Corax wurde als Säugling aus seinem Kinderbett entführt. Ich habe es selbst in einer Vision sehen können. Er wurde seinen wahren Eltern entrissen und hat keine Erinnerung an sie. Aber als ich Euch sah… auf dem Markt. Da… Nun, Ihr könnt Euch sicher vorstellen, Emmyth, dass sich ein gewisses Bild fügte. Was, wenn Corax ein verschollenes Mitglied Eurer Familie ist?“, fragte sie frei heraus und ließ ihre Augen in seinen umherwandern. „Würdet Ihr erzählen, wie Eure Familie so ist?“, bat sie ihn vorsichtig und wollte auch nicht zu viel verlangen. Allerdings wusste sie auch, dass die Informationen eventuell erschreckend für Emmyth sein konnten. Madiha war gewiss nicht geübt im Umgang mit solchen Ränkespielen, aber sie folgte ihrem Herzen, so wie sie es immer getan hatte. Sie hörte darauf und sie ließ sich leiten.
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Re: Das Haus der Famlie van Tjenn

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 11. Oktober 2023, 19:52

Madiha könnte nicht genau sagen, in wessen Gegenwart sie sich aktuell wohler fühlte. Jivvin besaß diese düstere Ausstrahlung. Sie verkörperte nach außen hin all das, was man an Dunkelelfen fürchten mochte. Sie saß aufrecht, geradezu wachsam da, ohne eine Miene zu verziehen und doch weckte ihr Anblick nur den Gedanken an unterdrückte Mordlust. Als sondierten ihre Augen den Raum, wen sie sich als nächstes für ihre Folterfantasien zum Opfer erwählte, hinterließ sie bei jedem aufgerichtete Nackenhaare, der es wagte, ihrem Blick zu begegnen. Doch Madiha wusste es besser. Hinter der Fassade verbarg sich eine durchaus umgängliche Elfe mit einer Spur an Gerechtigkeitssinn. Sie mochte ihn nach morgerianischer Art ausleben - immerhin hatte sie offenbar ihrer eigenen Blutlinie, abgesehen von sich selbst, ein Ende gesetzt - aber sie achtete darauf, wer wie behandelt wurde. Sie maßregelte und bestrafte nicht grundlos. Und wenn, würde sie die Härte einer solchen Strafe wohl im Gleichgewicht halten. Ihre Familie hatte mit dem Leben bezahlt, weil sie Estelles Mann das seine und ihr unnötigerweise auch noch das Augenlicht nahmen. Jivvin tötete nicht blind. Madiha wusste offenbar mehr über diese Frau als andere und auch das sagte viel über die Elfe aus. Denn Madiha lebte noch, war unversehrt. Man konnte den Eindruck gewinnen, Jivvin mehr trauen zu wollen. Andererseits saß neben der Sarmaerin auch noch Emmyth Faelyn und allein die Tatsache, dass er Corax so ähnlich sah, weckte den Wunsch, ihm vertrauen zu wollen. Der Elf präsentierte sich als das glücklichere Ebenbild des Raben. Das hier hätte Corax sein können, wäre er als Säugling nicht aus seiner Wiege entführt worden. Er hätte glücklich sein können. Stattdessen lasteten Jahrzehnte lange Folter von Leib und Seele auf seinem Herzen. Und trotz allem war nicht einmal er daran zerbrochen. Mehr noch, er hatte sich verliebt und in Madiha und Caleb sogar Freunde gefunden. Emmyth sah ihm schrecklich ähnlich. Sie mussten verwandt sein und ... hieß das nicht, dass auch er ein bisschen wie Corax sein könnte? Er machte einen freundlichen Eindruck, aber auch das konnte täuschen. Was jedoch keine Maske besaß, war seine Reaktion auf die Worte seiner Gesprächspartnerin. Er wusste nichts von Corax, auch wenn er dessen Namen und indirekt sogar Azura erwähnte. Er hatte sie in einem Park angetroffen. Was immer die untote Adlige dort getrieben haben mochte, denn eigentlich hatte der Rabe doch erzählt, dass sie mit einem nackten Kjetell'o in einer Arrestzelle saß. Corax hatte dieses Schauergewand aus schwarzen Federn mit dem unheimlichen Helm getragen. Am Ende war er aber fröhlich gegangen, hatte Madiha und Caleb auf dem Schiff zurückgelassen. Vielleicht hatte er Azura getroffen, sich mit ihr ausgesprochen und sie in den Park geführt. Doch Spekulationen halfen hier nun nicht weiter. Antworten mussten her, auch von Emmyth!
"Ihr sprecht von Azura ... Azura ist ... Sie ist derzeit nicht ganz sie selbst. Auch Corax ist von ihr angetan."
Emmyth winkte rasch ab. "Angetan wäre das falsche Wort. Glaubt mir, einen Fetisch für untotes Fleisch bediene ich gewiss nicht. Dennoch!" Er strich sich einige der Krähensträhnen hinter das Ohr und Madiha konnte sehen, dass er winzige Rubinstecker als Schmuck trug. Sie unterstrichen das Leuchten seiner Augen sehr passend. "Irgendetwas Faszinierendes besaß dieses Wesen ... Azura. Ich hatte den Eindruck, sie ist nicht das, was sie zu sein scheint. Sie wirkte wie ein Geist, wie eine ... Illusion. Und doch agierte sie mit mir." Er rieb sich gedankenverloren das Kinn.
Jivvin räusperte sich daraufhin gekünstelt und hörbar, um den Fokus ihres Gastes auf das Gespräch zurückzuführen. Entschuldigend neigte Emmyth das Haupt. Dann kehrte seine Aufmerksamkeit zu Madiha zurück. Er verstand nicht, was vor sich ging und wünschte nun seinerseits Antworten, ohne die Frage direkt zu stellen. Er hatte ein Recht darauf, ebenso wie sich Madiha Dank ihrer Ehrlichkeit das ihre erhoffte, endlich weiter zu kommen. Sie würde ihm nichts vorspielen. Dazu war sie ohnehin etwas zu weltfremd und ... er besaß eine unheimlich vertraute Ausstrahlung, weil er eben wie ihr gefiederter Freund aussah. Es ließ sich nicht abstreiten, dass das allein einen großen Faktor ausmachte, wie sich das Gespräch entwickelte. Denn Madiha sah eine Chance, Corax zu helfen und das wollte sie tun. Es konnte unmöglich keine Verbindung zwischen ihm und Emmyth existieren. Sie wirkten wie Zwillinge! Und wenn er statt sich in ein Stockwesen zu verwandeln beim Gedanken an Familie Emmyth vor seinem geistigen Auge sähe, wäre vieles gewonnen. Trotzdem musste sie Gewissheit haben.
Somit offenbarte sie Emmyth Faelyn alles, was sie von der Vergangenheit des rabenhaften Freundes wusste. Sie erzählte von den Ereignissen, die sie in seinen Traumvisionen hatte mit ansehen und erleben müssen. "Was, wenn Corax ein verschollenes Mitglied Eurer Familie ist? Würdet Ihr erzählen, wie Eure Familie so ist?"
"Du meinst, ich könnte einen Bruder haben?" Emmyth blinzelte und schaute dann zur Seite, seine Miene wie versteinert. "Er wäre dann älter als ich, nicht wahr? Wie alt?", fragte er zurück, erwartete aber nicht sofort eine Antwort. Die Information musste bei ihm erst einmal sacken. So griff er nach der Teetasse, um sie in einigen Schlucken zu leeren und dann mit einem Wink gen Caleb stumm zu fordern, nachzufüllen. Caleb engte die Augen, folgte der Anweisung nach kurzem Zögern und einem flüchtigen Blick zu Jivvin jedoch. Er erkannte, dass es hier nun besser war, das falsche Gesicht eines Sklaven zu tragen. Wenigstens, bis Madiha ihre Antworten hätte. Doch Emmyth schwieg.
"Verehrter Faelyn", sprach Jivvin ihn nach einer Weile an. "Wollt Ihr meiner Sklavin nicht den Wunsch erfüllen und über Eure Familie sprechen? Ihr habt doch nichts zu verbergen?" Sie reckte den Kopf leicht und sofort erhaschten sowohl sie als auch Madiha einen düsteren Blick aus Rubinaugen. Emmyth verzog den Mund. "Natürlich habe ich nichts zu verbergen! Unsere Familie ist angesehen und weitaus ehrbarer als viele andere Häuser Morgerias." Seine Augen festigten sich auf Jivvin. Beide fochten etwas mit stillen Blicken aus. Schließlich meinte die Dunkelelfe: "Ich gebe Euch Recht. Die Klingen der Dornentänzer sind blutig, aber wir rühmen uns nicht mehr Ehre ... sondern Diskretion. Was Ihr hier und jetzt erzählt, wird in diesem Raum bleiben. Notfalls schneide ich meiner Sklavschaft die Zungen heraus." Sie sagte es so unverblümt und trocken, dass kein Zweifel bestand, dass sie es ernst meinte. Man konnte nicht sagen, ob es eine perfekte Lüge war oder sie ihre Worte wirklich in die Tat umsetzte, sollten Madiha, Caleb oder Estelle zu plauderfreudig sein.
"Aber Corax dürften wir davon erzählen ... H-Herinn?" Caleb fügte rasch die Anrede an und senkte unterwürfig den Kopf. Jivvin schaute zu Emmyth herüber. Jener nickte. "Es geht schließlich um ihn. Ich würde ihn gern treffen, vielleicht auch meinem ... unserem Vater vorstellen, wenn tatsächlich etwas hinter der Annahme steckt. Also gut, ich erzähle." Er lehnte sich zurück. Die Teetasse behielt er dennoch in Händen. Er klammerte sich regelrecht daran.
"Ich bin nicht sicher, wie weit ich zurückgehen soll. Das Haus Faelyn entstammt altem, morgerianischem Adel. So alt, dass der ursprüngliche Name unserer Blutlinie verlorenging. Die Faszination für alles Feenhafte machte uns zu dem, der wir nun sind und sie drückt sich auch in meinem Werdegang aus. Ich erforsche das Feenhafte. Nun, ich habe es erforscht, bis mein Vater wünschte, dass ich etwas Sinnvolles mit meiner Zeit anfange, ehe ich alles erben werde, was er mir hinterlässt. So widme ich mich seit geraumer Zeit dem Tränkebrauen."
"Ihr seid fähig", warf Jivvin ein und Emmyth neigte dankbar ob es Kompliments das Haupt. "Ich meine es ernst", fuhr sie fort. "Eure Gifte wirken schneller als andere. Ich werde darauf zurückkommen, Euch detaillierter danach zu fragen. Jetzt hat es keinen Platz im Gespräch. Erzählt weiter! Stillt die Neugier meiner Sklavin."
"Ich bin mir gar nicht so sicher, was ich noch berichten soll." Emmyth hob die Schultern. "Mein Vater hat nie von anderen Geschwistern gesprochen. Er zeigt sich aber ohnehin etwas wortkarg. Der Verlust meiner Mutter bei meiner Geburt ging ihm doch recht nahe. Er meidet familiäre Themen und ich habe nie den Anreiz verspürt, ihn danach zu fragen. Aber ich könnte es tun - wir könnten es tun." Er musterte Madiha. "Ich könnte Euch ins Haus Faelyn mitnehmen. Euch und Euren Freund, diesen Corax. Vielleicht erhalte ich Gelegenheit, ihn vorab kennen zu lernen? Erzählt mir doch von ihm, wenn er schon nicht anwesend ist. Welchen Stand bekleidet er? Hat er ein eigenes Adelshaus gegründet? Könnten wir zu einer größeren Familiemacht fusionieren?" Plötzlich stutzte Emmyth. Sein Blick flackerte und etwas wie Abscheu trat in seinen Blick. "Er ist doch kein Sklave dieses Hauses geworden?"
"Ich kenne ihn nicht", erwiderte Jivvin knapp, um diesen Zweifel auszuräumen und sofort wirkte der Sohn der Faelyn wieder entspannter. "Wir wollen keine Skandale schaffen, falls ein Verwanftschaft besteht", meinte er und nahm noch einen Schluck von seinem Tee.
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Re: Das Haus der Famlie van Tjenn

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Sonntag 15. Oktober 2023, 10:02

Vielleicht war es auch einfach ihre Naivität, die Madiha glauben machen ließ, dass sie ihre Antworten bekommen würde. Das Mädchen hatte sich von ihren Ketten befreit und musste nun lernen, als freier Mensch den Erwartungen, Werten und Normen ihrer Umwelt zu entsprechen. Sie hatte schon mitbekommen, dass so einige Köpfe glaubten, mehr wert als andere zu sein und hautnah erlebt, was Ablehnung bedeutete. Madiha aber dachte nicht so. In ihren Augen waren sie alle gleich, lebten alle das gleiche Leben und genau dieser Grundgedanke hatte dazu geführt, dass sie einfach nicht als Sklavin gebrochen werden wollte. Weil es nicht wahr war… Niemand durfte einen anderen erniedrigen, niemand durfte bestimmen, ob jemand gut oder schlecht war. Das Mädchen würde gewiss noch einiges lernen müssen in dieser Welt, doch das konnte ihr vermutlich keiner mehr nehmen. Sie glaubte an das Gute. An das Gute in jedem. Und ein wenig gab ihr der Erfolg recht: Jivvin hatte ihr zugehört, hatte ihr bereits mehr als einmal auf ihre Art zu verstehen gegeben, dass sie nicht dem Bild, das allgemein gezeichnet wurde, entsprach und so war sie unweigerlich Teil in Madiha’s Herzen geworden. Es mochte keine Freundschaft sein, es mochte keine Verbundenheit sein, aber Madiha mochte die Dunkelelfe und war ihr dankbar dafür, dass sie der Mutter van Tjenn half. Sie konnte die Gesten sehen, die die Elfe bewerkstelligte, um etwas Gutes für Estelle zu erreichen. Jeder auf seine eigene Art, aber war es denn an Madiha zu entscheiden, welche Art die richtige wäre? Mord und Gewalt waren gewiss nichts, was die Sarmaerin gutheißen konnte, aber Madiha war tatsächlich in der Lage zu erkennen, dass es für andere eben doch nötig war. Es mochte gewiss eine seltsame Draufsicht auf die Dinge sein und ganz ausgefeilt war sie eben auch nicht, aber Madiha lernte auch noch. Und so hörte sie auf ihr Gefühl, auf ihre innere Stimme, die sie zu leiten versuchte. Gleichwohl wie ihre Magie, die sie erst nur als Ballast empfunden hatte und schließlich endlich hatte annehmen können. Nun war sie für Madiha gar nicht mehr wegzudenken. Und auch dieser Schritt, in die für Madiha richtige Richtung, half der Wüstenblume, dass sie sich deutlich geerdeter und sicherer fühlte. Sie war auf einem guten Weg, das konnte sie spüren.
Und trotzdem, während alles sich verändert – zum Positiven für sie -, da vergaß sie ihre Umwelt nicht. Sie war mit Caleb zu dessen Familienhaus gegangen, damit er die Gelegenheit bekam nach Hause zurückzukehren. Und sie würde hier mit ihm leben, damit er sich ebenfalls auf dem richtigen Weg wiederfinden konnte. Madiha aber vergaß auch über ihre Liebe zu Caleb gewiss nicht ihren Freund: Corax. Auch er war Teil ihrer Gedanken, obwohl er ihr gleich zu Anfang wohl einen immensen Schrecken eingejagt hatte. Corax brauchte aber trotz seiner Fehltritte ihre Hilfe. Er brauchte ihre Schulter, um sich darauf abzustützen, wenn er den Halt verlor. Und Madiha war diese Stütze ganz automatisch. Weil sie ihre Umwelt nicht vergaß. So saß sie zwischen Jivvin und Emmyth und schaute letzteren an, während sie zu erzählen begann. Die Überraschung im Blick des Dunklen sagte ihr, dass er nicht wusste, dass er einen Verwandten haben könnte. Seine Erzählungen waren glaubhaft für Madiha. Gewiss gaukelte die Ähnlichkeit zu Corax, Madiha eine gewisse Vertrautheit vor, doch Emmyth entpuppte sich gleichwohl als… sympathisch. Sie konnte nicht leugnen, dass ihr Blick mehr als einmal, während er sprach, über sein Gesicht wanderte und sämtliche Nuancen dieses Mannes zu erfassen versuchte. Er wirkte nicht einschüchternd, ebenso, wie es Jivvin nicht wirklich tat.

Was auch immer Madiha dort leitete, sie vertraute darauf. Auch Emmyth war niemand, der wahllos um sich schlug. Vielleicht spielte auch er nur eine Rolle, so wie sie alle gerade? Der Gedanken verfestigte sich noch, als er von seiner Bewachung sprach. Madiha verstand so viel, dass er als einziger Erbe eines Hauses natürlich sehr wertvoll war. Abbas‘ Sohn war auch der einzige und als sein Vater gestorben war, hatte er alle Geschäfte und jegliches Vermögen übernommen. Nur nicht die Sklaven. "Du meinst, ich könnte einen Bruder haben? Er wäre dann älter als ich, nicht wahr? Wie alt?" Sie musterte den Mann vor sich und beobachtete, wie er nachdenklich zur Seite schaute. Madiha hatte keine Ahnung von dem Alter der Elfen und inwieweit er dann älter oder jünger sein könnte. Es war nicht ganz gleich zu erkennen, woran der Elf dachte, während er Caleb aufforderte, Tee nachzuschenken und sie den Blick des Diebes zu Jivvin bemerkte. Es war vermutlich überhaupt nicht leicht für Caleb, diese Rolle hinzunehmen, aber er tat es. Und Madiha lächelte leicht. Emmyth aber schwieg weiterhin. Bevor Madiha eingreifen konnte, war es Jivvin, die sich meldete. Ihre Worte waren harsch gewählt, sodass Madiha kurz die Stirn runzelte, doch es zeigte Wirkung auf den Elfen. "Natürlich habe ich nichts zu verbergen! Unsere Familie ist angesehen und weitaus ehrbarer als viele andere Häuser Morgerias.“ Auf einmal fühlte sich Madiha nicht mehr ganz so wohl zwischen den beiden Dunklen. Sie rückte etwas in den Hintergrund, während sie ihr Blickduell ausfochten.
"Ich gebe Euch Recht. Die Klingen der Dornentänzer sind blutig, aber wir rühmen uns nicht mehr Ehre ... sondern Diskretion. Was Ihr hier und jetzt erzählt, wird in diesem Raum bleiben. Notfalls schneide ich meiner Sklavenschaft die Zungen heraus." Madiha zuckte und warf Jivvin einen Blick zu. "Aber Corax dürften wir davon erzählen ... H-Herinn?" Das Graublau richtete sich auf Caleb, dann auf Jivvin und schließlich auf Emmyth. "Es geht schließlich um ihn. Ich würde ihn gern treffen, vielleicht auch meinem ... unserem Vater vorstellen, wenn tatsächlich etwas hinter der Annahme steckt. Also gut, ich erzähle." Ihr Herz hüpfte vor Freude und sie wartete gespannt, was Emmyth zu berichten wusste. "Ich bin nicht sicher, wie weit ich zurückgehen soll. Das Haus Faelyn entstammt altem, morgerianischem Adel. So alt, dass der ursprüngliche Name unserer Blutlinie verlorenging. Die Faszination für alles Feenhafte machte uns zu dem, der wir nun sind und sie drückt sich auch in meinem Werdegang aus. Ich erforsche das Feenhafte. Nun, ich habe es erforscht, bis mein Vater wünschte, dass ich etwas Sinnvolles mit meiner Zeit anfange, ehe ich alles erben werde, was er mir hinterlässt. So widme ich mich seit geraumer Zeit dem Tränkebrauen."
"Ihr seid fähig. Ich meine es ernst! Eure Gifte wirken schneller als andere. Ich werde darauf zurückkommen, Euch detaillierter danach zu fragen. Jetzt hat es keinen Platz im Gespräch. Erzählt weiter! Stillt die Neugier meiner Sklavin."


Madiha warf Jivvin erneut einen stummen Seitenblick zu. Gifte?! Vielleicht war sie doch etwas unheimlich. Emmyth lenkte Madiha ab: "Ich bin mir gar nicht so sicher, was ich noch berichten soll. Mein Vater hat nie von anderen Geschwistern gesprochen. Er zeigt sich aber ohnehin etwas wortkarg. Der Verlust meiner Mutter bei meiner Geburt ging ihm doch recht nahe. Er meidet familiäre Themen und ich habe nie den Anreiz verspürt, ihn danach zu fragen. Aber ich könnte es tun - wir könnten es tun." Nun aber wurde die junge Frau sichtlich nervös. Ausgerechnet Madiha sollte in das Haus der Dunkelelfen?! Sie war zwar naiv aber nicht so sehr zu glauben, dass sämtliche Elfen auch so vernünftig mit sich reden lassen würden, wie Emmyth oder Jivvin oder… Corax. Das Mädchen erwiderte den Blick aus roten Augen. "Ich könnte Euch ins Haus Faelyn mitnehmen. Euch und Euren Freund, diesen Corax. Vielleicht erhalte ich Gelegenheit, ihn vorab kennen zu lernen? Erzählt mir doch von ihm, wenn er schon nicht anwesend ist. Welchen Stand bekleidet er? Hat er ein eigenes Adelshaus gegründet? Könnten wir zu einer größeren Familienmacht fusionieren?" Bevor Madiha alles ruinieren konnte, stellte Emmyth eine Warnung auf: "Er ist doch kein Sklave dieses Hauses geworden?"
"Ich kenne ihn nicht"
"Wir wollen keine Skandale schaffen, falls eine Verwandtschaft besteht"

Das Mädchen schluckte und sah kurz hilfesuchend zu Caleb. Doch besprechen konnten sie sich nun nicht und Madiha wollte diese Gelegenheit einfach nicht entgehen lassen. Daher verschloss sie ihre Sorge hinter einer neutralen Maske. „Er ist kein Sklave dieses Hauses, werter Emmyth.“, sie räusperte sich. Das war schließlich genau das, was er fragte, nicht wahr? Madiha würde nicht näher darauf eingehen. „Ich muss Euch aber enttäuschen. Er hat selbst kein edles Haus gründen können, da er… nun, diejenigen, die ihn damals aus seinem Kinderbett entführten, waren nicht sehr freundlich zu ihm. Weit weg von allem, was einem ein gesundes Aufwachsen wohl ermöglichen würde. Ich hoffe, Ihr berücksichtig das, wenn Ihr aufeinandertrefft.“, bemerkte sie vorsichtig. Madiha aber ging noch einen Schritt weiter und wandte an, was sie in dunklen Schatten hatte beobachten können. „Er konnte Eure Vorzüge nicht so entwickeln, wie es sicherlich mit anderen Mittel möglich gewesen wäre. Aber er würde sich über eine Verwandtschaft – eine echte Verwandtschaft – gewiss freuen. Nach all den Jahren des Erleidens und der… Einsamkeit.“, fügte sie leise an. Madiha wollte gewitzt sein, Emmyth auf das, was eventuell kommen sollte, vorbereiten, aber sie war auch eine sehr ehrliche Haut. Und sie war vor allem nicht geübt im Ränkespielen. Trotz ihrer eigenen Vorbehalte und dem leicht unguten Gefühl in ihrer Magengegend, sah sie trotzdem wieder ‚nur‘ Corax und seine Chance auf etwas, das eventuell helfen könnte. Sie hoffte es inständig, denn alles, was sie wollte, war, ihm zu helfen. Hoffentlich verrannte sie sich nun nicht: „Ich wäre gerne bereit ein Treffen zu arrangieren, damit ihr einander kennenlernen könnt.“, bestätigte sie seinen Wunsch und lächelte sogar dabei. „Sagt mir nur, wann es Euch passt. Ich informiere dann Corax. Wobei ich zugeben muss, dass ich ihn wohl erstmal darauf vorbereiten muss. Er weiß schließlich nichts von Euch.“
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Re: Das Haus der Famlie van Tjenn

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 19. Oktober 2023, 11:46

Ein seltsames Bild musste das für Außenstehende abgeben. Da saß eine junge Sarmaerin auf einem grünen Sofa in Andunie, gesäumt von zwei Dunkelelfen, die aus rein optischer Sicht nicht unterschiedlicher hätten sein können. Die Frau - Jivvin von den Dornentänzern - hockte mit disziplinierter Geradlinigkeit neben ihr, beide Hände flach auf ihren Oberschenkeln abgelegt, aber in greifbarer Nähe zu einem Dolch an ihrem Gürtel. Ihr Blick, golden wie die Abendsonne, heftete sich auf die Personen zu ihrer linken. Er war so kalt, wie man es Dunkelelfen zutraute. Allein dadurch wies man ihnen wohl gern eine Skrupellosigkeit zu, die ihresgleichen suchte. Dass Jivvin ganz anders sein konnte, erkannte ein unbeteiligter Beobachter nicht. Dazu musste man die Elfe erst kennenlernen. Die Frau an ihrer Seite hatte das getan. Madiha wusste, dass Jivvin einen Balanceakt auf einem Hochseil vollzog, ohne dabei eine Stange zu halten. Ihr Wille und ihre Disziplin loteten beide Seiten aus, damit sie nicht herabstürzte. Dennoch blieb es ein Wagnis. Sie versuchte, so freundlich und zuvorkommend zu sein, wie es in ihren Kreisen möglich war, ohne einen Verdacht zu erregen. Nach außen hin blieb sie die kaltherzige Dunkelelfe, welche den einstigen Eigentümer des Hauses getötet und dann jegliche Konkurrenz in Form ihrer übrigen Familie ausgelöscht hatte, um sich hier etwas aufzubauen. Die einst morgerianische Gesellschaft blickte wachsam auf Jivvin herab, welche in ihrer kalten Dekadenz nicht nur gleich drei Sklaven ihr eigen nannte, sondern eine davon auch dann noch arbeiten ließ, obwohl sie ihr das Augenlicht genommen hatte. Sicherlich zwang sie den einzigen Mann ihres Besitzes dazu, regelmäßig das Bett mit ihr zu teilen, während sie der jungen Sarmaerin in ihren Reihen widerliche Narben verpasst hatte, um sie für ihren lüsternen Besitz unattraktiv zu machen. So würde man über Jivvin auf den Straßen sprechen und so würde sie das Bild nach außen hin tragen. Dass es gänzlich anders aussah, könnte jemand mit geduldigerer Sicht auf die Dinge durchaus erkennen. Denn Jivvin ließ die blinde Sklavin gar nicht wirklich schuften. Estelle van Tjenn, Witwe des ermordeten Hauseigentümers, saß im bequemsten Sessel des Raumes, schlürfte Tee und wirkte sogar recht gut gelaunt. Der männliche Sklave, ihr Sohn Caleb, warf der Dunkelelfe nicht halb so viele Blicke zu wie der dritten in seinem Kreise, die mittig auf dem Sofa hockte. Wenn er mit jemandem schlief, dann mit ihr! Und sie? Madihas Gesicht mochte von unschönen Narben geprägt sein, aber sie konnten unmöglich von Jivvin stammen, sofern die Dunkelelfe nicht schon vor Jahren Anspruch auf auf ihren Besitz erhoben hatte. Denn Madihas Narben waren alt, verhältnismäßig gut verheilt, auch wenn sie auf ewig ein Stigma auf ihrer Haut bilden würden.
Ein aufmerksamer Beobachter erkannte die Unterschiede und könnte vielleicht sogar die Maske sehen, die Jivvin nach außen hin trug, um den Schein zu wahren. Ob ihr Gast, Emmyth Faelyn, zu jenen Beobachtern zählte, ließ er nicht durchblicken. Er entsprach allerdings ebenso wenig dem Klischeebild eines Dunkelelfen auf Morgeria wie Jivvin, sobald sie ihre Maske ablegte. Sein Herz wirkte frei von Kälte. Stattdessen zeigte er sich offen, neugierig und charmant. Es war jedoch sein vertrautes Äußeres, das Madihas Zunge lockerte. Solange Emmyth nicht sprach und sie seine wohlbehüteten Gesichtszüge nicht zu intensiv studierte, so lange fühlte es sich fast an, als spräche sie zu ihrem Freund Corax. Dabei ging es doch um ihn und wäre er hier, hätte sie ihm das alles nicht erklären müssen. Dann säße er hier und wäre von Kindesbeinen an ein glücklicher Elf gewesen. Dann würde er Emmyths Platz eingenommen haben, fröhlich und freundlich sein, frei von Leid. Dann hätte Madiha ihn niemals kennen gelernt...
Es war das Vertraute, das diese Situation angenehm und gleichermaßen gefährlich machte. Sie saßen hier zusammen wie gesittete Personen, tranken Tee und plauschten. Aber sie alle spielten ihre Rolle. Caleb fiel es sichtlich schwer, den Sklaven zu mimen, doch er riss sich zusammen. Er wusste, worum es hier ging und sein Ego würde es verkraften, einem Dunkelelfen die Tasse mit einem Heißgetränk zu füllen. Auch Jivvin hielt an ihrem Außenbild fest, zuckerte es mit der bittersüßen Grausamkeit, die man vom dunklen Volk erwartete, so dass selbst Madiha kurz zusammenzuckte. Es war schwer aus ihren Worten herauszuhören, ob sie ihnen für einen Fehltritt nicht doch die Zungen herausschnitt. Sie erlaubte indessen, Corax in die Hintergründe einzuweihen, immerhin ging es um ihn. Und auch Jivvin schien mindestens genauso neugierig zu sein, Emmyths Bruder kennen zu lernen. Jener berichtete nun vom Hause Faelyn und welche Rolle er im Haushalt einnahm. Er war der einzige Erbe. Es würde keine weiteren geben, sodern der Vater nicht erneut heiratete und aus der Ehe weitere Kinder entsprangen. Corax' und Emmyths Mutter war bei der Geburt des Jüngeren verstorben. Der Rabe würde niemals eine Mutter haben. Dafür war es zu spät. Aber mit etwas Glück könnte er einen Vater und einen Bruder bekommen.
Emmyth lud Madiha direkt dazu ein, der Familienzusammenkunft beizuwohnen. Warum auch nicht? Sie hatte das Ganze hier in die Wege geleitet. Es wäre reichlich seltsam, würde man sie nun nicht bis zum Ende der Reise mitnehmen. Ebenso merkwürdig erschien es, wenn man Corax nicht auch langsam involvierte. Das sah sie schnell ein. Aber sie musste vorsichtig sein und auch ihre Worte klug wählen. Schnell filterte sich heraus, dass Emmyth in Corax bereits einen erfolgreichen älteren Bruder sah. Er erkundigte sich, ob jener nicht auch ein haus gegründet hatte und man die Familien fusionieren könnte, um größere Macht aus diesem Bündnis zu schöpfen. Nur kurz kam ihm der Gedanke, dass Corax auch in Sklavschaft hätte fallen können. Seine Reaktion darauf machte klar, dass er ihn dann nicht anerkennen würde. Sklaven waren niedere Wesen, das durfte Madiha in ihrer Rolle nicht vergessen. Sie galt gerade als Sklavin. Emmyth zeigte sich mehr als zuvorkommend, überhaupt mit ihr zu sprechen und sie anzuhören. Er tat es, weil es ihm Informationen einbrachte und auf lange Sicht hinaus sogar den Zugang zu einem möglichen Blutsverwandten. Bei aller Sympathie schimmerte doch etwas Morgerianisches hindurch und das duldete keinen Skandal in Form eines Sklaven als möglichen Bruder.
Madiha wählte ihre Worte sorgfältig. "Er ist kein Sklave dieses Hauses, werter Emmyth."
Der Dunkelelf nickte und schien über die Antwort zufrieden zu sein. Doch während er einen weiteren Schluck Tee aus der Tasse nahm, verharrte er plötzlich in der Bewegung. Madiha schickte eine Erklärung nach, die ihm offensichtlich nicht wirklich gefiel. Sie erinnerte ihn daran, dass Corax nur deshalb nicht Teil des Hauses Faelyn war, weil man ihn aus dem Kinderbett entführt hatte. Sie ging darauf ein, dass sein Leben nicht wohlbehütet und von Reichtum geprägt stattgefunden hatte und sie bat Emmyth, dies zu berücksichtigen.
"Jahre in Leid und Einsamkeit", wiederholte der Dunkelelf, als sein Gegenüber geendet hatte. Er setzte die Tasse ab, räusperte sich. Dann schwieg er, um seine Gedanken zu ordnen. Jivvin beobachtete ihn und auch Caleb ließ ihn nicht aus den Augen. Estelle hingegen war in den Sessel zurückgesunken. Der Morgen hatte bereits für reichlich Aufregung gesorgt und die alte Frau Energie gekostet. Sie schlief offenbar. Niemand nahm Notiz davon. Alle Aufmerksamkeit hing nun auf Emmyth aus dem Hause Faelyn.
"Ich möchte meinen potenziellen Bruder kennenlernen", entschied der Elf schließlich.
"Ich wäre gerne bereit, ein Treffen zu arrangieren, damit ihr einander kennenlernen könnt. Sagt mir nur, wann es Euch passt. Ich informiere dann Corax. Wobei ich zugeben muss, dass ich ihn wohl erstmal darauf vorbereiten muss. Er weiß schließlich nichts von Euch."
"Es besteht also noch immer die Gefahr, dass er einem Treffen nicht zustimmt", schlussfolgerte Emmyth und nickte für sich. "Nun, ich gewähre ihm etwas Bedenkzeit. Ohnehin möchte ich ihn vorab treffen, bevor ich ihn in unser andunisches Anwesen führe. Ein Leben, das aus Leid und Einsamkeit bestand, kann an den Sitten kratzen. Ich werde meinem Vater keinen Rüpel präsentieren. Sollte er nicht vorzeigbar sein ... wird es keine Blutsverwandtschaft geben." Seine letzten Worte tränkten sich in Eiseskälte.
Jivvin sprach das Offensichtliche an: "Ihr wollte ihn dann auslöschen lassen, Emmyth? Benötigt das Haus Faelyn hierfür eine fähige Assassinin?"
Sowohl Emmyth als auch Caleb blickten zu der Dunkelelfe hinüber. Ja, so stellte man sich morgerianische Gespräche vor! Statt die Möglichkeit zu feiern, einen Bruder zu haben, beratschlagte man, wie man ihn im Falle eines noch so kleinen Skandals lieber schnell aus dem Weg räumte. Doch Emmyth überraschte. Er lachte auf und winkte ab. "Nicht doch!", rief er aus. "Haltet Ihr mich für einen Mörder?"
"Nicht, wenn Ihr die Arbeit auf fähige Personen abwälzt", entgegnete Jivvin und reckte ihr Kinn etwas. Emmyth aber schmunzelte nur, schüttelte erneut den Kopf. "So habe ich es nicht gemeint", sagte er. "Ich muss leider angesichts meines Vaters und dass ich sein einziger Erbe bin auf seinen Ruf, auf den Ruf des Hauses Faelyn, achten. Wir können es uns nicht erlauben, einen verschollenen Sohn öffentlich anzuerkennen, wenn er ein Rüpel, Strauchdieb oder Schlimmeres ist."
Caleb schnaubte aus: "Manche sogenannten Strauchdiebe genießen eine legendäre Stellung", murmelte er. Emmyth blickte zu ihm herüber, musterte ihn eine Weile, kommentierte es jedoch nicht. Er wandte sich stattdessen erneut an Jivvin und Madiha. "Der Ruf eines Hauses ist das höchste Gut in Morgeria." Die Dunkelelfe nickte. Beide verstanden die morgerianische Gesellschaft, welche sich auch auf Andunie ausbreitete. "Aber ich möchte noch einmal betonen, dass ich mich nicht ... endgültiger Maßnahmen bediene. Sollte dieser Corax nicht ins Bild eines vorzeigbaren Bruders passen, werden alle Verbindungen zum Haus Faelyn gekappt werden. Das heißt nicht zwangsläufig, dass ich sein Leben beenden lasse. Vielmehr wird er unwiderbringlich aus dem Stammbamm gestrichen." Emmyth Lider senkten sich, dass er erstmals eine Verschlagenheit an den Tag legte, die jedem Dunkelelfen gut zu Gesicht stand. "Er würde frei von allen Privilegien aber auch Pflichten eines dunkelelfischen Haushalts sein Leben führen dürfen. Freiheit - etwas, das du wohl niemals kennen lernen wirst, Madiha." Dann klatschte er in die Hände. "Wir sollten uns daher nicht mit dir Unbekanntem aufhalten. Arrangiere ein Treffen, so bald als möglich. Verehrteste Jivvin, würdet Ihr mir eine Nachricht ins Anwesen zukommen lassen? Zeit und Ort sind mir gleich."
Jivvin nickte zwar Emmyth zu, bedachte Madiha aber auch mit einem Blick. Sie sprach es nicht vor dem Gast aus, aber dass die Sarmaerin in dieser Hinsicht jegliche Entscheidungsgewalt besäße, räumte ihre falsche Herrin ihr stillschweigend ein. Wahrscheinlich war Madiha weitaus freier als Emmyth. Sie band nichts und niemand!
Als der Dunkelelf erneut die Tasse schwenkte, schenkte Caleb nach kurzem Zögern nach.
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Re: Das Haus der Famlie van Tjenn

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Sonntag 22. Oktober 2023, 22:59

Diese zwiegespaltene Situation, die sich innerhalb des Salons etablierte, hätte gewiss für mehr Anspannung sorgen können, wenn Madiha darum gewusst hätte. Natürlich war ihr sehr wohl bewusst, das einige Leute gleich und andere gleicher gestellt waren, doch darüber hinaus lebte sie gerade ihre erste Freiheit. Und dies führte dazu, dass sie sich sehr offen und beinahe schon unverschämt wohlfühlte. Sie hätte die perfekte Sklavin nicht mal spielen müssen, wenn Jivvin es darauf angelegt hätte. Aber sie war keine mehr. Das hätte gewiss Probleme mit sich gebracht und würde es noch immer, wenn Emmyth die Wahrheit erführe. So allerdings, glaubte der reiche Spross, dass er sich im Haus der Dunkelelfe befand und unter ihrer Dienerschaft saß. Madiha aber spielte nichts vor. Ihr ohnehin zurückhaltendes Gemüt brachte hier die rechten Töne zum Klingen, sodass nicht nur sie sich halbwegs wohlfühlte, sondern auch Emmyth selbst. Er erzählte freiheraus, beantwortete ihre Fragen und Madiha spürte, was das mit ihr machte. Sie wurde mit jedem ausgetauschten Wort sicherer und vertraute sich selbst mehr und mehr. Am Anfang hatte sie noch Caleb hin und wieder Blicke zugeworfen, doch irgendwann lief das Gespräch halbwegs von allein. Dass Madiha tatsächlich einfach nur Gutes im Sinn hatte, machte es der Sarmaerin einfacher. Zudem besaß wohl die einstige Sklavin keinen Blick für Standesdünkel. Selbst nach Jivvin’s Offenbarung hatte sie nicht aufgehört, sich normal mit ihr zu unterhalten. Und was war darauf gefolgt? Keine Folter, keine Ermahnung. Jivvin hatte sich sogar recht offen gezeigt und Madiha einen Einblick gewährt, der ihr jetzt half, den richtigen Ton beizubehalten. Gleiches tat sie mit Emmyth. Auch wenn er aussah und sprach wie Corax- sie wusste dennoch, dass er es nicht war. Und sie war empathisch genug zu erkennen, dass Emmyth selbst noch Gedanken zu diesen Neuigkeiten haben musste. Sie beobachtete ihn, während er sprach und Informationen erhielt oder weitergab. Nicht immer konnte er den Wahrheitsgehalt seiner Gefühle verbergen. Auch wenn Madiha noch nicht genau wusste, was das alles bedeuten würde, so registrierte sie es und speicherte es ab. Sie blieb so aufmerksam, wie es ihr möglich war. Auch deshalb formulierte sie ihre Antwort bezüglich Corax‘ Werdegang so schwammig. Und fühlte sich gleichwohl bemüßigt, Emmyth darauf vorzubereiten, dass er durchaus enttäuscht sein könnte. "Jahre in Leid und Einsamkeit.“, hörte sie ihn sagen und nickte leicht. Es war ein heikler Moment und Madiha spürte eine gewisse Aufregung in sich aufkommen. Nervös nestelte sie ein wenig an ihren Fingern, bevor er endlich wieder sprach: "Ich möchte meinen potenziellen Bruder kennenlernen" Das Mädchen lächelte erleichtert und nickte abermals. Sie bestätigte, dass sie ein Treffen einfädeln würde, sofern Corax überhaupt wollen würde. "Es besteht also noch immer die Gefahr, dass er einem Treffen nicht zustimmt. Nun, ich gewähre ihm etwas Bedenkzeit. Ohnehin möchte ich ihn vorab treffen, bevor ich ihn in unser andunisches Anwesen führe. Ein Leben, das aus Leid und Einsamkeit bestand, kann an den Sitten kratzen. Ich werde meinem Vater keinen Rüpel präsentieren. Sollte er nicht vorzeigbar sein ... wird es keine Blutsverwandtschaft geben." Madiha klappte der Mund auf, damit sie gleich etwas erwidern konnte, doch Jivvin kam ihr zuvor: "Ihr wollte ihn dann auslöschen lassen, Emmyth? Benötigt das Haus Faelyn hierfür eine fähige Assassinin?" Erneut ruckte der dunkle Schopf der Sarmaerin in die Richtung der Dunklen. Dieses Mal aber blitzten die Augen Madiha’s auf. Sie würde es gewiss nicht zulassen, dass Jivvin Corax ein Haar krümmen würde. Auch wenn sie nicht mal wusste, wie sie die Elfe daran hätte hindern wollen. Ihr Blick glitt zu Caleb. Auch er wirkte alarmiert. Madiha fragte sich, ob das der Alltag eines Dunkelelfen sein mochte. Solche Gespräche und Pragmatismus, der über das Leben anderer entschied. Ihr wurde ein wenig übel und kurz drohte ihre Laune zu kippen. "Haltet Ihr mich für einen Mörder?"
"Nicht, wenn Ihr die Arbeit auf fähige Personen abwälzt."


Madiha’s Gesicht wurde erneut von Schatten besucht. Sie konnte kaum an sich halten, während es hier um ihren Freund ging! Das war gewiss nicht das Ziel der ehemaligen Sklavin. Und wenn sich das nun so entwickelte, würde sie auf der Stelle das Gespräch beenden. "So habe ich es nicht gemeint“, hörte sie Emmyth von der Seite einlenken. Das Mädchen atmete erleichtert aus und zeigte gewiss auch ihre Gefühle diesbezüglich ehrlich zur Schau. Corax einer solchen Gefahr auszusetzen, für etwas, das er nicht zu verantworten hatte, das käme für Madiha nicht in Frage. Sie hätte hier und jetzt das Gespräch für beendet erklärt und es wäre ihr egal gewesen, ob sie damit die Tarnung auffliegen ließ. Sie tat das ohnehin nur für Corax. Naja… und für Estelle… und Caleb… und… Ihr Blick flatterte zu Jivvin. Hier wusste sie nicht, ob sie Jivvin aktiv einen Gefallen damit tun wollte, dass sie ihre Rolle beibehielt. Irgendwie schon, aber wenn sie tatsächlich anbot, für Emmyth einen Mord auszuführen, dann wäre Madiha die längste Zeit wohlwollend gewesen. "Ich muss leider angesichts meines Vaters und dass ich sein einziger Erbe bin auf seinen Ruf, auf den Ruf des Hauses Faelyn, achten. Wir können es uns nicht erlauben, einen verschollenen Sohn öffentlich anzuerkennen, wenn er ein Rüpel, Strauchdieb oder Schlimmeres ist." "Manche sogenannten Strauchdiebe genießen eine legendäre Stellung" Madiha blickte zu Caleb und hob die Augenbrauen an. Ihr Blick funkelte in seine Richtung, weil sie ihn dafür liebte, dass er eben solche Dinge selbst in heiklen Situationen einwarf. Sie lächelte ihm zu und kehrte danach zu Emmyth zurück. An ihm hing es nun. „Ich bin mir sicher, dass Corax heil froh über eine Familie sein wird. Aber ich bin mir ebenso sicher, dass es eine Zeit brauchen wird, bis er sich zurechtfindet. Wenn… Wenn eure Familie die Zeit aufbringen wollte, dann könnte daraus gewiss auch etwas… Positives entstehen.“, bemerkte sie und hoffte, ein wenig die Wogen im Vorfeld zu glätten. Allerdings stutzte sie auch ein wenig. Das würde bedeuten, dass Corax in der Welt der Dunkelelfen und… ja, eben auch der Aggressoren zu Hause wäre. Ob das erstrebenswert war? Nun, es war sein Fleisch und Blut, wenn Madiha sich nicht irrte. Da wäre es seine Entscheidung, was er mit dieser Wendung anfangen wollte.
Madiha hatte gewiss nicht das Recht sich da ein Urteil zu erlauben. Was würde sie tun, wenn man ihr plötzlich sagen würde, dass ihr Vater noch lebte und… was auch immer wäre oder gar einem anderen Volk angehörte? Sie verwarf den Gedanken. Das war fern jeder Realität und jetzt ging es um Corax. Er sollte wählen. Ob ihrer Gedanken, hatte sie nur mit einem halben Ohr zugehört. "Er würde frei von allen Privilegien aber auch Pflichten eines dunkelelfischen Haushalts sein Leben führen dürfen. Freiheit - etwas, das du wohl niemals kennen lernen wirst, Madiha." Jetzt aber stutzte sie und hob den Blick in das Gesicht des Elfen. Ihre Stirn zog sich zusammen und sie ballte eine Hand zu einer Faust. Kurz flammte der Trotz auf, der sich stets melden wollte, wenn ihr etwas nicht recht passte, doch Madiha hatte sich eben erst daran erinnert, worum es hier ging. Gewiss nicht um sie. Also öffnete sie die Hand wieder, schlug formvollendet die Augen nieder und neigte den Kopf. Sie war die Sklavin. "Wir sollten uns daher nicht mit dir Unbekanntem aufhalten. Arrangiere ein Treffen, so bald als möglich. Verehrteste Jivvin, würdet Ihr mir eine Nachricht ins Anwesen zukommen lassen? Zeit und Ort sind mir gleich." Das Mädchen nickte abermals. „Natürlich, ich werde mich beeilen, damit die Zeit nicht lang wird.“, versprach sie dem Elfen und sah zu Jivvin, die ihr stumme Entscheidungsgewalt bescheinigte. Als Sklavin war es wichtig, die Order des Herrn oder der Herrin zu verstehen, auch ohne gesprochene Worte. Madiha konnte das mühelos. „Ich mache mich gleich nach Eurem Aufbruch daran, Corax vorzubereiten!“, versprach sie ebenfalls und erhob sich dann. Sie würde parat stehen, falls Emmyth aufbrechen wollte und soweit es ihre vorgespielten Pflichten verlangen würden, auch helfen. Erst wenn Emmyth das Haus der van Tjenn wieder verlassen hätte, würde sie tief ausatmen. Die Anspannung war ihr anzumerken, und doch lächelte sie glücklich über ihren kleinen Erfolg. Madiha blickte in die Richtung von den anderen. Caleb und Jivvin hatten Emmyth gewiss mit zur Tür begleitet. Ihr Blick aber blieb für einen Moment an Jivvin hängen. "Danke.", meinte sie schlicht. Allerdings war es wohl eben jene Schlichtheit, die dem ganzen die Tiefe verlieh. Sie meinte es so und war ehrlich dankbar. Dann fanden ihre Augen aber Caleb und ein Grinsen schlich sich auf ihre Züge. "Hast du gesehen, wie ähnlich sie sich sehen?", wollte sie aufgeregt und gleichwohl euphorisch wissen. "Meinst du, Corax würde sich darüber freuen?", wollte sie mit ihm ihre eigene Freude teilen. Vielleicht war sie auch ein wenig besonders aufgeregt, weil es etwas mit Madiha machte zu wissen, dass es da zumindest einen Vater geben könnte, der suf Corax warten könnte. Das Mädchen strahlte dem Dieb entgegen und wartete auf seine Reaktion. Dann wirkte sie voller Tatendrang. Sie sah sich um und ihr Blick fiel auf die Einrichtung. Hier und dort waren die Spuren der Übernahme deutlich. Erneut blitzten Madiha’s Augen auf. "Ich will hier aufräumen.", ließ sie verlauten und lächelte abermals breit. "Lasst uns dein..", sie zögerte kurz und sah zu Jivvin, ehe sie wieder zurückblickte "das Haus wieder gemütlich herrichten. Familie ist kostbar..." schloss sie und sah abwartend in die Runde. Emmyth's Besuch war für Madiha noch mal auf ganz anderer Ebene beflügelnd gewesen.
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Re: Das Haus der Famlie van Tjenn

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 25. Oktober 2023, 15:41

Madiha befand sich in ihrem Element. Auch wenn sie wusste, dass das Sklavenleben hinter ihr lag, so war selbst das Vortäuschen ein derart vertrautes Feld für sie, dass nicht eine Spur Nervosität bei ihr aufkam. Sie musste sich im Grunde nicht vor Emmyth verstellen, um zu überzeugen. Caleb fiel es da deutlich schwerer, den gehorsamen Leibeigenen zu spielen. Er war niemals Sklave gewesen. Nicht einmal Sarma hatte ihn in diese Position treiben können. Als Mann hatte es man auf dieser Ebene wohl auch um einiges leichter. Doch Caleb besaß einen starken Willen, der es von vornherein nicht zugelassen hatte, sich in diese Richtung zu entwickeln. Da war ihm der Pfad eines Kriminellen doch attraktiver gewesen und er konnte selbst jetzt nicht ganz aus seiner Haut. So misslang es ihm, sich den Kommentar zu verkneifen, dass selbst unter Strauchdieben und Halsabschneidern wahre Legenden existierten. Nein, er war kein Sklave und würde es niemals sein.
Zum Glück fiel Emmyth nichts Verdächtiges auf. Er konzentrierte sich zum einen zu sehr auf Madiha und ihr Gespräch, zum anderen tanzte auch er auf einem Drahtseil. Es kam nämlich immer wieder vor, dass Jivvin sich einmischte oder ihrerseits einen Kommentar abließ. Als Hausherrin konnte man sie im Gegensatz zu ihrer Sklavschaft nicht einfach ignorieren. Das gesamte Gespräch nahm allerdings keine allzu brenzligen Pfade. Hin und wieder schwenkte es aus, kehrte aber auf den Hauptweg zurück und so gelang es Madiha nicht nur, Emmyth davon zu überzeugen, dass er einen möglichen Verwandten haben könnte, sondern sie erhielt von ihm auch den Auftrag ein Treffen zu arrangieren. Zunächst sollte dies nur zwischen den mutmaßlichen Brüdern stattfinden. Aber es existierte auch noch ein Vater, der jedoch zunächst vor einem möglichen Skandal bewahrt bleiben sollte. Eines nach dem anderen. Das musste Madiha akzeptieren, doch sie war Feuer und Flamme für das Resultat. Gewiss würde auch Corax sich freuen können. Ein Bruder und einen Vater, das wäre mehr Familie als er sein ganzes Leben bisher gehabt hatte. Wie alt mochte der Rabe eigentlich sein? Madiha hatte inzwischen genug Einblicke erhalten und Corax ihr mitgeteilt, dass er Jahrzehnte damit verbracht hatte, seinem Schicksal zu entkommen und das Beste aus seinem Leben zu machen. Jahrzehnte ... so wie er es vorgetragen hatte, waren es mehr als an einer Hand abzuzählen. Außerdem lebten Elfen sehr lang und sahen noch jung aus, wenn Menschen bereits kaum mehr ein Bein aus dem Bett hieven konnten. Allein die Vorstellung, ein Menschenleben immer in Einsamkeit und ohne Liebe verbracht haben zu müssen, stattdessen gebeutelt von unheimlichen Wesen, die sich einen Spaß aus deinem Leidensweg machten und alles dafür taten, dass es nicht endete ... Corax hatte verdient, einen Bruder zu haben. Er hatte es verdient, einen Vater zu haben. Er hatte verdient, beide sehen zu dürfen. Madiha würde es ihm ermöglichen.
Nachdem sie - ganz die gehorsame Sklavin - Emmyth vom Salon zurück bis zur Tür geführt hatte, wo er sich einen langen, schwarzen Mantel anzog und einen edel wirkenden Gehstock in die Armbeuge klemmte, ehe er sich verabschiedete, schloss sie die Tür und atmete durch. Es war geschafft! Nun musste sie nur noch Corax informieren. Dann könnte sie beide Elfen zusammenführen.
Sie wandte sich um, um zu den anderen zu schauen. Caleb war ihr natürlich sofort gefolgt, aber auch Jivvin hatte es in die Eingangshalle gezogen. Lediglich Estelle fehlte. Die alte Dame schlummerte wohl noch immer selig in ihrem Lieblingssessel im Salon. Ihr Sohn trat sofort an Madiha heran, die Augen weit aufgerissen, aber ebenso weit war auch sein Grinsen. Madiha konnte es ihm vom Gesicht ablesen, was er dachte.
"Hast du gesehen, wie ähnlich sie sich sehen?"
Caleb nickte eifrig. "Ähnlich? Das war ein vollwertiges Ebenbild von Corax in ... in ... pompös und furchtbar durch die Mangel der Etikette genommen. Was für ein schmierig höflicher Geck. Ich musste mich zurückhalten, als er so herabfällig dir gegenüber gesprochen hat und..." Caleb verstummte. Er blickte über die Schulter zurück zu Jivvin. Er musterte die Dunkelelfe schweigend. Sie verschränkte die Arme, lehnte sich gegen das Geländer der Treppe, welche nach oben zu den Schlafräumen führte. Ihr Blick schimmerte in unbeeindrucktem Gold.
"Das Haus der Dornentänzer besteht aus Assassinen?", fragte der Wüstendieb direkt. Er hielt sich nicht mehr damit auf, um den heißen Brei herumzureden. Genug Geplänkel, das konnten Adlige wie Emmyth Faelyn machen. Caleb stand es nicht zu Gesicht. Er war schon immer frei heraus. Glücklicherweise sah Jivvin weder in ihm noch in seiner Art ein Problem. Sie hob nicht einmal die Schultern an, sondern antwortete ihm sogar: "Aktuell ja, denn ich bin das letzte verbliebene Mitglied. Alle anderen Berufe gingen mit meiner Familie unter." Jener Familie, die sie auf dem Gewissen hatte. Offenbar besaß Jivvin das nicht einmal. Andererseits hatte sie nicht gezögert, Estelle zu rächen und kümmerte sich auf ihre Weise nun um sie. Die Dunkelelfe räusperte sich plötzlich und stieß sich galant vom Geländer ab. Sie betrachtete Caleb und Madiha lang.
"Damit das klar ist", begann sie und ihre Worte durchschnitten die Luft, "ihr seid keine Sklaven." Dann wandte sie sich ab. Sie kehrte Richtung Salon zurück. Entweder wollte sie den Rest des Tees genießen oder Zeit mit Estelle verbringen, ganz gleich, ob die andere schlief. Sie schenkte Madiha und Caleb allerdings vollkommene Freiheit über ihr weiteres Vorgehen. Das allein reichte aus, dass ihre Bemerkung nicht nötig gewesen wäre. Das Bild des Sklaven auf beide galt nur nach außen. Jivvin blieb ihnen gegenüber gerechter als vermutlich jede andere Dunkelelfe in Andunie.
"Ich will hier aufräumen", verkündete Madiha und wandte sich somit nur noch an Caleb. Er stand noch immer im Raum, sah jetzt zu ihr herüber und hob die Brauen überrascht an. "Hast du nicht gehört? Wir sind keine Sklaven, dann sollten wir auch keine Sklavenarbeiten verrichten", grinste er keck auf. Ihm war jede Ausrede recht, langweiligen Pflichten entkommen zu können.
"Lasst uns dein ... das Haus wieder gemütlich herrichten. Familie ist kostbar..." Damit traf Madiha einen Nerv bei ihm. Caleb seufzte ergeben und schon ging es los. Beide wurden in der Küche schnell fündig, was die nötigen Materialien anging, um einen ordentlichen Hausputz in die Tat umzusetzen. Nach einer Weile aber stellte sich heraus, dass es nur noch Madiha war, die wirklich wischte, schrubbte und Schmutz entfernte. Sie kümmerte sich vor allem um den Blutfleck in der Eingangshalle. Leider musste sie feststellen, dass jenen offenbar niemand für Wochen angerührt hatte. Estelle hatte es nicht gekonnt. Sie war blind. Jivvin hatte es nicht getan, denn es hatte Wichtigeres gegeben. Nun war das Blut tief in das Holz gesickert, dort getrocknet und ließ sich nicht mehr gänzlich entfernen. Ein dunkler Schatten des Flecks blieb zurück. Madiha konnte tun, was sie wollte, dieses Zeichen würde den Boden nicht mehr verlassen. Da half es nur, den Teppich neu zu positinieren. Als sie es versuchte, kehrte Caleb auch zu ihr zurück. Er hatte sich wirklich wieder um das Saubermachen drücken können, war seinerseits jedoch nicht untätig geblieben. Statt zu Wischen hatte er das eingeschlagene Fenster von den verrammelten Brettenr befreit und repariert. Er war sogar zu einem ihm bekannten Glasbläser aufgebrochen, um ein neues Glas in Auftrag zu geben. Natürlich in Jivvins Namen, Bezahlung gäbe es später. Caleb hatte Glück, dass der Glasbläser noch am Leben war und seiner Profession nachgehen konnte. Jetzt zierte das Fenster nur ein flaches Brett und dahinter der zugezogene Vorhang, damit es das Bild des Raumes nicht verschandelte, bis sich jemand der Reparatur annahm. Caleb hatte Jivvin informiert und die Elfe nicht einmal den Mund verzogen. Sie hatte lediglich genickt, auch als er den Preis nannte.
Jetzt war der Dieb wieder im Hausflur angekommen. Inzwischen war der frühe Nachmittag angebrochen. Madiha hatte wahrlich lange gearbeitet. Dafür war das Haus nun so weit instand, dass man sich darin wieder wohlfühlen konnte.
"Lass mich dir mit dem Teppich helfen", bot ihr liebster Dieb an und ging ihr dann zur Hand. Während sie ihn über dem verblichenen Blutfleck neu aurichteten, raunte Caleb plötzlich: "Du sagtest, Familie ist kostbar. Dem stimme ich zu. Meinst du nicht, wir sollten die Kostbarkeit von ... Corax' möglicher Familie mal in Augenschein nehmen?" Er dämpfte die Stimme etwas und schaute verstohlen wieder zum Salon. Seine Mutter befand sich längst nicht mehr dort. Nachdem sie erwacht war, hatte Jivvin sie nach oben begleitet, wo Estelle nun den Tag damit verbracht hatte, von der Elfe etwas vorgelesen zu bekommen und jetzt wieder schlief. Die Hausherrin hatte es zurück in den Salon gezogen. Caleb schaute in diese Richtung, aber alles wirkte ruhig. Verstohlen rückte er zu Madiha auf und wisperte ihr zu: "Bist du schon einmal in fremder Leute Häuser eingedrungen? In Andunie gibt's durch das Fachwerk wesentich mehr Klettermöglichkeiten. Dafür sind die Dächer nicht flach, was eine Flucht brenzliger machen könnte, aber ... mit dem richtigen Werkzeug ... das Haus Faelyn sollte doch schnell zu finden sein. Was meinst du? Wir können Corax ja nicht einfach so in die Höhle des Leoniden schicken und ihn fressen lassen. Wir sollten ein Auge auf unseren Freund haben und vorab die Sicherheit des Hauses überprüfen. Schauen, ob es sich lohnt, dort Sohn zu werden." Ganz klar, Caleb wollte sich auch einen Blick auf die Reichtümer des Dunkelelfenadels verschaffen. Selbst jetzt, da es nicht nötig wäre, dass er diesen kriminellen Handlungen nachging, reagierte der Dieb, der er im Herzen schon immer gewesen war. Und sei es nur das Abenteuer, das er hier witterte.
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Re: Das Haus der Famlie van Tjenn

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Montag 30. Oktober 2023, 13:31

Madiha war euphorisiert von ihrem Erfolg. Sie fühlte sich belebt, aufgeregt und gleichzeitig wich die Nervosität von ihr, während sie in die Gesichter von Caleb und Jivvin blickte. Dabei strahlten ihre Augen mit einem Glanz der Vorfreude und gaben ihr einen seltenen Ausdruck. Meist war sie ernst und zurückhaltend, doch nun schien sie alles erleben zu wollen und davon kaum genug zu bekommen. Madiha gefiel die Idee, dass der einsame Sklave endlich seinen Weg fand und schlussendlich am Ende eine Familie erwarten durfte. Jetzt musste sie nur noch hoffen, dass jene Familie auch etwas Gutes darstellen würde. Sie ahnte, dass Corax eventuell auch Schwierigkeiten haben könnte, plötzlich diese Neuigkeiten verarbeiten zu müssen. Doch das sollte ihre Stimmung nun nicht trüben. Madiha war voller Tatendrang und wollte diesen auch ausleben. Was bot sich da besser an als das Haus ein wenig auf Vordermann zu bringen? Seit der Übernahme durch die Dunklen hatte sich hier nichts mehr getan, bis auf das Nötigste. Es fehlte der Hausstand und dennoch wollte Madiha sich ein wenig einbringen. Nachdem Jivvin einen typischen Abgang hinlegte, runzelte das Mädchen kurz die Stirn. Sie hätte durchaus helfen können, aber schon der nächste Satz von Caleb zeigte ihr, dass manche eben tatsächlich dachten, sie wäre für gewisse Arbeiten zu schade. Das Mädchen musterte Caleb und verschränkte die Arme. „Aber es ist dein zu Hause!“, intervenierte sie und sah an die Stelle, an der Jivvin verschwand. „Dein zu Hause und ihre Wohnstätte. Da kann man doch ein bisschen anpacken!“, tadelte sie und öffnete ihre Arme wieder. Madiha appellierte an seinem Familiensinn und grinste auf, als er doch noch klein beigab. Gemeinsam suchte sie mit ihm einige Utensilien heraus, die ihr bei ihrem Vorhaben helfen würden, bevor sie sich ans Werk machte.
Madiha zeigte, dass das Leben als Sklavin nicht nur Schlechtes hervorgebracht hatte. Sie hatte gelernt, wie man saubermachte, wie man gewisse Flecken mit gewissen Mitteln reinigte und wie man Teppiche klopfte. Und in Sarma gab es immens viele Teppiche… Madiha erwies sich als zügig in ihrem Tun und schaffte es mit Struktur und Gründlichkeit, dass sich zumindest die kaputten Dinge aus dem Gesamtbild verabschiedet hatten und der Staub hier und dort nicht mehr war. Auch hatte sie Schutt oder anderen Dreck beiseitegeschafft und die Eingangshalle glänzte in einem neuen Aussehen. Sie hatte sogar eine der Pflanzentöpfe aus der Küche gemopst und jenen auf einen kleinen, verzierten Schrank gestellt, um dem ganzen Ambiente etwas Gemütliches zu verleihen. Erst dann fiel ihr Blick auf den Blutfleck. Sie seufzte, rückte mit allem an, was sie kannte und wusste, doch er blieb vorhanden. Sie schaffte es nicht, den Fleck wegzubekommen, denn das Holz der Dielen hatte dieses Mahnmal für alle Zeiten konserviert. Das Mädchen schnalzte mit der Zunge und sah sich um. Ihr Blick fiel auf den Teppich, den sie auch um den Blutfleck verrücken konnte und griff bereits nach den Enden. Sie zog und zerrte, doch das schwere Ding wollte sich nur mühsam bewegen lassen.

Madiha schnaufte und setzte gerade neu an, da entdeckte sie Caleb. „Wo warst du?“, fragte sie gleich, nicht ohne etwas tadelnd zu klingen. Ihr war natürlich aufgefallen, dass er sich recht früh aus dem Staub gemacht hatte. Er erzählte ihr jedoch, dass er sich um die Fenster und das neue Glas bemüht hatte und das besänftigte Madiha wieder. Sie hatte wirklich schnell und effizient den halben Tag verbracht, um das Haus der van Tjenn wieder halbwegs herzurichten. Nun sah sie auf eine passable Arbeit zurück und brauchte nur noch den Teppich an einem anderen Ort. "Lass mich dir mit dem Teppich helfen.“, sie nickte und lächelte, als sie es gemeinsam leichter schafften. „Danke“, meinte sie und klopfte sich die Hände ab. Die Finger waren etwas schrumpelig, weil sie viel mit Wasser hantiert hatte. Doch das würde vergehen. Sie gähnte kurz auf und hielt sich die Hand vor den Mund dabei. Dann kreiste sie die Schultern und musterte Caleb, als jener das Wort noch mal erhob. "Du sagtest, Familie ist kostbar. Dem stimme ich zu. Meinst du nicht, wir sollten die Kostbarkeit von ... Corax' möglicher Familie mal in Augenschein nehmen?" Sie zuckte und sah ebenfalls forschend zum Salon. „Bist du verrückt?“, fragte sie und führte ihn am Arm etwas weg und zur Küche. Dort begann sie einen Tee zu machen und etwas Brot zu schmieren. Sie hatte Hunger und seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. Auch für Caleb bereitete sie eine Scheibe zu und bestrich jene mit etwas Kräuterbutter. Das hatte ihr gut geschmeckt. Caleb aber vertiefte seine Gedanken noch, während sie noch immer werkelte.
"Bist du schon einmal in fremder Leute Häuser eingedrungen? In Andunie gibt's durch das Fachwerk wesentlich mehr Klettermöglichkeiten. Dafür sind die Dächer nicht flach, was eine Flucht brenzliger machen könnte, aber ... mit dem richtigen Werkzeug ... das Haus Faelyn sollte doch schnell zu finden sein. Was meinst du? Wir können Corax ja nicht einfach so in die Höhle des Leoniden schicken und ihn fressen lassen. Wir sollten ein Auge auf unseren Freund haben und vorab die Sicherheit des Hauses überprüfen. Schauen, ob es sich lohnt, dort Sohn zu werden." Madiha hielt inne, als der Tee in den Tassen zog und wandte sich zu ihrem Dieb um. Ihre graublauen Augen musterten Caleb einen Moment und wägten die Gedanken hinter seinen Worten ab. „Ich bin noch nie irgendwo eingebrochen…“, beantwortete sie erstmal die erste Frage. Doch sie wirkte nachdenklich. Caleb konnte vielleicht ahnen, dass seine Worte nicht vollends auf Unverständnis stießen. Immerhin hatte er auch ein Stück weit recht… „…Ich habe mir auch schon Gedanken darüber gemacht, wie es für Corax sein könnte. Außerdem geht mir Emmyth’s Aussage nicht aus dem Kopf, die er über Sklaven traf…“, murmelte sie und wandte sich nachdenklich wieder dem Tee zu. Sie blickte auf das sich verfärbende Wasser. „Aber deshalb… gleich einbrechen?“, zögerte sie und verzog das Gesicht. „Ich weiß nicht, Caleb. Das ist sehr gefährlich…“, wandte sie ein und doch wirkte sie nicht so, als hielte sie seine Idee für unpraktikabel.
Das Mädchen erlöste das Wasser von den Teekräutern und stelle Caleb Tasse und Brot hin. Dann stellte sie sich ihm gegenüber und biss herzhaft und mit Appetit von ihrem Kanten ab. Kauend und ein wenig Butter im Mundwinkel schwieg sie weiterhin nachdenklich. „Was wenn wir erwischt werden? Das würde doch gewiss sofort unser Todesurteil sein…“, gab sie erneut zu bedenken. Sie lutschte an ihrem Finger, schlürfte einen kleinen Schluck Tee und biss erneut ab. Sie wirkte recht zufrieden hier in der Küche der van Tjenns und schien sich wirklich wohlzufühlen in seinem einstigen Heim. Madiha bemerkte gar nicht groß, wie gelöst und selbstverständlich sie sich hier verhalten konnte. Der Schatten der Sklavenschaft verlor sich immer mehr und ließ dem Mädchen und dem eigentlichen Naturell immer mehr Platz zum Entfalten. „Wenn wir das tun, dann aber nur, um zu gucken, wie es da so ist.“, lenkte sie ein und erteilte damit schon fast eine Zusage. „Wir klauen nichts, in Ordnung? Nur… mal gucken!“, beschwor sie Caleb und blickte ihn dann grinsend an. „Ich möchte Corax auch nicht in ein Nest aus Skorpionen werfen und dann sagen, ‚gern geschehen‘… Ich möchte, dass das richtig gut wird für ihn und er sich darüber freuen kann. Noch mehr Leid braucht er nicht…“, murmelte sie und dann sah man Entschlossenheit auf ihrem Gesicht. „Gut! Wir tun es!“, auf einmal war da ein Glanz in ihrem Blick und sie lächelte. „Ich bin ganz aufgeregt.“, gestand sie und grinste Caleb an. „Ist das bei dir immer so?“, fragte sie und wischte sich die Finger in einer Serviette ab. „Was brauchen wir und wie stellen wir es an?“, wollte sie dann wissen und schien für jede Schandtat bereit zu sein. Vielleicht war es das sich langsam aufbauende Selbstvertrauen, das Madiha beflügelte, auch mal Dinge zu wagen. Vielleicht war es die Liebe zu Caleb, die sie abenteuerlustig machte. Vielleicht war es das Pflichtgefühl Corax gegenüber, dass das, was sie initiierte auch funktionierte. Ganz gleich, was es genau war: Madiha fühlte eine Vorfreude auf das, was sie mit Caleb zusammen vorhatte.
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Re: Das Haus der Famlie van Tjenn

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 2. November 2023, 15:48

Nur ein Mensch wie Madiha schien sich von Euphorie beflügelt genug zu fühlen, Hausarbeiten zu erledigen. Das war weder merkwürdig noch verwerflich. Sie hatte Zeit ihres Lebens all ihre Energie in körperliche Arbeiten gesteckt, die sich entweder im Haushalt zeigten oder dadurch, dass sie Khasib und seinen Bekannten gefügig sein musste. Da war es nur verständlich, wenn sie sich in ihrer Freude lieber Ersterem widmete. Wobei sie nie wieder bei jemand Anderem als Caleb liegen würde, wenn es nach ihren Gefühlen für den Mann ging und jener stand hier, nicht bereit Ordnung zu halten. Vielleicht wollte er es ja schmutzig...
Jivvin hingegen zog sich vollkommen aus der Situation heraus. Madiha runzelte ob ihrer Worte und ihres Abgangs die Stirn. Die Dunkelelfe hatte lediglich angemerkt, dass weder die Sarmaerin noch Estelles Sohn Sklaven unter diesem Dach wären. Nicht, wenn es nach Jivvin ging, sondern nur um den Schein vor Leuten wie Emmyth Faelyn zu wahren und auch das galt allein der Sicherheit ihrer menschlichen Gäste. Sie zwang diese zu nichts, somit auch nicht dazu, das Haus in Ordnung zu halten. Die Dunkelelfe und Caleb teilten da offenbar Ansichten, aber Madihas Zustimmung erhielten sie nicht. "Aber es ist dein Zuhause", wandte sie sich an Caleb, um wenigstens ihn dazu zu bewegen, mitzuhelfen. Ganz allein wollte sie sich die Arbeit dann auch nicht aufbürden, Euphorie hin oder her. "Dein Zuhause und ihre Wohnstätte. Da kann man doch ein bisschen anpacken!" Caleb ließ sich erweichen, kommentierte jedoch: "Ich glaube, inzwischen ist es wirklich eher ihr Zuhause. Estelle ist der Gast hier, nicht die Hauseigentümerin. Jivvin mag sich als barmherzig aufführen, letztendlich hat aber auch sie Pläne. Madi, sie hat ihre eigene Familie ausgelöscht und vergiss nicht, was sie Emmyth anbot. Sie hätte eiskalt einen Auftrag angenommen, Corax zu meucheln." Caleb schaute über seine Schulter hinweg zur Treppe, die die Elfe zusammen mit Estelle inzwischen erklommen hatte, um die alte Dame nach oben zu bringen. Sobald Caleb sich außer Hörreichweite elfischer Ohren wähnte, fuhr er fort: "Wir sollten ihr nicht blind vertrauen, nur weil sie uns in meinem einstigen Elternhaus wohnen lässt." Er war ihr gegenüber jedenfalls deutlich misstrauischer eingestellt als anderen. Es konnte nicht an der Kluft zwischen Mensch und Dunkelelfen liegen. Ebenso schien ein Mord nicht ausschlaggebend zu sein. Caleb und Corax waren enge Freunde geworden. Hier ging es offensichtlich um die Zielperson und somit auch um Prinzipien, um Loyalität seinen Verbündeten gegenüber. Aus Sicht des Diebes besaß Jivvin solche Verbündeten nicht. Sie suchte weder Freunde noch Partner, sondern reine Zweckgemeinschaften. Das machte sie in den grünblauen, andunischen Augen nicht unbedingt sympathisch.
Wo Madiha sich von Euphorie treiben ließ, da nahm Caleb Wachsamkeit zum Anlass, kräftig anzupacken. Dass er sich nicht klammheimlich aus dem Staub machte, durfte seine Gefährtin aber erst erkennen, als ihr der Schweiß die Stirn herunter lief und sie bereits einige Stunden gearbeitet hatte - ohne Calebs Anwesenheit. Er kehrte jedoch mit der zufriedenstellenden Information zurück, sich um die Reparatur des eingeschlagenen Fensters gekümmert zu haben. Das war auch Ordnung schaffen, wenn er sich auch trickreich vor physischer Anstrengung hatte drücken können. So war Caleb. Er packte gern mit an, aber schien all seine Tatkraft schleifen zu lassen, wenn es um Verantwortung in Sachen Familie und Haushalt ging. Wenigstens half er Madiha, den Teppich neu zu verlegen, damit der Schatten vom Blut seines Vaters nicht mehr gesehen würde. Und als es getan war, wirkte sogar Caleb irgendwie leichter.
Seine Gedanken flogen umher, hinüber zu Ideen, die Madiha niemals in den Sinn gekommen wären. Er wollte sich genauer nach Emmyth umsehen, sowie nach den Familienverhältnissen, in die sie Corax führen wollten. Natürlich wollte Caleb diese Informationen ganz nach Art eines Wüstendiebes beschaffen. Er wollte in das Anwesen einbrechen, das die Faelyns in Andunie für sich beanspruchten.
"Bist du verrückt?"
Caleb grinste auf Madihas Ausbruch hin. "Ja und genau das liebst du doch an mir", gluckste er. Seine Augen funkelten. Er war nicht verrückt, sondern wagemutig und tollkühn. Er suchte das Abenteuer, am liebsten offensichtlich in brenzligen Situationen. Er suchte den Rausch in Form von Adrenalin, wo andere eher zur Flasche griffen oder ein Bordell betraten. Aber Caleb war ein Dieb, durch und durch.
Während er und Madiha die Küche betraten, um nach der harten Arbeit neue Energie bei einer Mahlzeit zu tanken, führte er die Vor- und Nachteile andunischer Architektur aus Sicht eines Mannes aus, der vor hatte, fremde Häuser unerlaubt zu betreten. Sie verneinte wenig später, als beide darauf warteten, dass der Tee endlich trinkbar wäre. Ihre Bäuche füllten sie sich bereits mit leckeren Broten, erneut mit Kräuterbutter bestrichen. Auch Caleb ließ es sich schmecken. Wo der Dieb jedoch den Aspekt sah, die Familienverhältnisse heimlich erkunden zu wollen, um sich über Corax' mögliche Zukunft ein besseres Bild machen zu können, da bedachte die einstige Sklavin eben jenen Aspekt, den sie mit Corax teilte.
"Außerdem geht mit Emmyths Aussage nicht aus dem Kopf, die er über Sklaven traf..."
Caleb zuckte nur mit den Schultern. "Ich weiß zwar, was du meinst, aber hast du etwas Anderes erwartet? Corax stammt doch aus Morgeria, nicht? So unterwürfig wie er sich manchmal gibt - so ... bereit, alles von sich aufzugeben - ein solches Verhalten lernt man ja nicht von sich aus. Das hat äußere Einflüsse und ich bezweifle, dass allein diese Stockwesen etwas damit zu tun haben." Caleb wusste es nicht. Er hatte die Traumvisionen der Silbernadelschlange nicht gesehen. Madiha schon. Sie hatte ein Bild vom Leben des Raben gewinnen können, das auch ohne seine Peiniger kein Zuckerschlecken gewesen war. Und das, obwohl er selbst Dunkelelf war. Es gab wohl auch Wertlosigkeit in den eigenen Reihen. Nicht alle morgerianischen Sklaven entpuppten sich als Goblins, Menschen oder Orks. Man hatte Corax zum Sklaven gemacht, weil er keinen Bezug zu irgendeiner Dunkelelfenfamilie besaß. Und er fand sich allein nur deshalb schnell in diese Rolle zurück, weil er Angst hatte, gänzlich allein zu sein. Er war bereit, dieses Schicksal weiter zu tragen, eine Herrin zu haben, nur damit man ihn mit seinem Leid nicht zurückließ. Er hatte sich Körperteile abgetrennt, weil er in der Einsamkeit das größere Übel sah. Doch jetzt musste er lernen, auf den oberen Stufen der Gesellschaft zu stehen. Er durfte dem Haus Faelyn kein versklavter Sohn sein. Er musste sich erheben ... vielleicht würde Madiha ihn bald Herr nennen und sie die Rollen tauschen? Sie mussten herausfinden, welche Richtung Corax' Schicksal nehmen könnte, sollte er ein verschollener Faelyn sein und vom Haus anerkannt werden.
"Aber deshalb ... gleich einbrechen? Ich weiß nicht, Caleb. Das ist sehr gefährlich..."
Allein ihre Worte sorgten für ein erneutes helles Funkeln in seinem Blick. Er wusste sehr genau, welcher Gefahr er sich da stellte und es erregte ihn auf eine Weise, wie es ein Frauenkörper nicht konnte. Er liebte diese Form der Gefahr. Sie machte ihn lebendig. Nicht, dass es mit Madiha für ihn nicht ebenso wäre, aber es fand auf verschiedenen Ebenen statt. Es war im Grunde nicht miteinander vergleichbar. "Was, wenn wir erwischt werden? Das würde doch gewiss sofort unser Todesurteil sein..."
Caleb winkte ab, dass einige Brotkrumen durch die Luft flogen. Soviel zum Saubermachen. Zum Glück hatte Madiha sich der Küche noch nicht angenommen. "Beim Einbruch selbst bin ich noch nie erwischt worden", behauptete der Dieb. Ob es stimmte, konnte Madiha nicht überprüfen. Fest stand, dass man Caleb irgendwann geschnappt hatte, sonst wäre sie ihm damals nicht in den Kerkern begegnet. Nur ob das während oder erst nach einem Einbruch geschehen war - wenn überhaupt, vielleicht gab es auch ganz andere Gründe - das wusste sie einfach nicht. Irgendwo reizte es sie ja, ihrem liebsten Dieb einmal bei seiner Tätigkeit zuzusehen. Sie würde mehr von ihm erfahren, wenn sie an seinem Leben teil hatte, so wie er es lebte und liebte.
"Wir klauen nichts, in Ordnung? Nur ... mal gucken!"
"Sicher, sicher", winkte Caleb ab. Er hörte nur mit halbem Ohr hin. "Ich klaue sowieso nichts, ich verteile um." Er grinste schief auf. Für ihn war die ganze Angelegenheit nur ein großer Spaß. Arglos stürzte er sich in Abenteuer, die seinen Tod bedeuten könnten. Es machte verständlicher, warum er ebenso arglos Azura in die Fluten hinterher gesprungen war oder warum er Kjetell'os Einhorndolch gezogen hatte, um von hinten auf Serpentis loszugehen. Er dachte über Probleme nach, sobald sie eintrafen und nicht vorher. Das bedeutete allerdings auch, dass er Konsequenzen seiner Taten ebenso gänzlich außer Acht ließ. Es war ihm anzusehen, dass er auch ohne Madiha einen Blick in das Faelyn-Anwesen werfen würde. Besser wäre es also, sie begleitete ihn. Sie konnte Calebs Stimme der Vernunft sein und er ihr Beschützer. Aus misslichen Lagen hatte er sie immerhin schon oft genug gerettet, dass sie darauf vertrauen könnte. Und das hier war Andunie, seine Heimat! Er kannte sich hier aus. Einzig, die Personen, von denen er stehlen wollte, waren um Längen gefährlicher wohl als einfach andunische Anwohner oder Sarmaer Sultane.
"Gut! Wir tun es!"
"Na endlich!" Caleb lachte auf. Dann griff er nach Madihas Händen, anstelle seiner Teetasse. Er drückte sie und blickte ihr mit der Vorfreude eines Strauchdiebs in die Augen, der soeben die fetteste Beute in den Büschen gefunden hatte. "Ich liebe dich!" Wieder lachte er. Dann drückte er ihr einen Kuss auf. Wie befreit er doch sein konnte, wenn ein kriminelles Abenteuer bevorstand. Er war so euphorisch, dass er nun wohl das ganze Haus allein geputzt hätte, besäße er Madihas Weltbild. Stattdessen aber lebte er die Aufregung anders aus. "Ohne Vorbereitung geht nichts. Wir brauchen einiges, um einen gesicherten Zugang zu schaffen. Hm, eigentlich observiere ich Häuser auch immer ein paar Tage lang, aber dieses Mal wird es auch so gehen. Ich kann nicht warten, Madi. Ich bin so gespannt, was wir finden werden. Glaubst ud, Corax' Familie ist sehr reich?" Reichtum brauchte der Sohn van Tjenns offensichtlich nicht. Für ihn wären es wohl nur Trophäen, materielle Anerkennung für seine Erfolgstaten. Caleb hatte sich noch nie bei Einbrüchen oder Diebstählen allein für sich selbst bereichert. Seinen Anteil der Beute hatte er in Sarma stets im Bordell ausgegeben - um Dunia zu sehen und nicht mehr. Er hatte Zeit mit ihr verbringen wollen, vor allem aber auch andere daran hindern, ihre Zeit in Anspruch zu nehmen. Er hate sie bezahlt, ohne dass sie darunter leiden musste. Es blieb zu hoffen, dass Ähnliches Corax bevorstünde und ihre gemeinsame kleine Einbruchsaktion nicht zum Nachteil für ihn würde.
"Ich werde einige Dinge beschaffen müssen. Die Frage ist nun, ob du mitkommen möchtest." Er zögerte. "Es würde kein Spaziergang wie auf dem Markt sein. Ich suche die finstersten Ecken Andunies auf. Oh, ich hoffe, die alten Jungs sind noch da. Ansonsten hab ich keinen Vorteil bei Verhandlungsgesprächen." Madiha konnte nun entscheiden, ob sie mitgehen und die andunischen Unterwelt kennen lernen wollte oder ob sie im Haus der van Tjenns zurückblieb. Vielleicht hatte sie eigene Pläne, wollte noch enmal mit Jivvin oder Estelle sprechen. Es lag an ihr, welchen Weg sie nun nahm. Am Ende würde es so oder so in Emmyths Anwesen führen ... auf illegalem Weg.
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Re: Das Haus der Famlie van Tjenn

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Mittwoch 8. November 2023, 19:37

Freiheit zu erhalten und sie auch nutzen zu dürfen, war mitunter ein heikles Unterfangen. Nicht immer wusste man, wenn einem niemand sagte, was man tun und vor allem lassen sollte, was richtig war und was falsch. Madiha musste sich hier gänzlich auf ihr eigenes Gespür verlassen und das war gewiss nicht so fein ausgeprägt, wie bei anderen. Immer wieder kollidierten ihre zweifelhafte Erziehung und das Temperamentvolle in ihrem Innern miteinander. Da war sie verschüchtert, wenn sie zu viel Aufmerksamkeit erhielt und zu vorlaut, wenn es darum ging, Ungerechtigkeiten zu vereiteln. Aber das Kind der Wüste machte seinen Weg – irgendwie. In ihr schlummerte eine ehrliche Seele, die nichts weiter im Sinn hatte, als dass es allen gut ging. Deshalb hängte sie sich auch so rein, dass sie Corax mit seiner richtigen Familie zusammenbrachte. Sie wollte zum einen, dass er sich geborgen fühlen könnte nach all der schlimmen Zeit, aber auch seine Wurzeln fand. Sie selbst hätte gerne die Gelegenheit dafür gehabt, doch in ihrem Fall waren eben beide Elternteile nicht mehr verfügbar. Und warum nicht ein wenig Familienleben schnuppern, auch wenn es nicht ihre eigene wäre? Das Mädchen nahm, was sie kriegen konnte. Ebenso verhielt es sich mit Caleb’s Familie und vor allem dem Haus, in dem er aufwuchs. Sie wollte etwas für diese wertvolle Erinnerungen tun und es nicht in dem von Dunkelelfen und Wegelagerern hinterlassenem Zustand lassen. Madiha räumte auf. Es war aufwändig und doch war sie am Ende der harten Arbeit mehr als zufrieden. Nun hatte das Haus der Familie van Tjenn, egal wie sehr Caleb meinte, es wäre kaum noch sein Zuhause, wieder eine gewisse Note und Madiha eine rege Vorstellung davon, wie ihr Dieb aufgewachsen sein musste. Zumindest optisch. Denn sich in seine Kindheit hineinzuversetzen, das gelang ihr wirklich nur anhand dessen, was er ihr auf dem Weg hierher erzählt hatte. Sie konnte sich in keiner Weise vorstellen, wie das Leben als Sohn reicher Eltern in Andunie gewesen sein musste. Gregor van Tjenn hatte ihn mit strenger – zu strenger – Hand erziehen wollen. Und am Ende war er geflohen… und zurückgekehrt. Familie zu haben war etwas Wundervolles, wie das Mädchen fand und sie sah gern dabei zu, wie andere sich wiederfanden nach all den Jahren. Nachdem sie das kleine bisschen Heimeligkeit hergestellt hatten, verlagerten sie ihr Gespräch in die Küche. Sie war etwas ganz besonderes, wie Madiha fand und sie fühlte sich äußerst wohl in ihr. So genoss sie es tatsächlich, dass sie auch hier einfach etwas tun durfte, ohne um Erlaubnis zu fragen. Sie kochte Tee und sie schmierte zwei Brote, um es gemeinsam mit Caleb zu verputzen.
Es war eben jene kleine Art von Freiheit, die Madiha das echte Gefühl vermittelte, dass sie endlich in ihrem neuen Leben auch wahrlich ankommen würde. Gewiss, es würde noch genug Situationen geben, in denen sie sich wieder in altbekannte Muster flüchtete – doch sie machte Fortschritte. Allerdings hielt sie die tollkühne Idee seitens Caleb für Irrsinn. Zu Beginn. Denn je länger er sprach und je mehr sie es sich vorstellte, änderte sich diese Meinung und sie war in der Lage allmählich die Vorteile dabei zu sehen. Was sie jedoch nicht davon abhielt, auch die Nachteile aufzuzeigen. Madiha wollte gewiss nicht, dass ihnen dadurch das Leben genommen würde, wenn etwas schiefging. Oder dass Corax‘ Chance auf eine Zusammenführung dann verwehrt würde. Aber zu sehen, ob sie ihn in eine Familie brachten, die sich auch lohnte und ihn nicht wieder zu dem degradierte, was er eigentlich nicht war… das war schon ein echter Pluspunkt. "Ich weiß zwar, was du meinst, aber hast du etwas Anderes erwartet? Corax stammt doch aus Morgeria, nicht? So unterwürfig wie er sich manchmal gibt - so ... bereit, alles von sich aufzugeben - ein solches Verhalten lernt man ja nicht von sich aus. Das hat äußere Einflüsse und ich bezweifle, dass allein diese Stockwesen etwas damit zu tun haben." „Ich weiß zwar nicht, in welchen Stand er hineingeboren wurde – also bisher – aber er war nicht gleich versklavt. Er wurde geliebt… Das konnte ich auf dem Schiff sehen, als uns diese Schlange angegriffen hatte. Die Nadeln zeigten uns Ausschnitte aus seinem Leben und ich konnte es fühlen… er war geborgen, behütet – bis diese Wesen ihn entdeckten und ihr grausames Spiel begannen“, schauderte sie und schüttelte sich kurz.

Die Erinnerung daran war wohl für alle Zeit in ihr eingebrannt. Sie biss von ihrem Brot ab und kaute mit Genuss. Dann lutschte sie an ihrem Zeigefinger die Butter ab und nuschelte leicht: „Danach war er natürlich nichts mehr wert. Und viele der Herren oder Herrinnen, die er gehabt hatte, waren Dunkelelfen.“, sie verzog kurz die Stirn zu einem missmutigen Ausdruck. „Menschen versklaven ja auch Menschen. Wieso also nicht auch Elfen, Elfen…“, zuckte sie die Schultern und biss erneut ab. Sie überlegte und stimmte dann halbwegs zu, hatte aber noch Bedenken dabei einfach so einzubrechen. Bei Caleb aber löste es Nervenkitzel aus, den sie als Funken in seinen Augen erkannte. Er war ganz aufgeregt deswegen. Er würde es tun, das wusste sie just in dem Moment. Sie äußerte ihre Befürchtung, was ein Erwischen für sie beide bedeuten würde, und er wischte es mit reichlich Krümmel beiseite. "Beim Einbruch selbst bin ich noch nie erwischt worden", sie zog eine Augenbraue hoch. „Sicher?“, fragte sie dann aber und grinste frech über ihre restliche Scheibe Brot hinweg. So ganz konnte sie ihm das nicht glauben. Noch einen Moment, dachte Madiha über die Möglichkeit nach, dann wollte sie von ihm sein Wort, dass sie nichts klauten. Madiha war keine Diebin. Sie nahm nichts, was anderen gehörte, denn sie hatte niemals etwas besessen. Es verlangte sie nach nichts, weil sie es gar nicht anders kannte und es hätte wohl auch genau ins Gegenteil schlagen können, wenn sie nur ein wenig mehr Neid im Leib gehabt hätte. Hatte sie aber nicht. Daher zögerte sie auch stirnrunzelnd, als Caleb nur "Ich klaue sowieso nichts, ich verteile um.", erwiderte und scheinbar gar nicht richtig zuhörte. „Ich meine es ernst, Caleb. Wir wollen Informationen – nichts weiter!“, versuchte sie noch mal auf die Wichtigkeit ihrer Worte hinzuweisen. Dann aber willigte sie ein und Caleb war nun derjenige, der euphorisch wurde. Sein Grinsen steckte an und so folgte sie seinem Beispiel und grinste ebenfalls. “Ich liebe dich!“, rief er aus und küsste sie erleichtert, sodass sie leicht lachte. Es war ansteckend ihn so zu sehen und hob ihr Herz an. Sofort machte er sich an den Denkprozess, sodass sie ihn nur fasziniert beobachtete. "Ohne Vorbereitung geht nichts. Wir brauchen einiges, um einen gesicherten Zugang zu schaffen. Hm, eigentlich observiere ich Häuser auch immer ein paar Tage lang, aber dieses Mal wird es auch so gehen. Ich kann nicht warten, Madi. Ich bin so gespannt, was wir finden werden. Glaubst du, Corax' Familie ist sehr reich?"
Das Mädchen zuckte nur mit den Schultern. „Mir ist ziemlich egal, ob sie arm oder super reich sind. Hauptsache sie sind warmherzig und können Corax auch das bieten, was man sich wünscht. Ich wette Azura würde reich und von Stand vorziehen, aber… das ist ihre Sache. Ich wünsche ihm einfach, dass er Glück finden darf.“, meinte sie recht schlicht und mindestens genau so ehrlich. "Ich werde einige Dinge beschaffen müssen. Die Frage ist nun, ob du mitkommen möchtest." Er zögerte. "Es würde kein Spaziergang wie auf dem Markt sein. Ich suche die finstersten Ecken Andunies auf. Oh, ich hoffe, die alten Jungs sind noch da. Ansonsten hab ich keinen Vorteil bei Verhandlungsgesprächen." Sie hatte ihre Mahlzeit beendet und klopfte sich leicht die Finger ab, um ein wenig Mehl loszuwerden. Dann trank sie einen Schluck von dem Tee und wollte die Tasse abstellen, doch der Geschmack war so lecker und die Wärme so wohltuend, dass sie nicht aufhörte und die Teetasse hinuntertrank. Gut, dass er bereits ausgekühlt gewesen war! Erst dann schüttelte sie den Kopf. „Ich lasse dich nicht alleine in finstere Gassen gehen, damit du irgendwelchen Halunken begegnest, die dich daran erinnern, dass du ihnen noch etwas schuldest!“, sie sah ihn streng an, erinnerte ihn mit einem Blick an die Sache in Sarma, ehe sie aber grinste. „Ich komme mit!“, alberte sie etwas herum und hob einen Finger. „Zu deinem Schutz“, und ungewohnt locker entzündete sich ihr Finger kurz und deutete auf ihre Magie hin. Dass sie jene nicht mal ansatzweise zum Schutz einsetzen könnte, wusste sie selbst. Es war eher die Ausgelassenheit, die Caleb erfasste und die auf sie überschwappte. Zudem fühlte auch sie ein leichtes, aufgeregtes Kribbeln in sich aufkommen. Irgendwie, war es auch spannend, was sie nun vor hatten.
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Re: Das Haus der Famlie van Tjenn

Beitrag von Erzähler » Freitag 10. November 2023, 14:57

Madiha wünschte sich für ihren rabenhaften Freund nicht nur Glück, sondern auch, dass er Verbundenheit zu jenen fand, die mit ihm das gleiche Blut teilten. Er besaß noch Familie, also sollte er Kontakt zu ihnen aufnehmen können. Caleb wollte noch darüber hinaus und sich vergewissern, dass Corax auch unter seinesgleichen sicher wäre. Man hatte ihm genug Unheil mitgespielt, daher würde nicht einmal der Dieb riskieren, ihn in das nächste versuchte Rattennest zu werfen. Er warf liefer selbst vorab einen Blick darauf, auch wenn dies einen Einbruch mit sich brächte. Doch sogar Madiha empfand den Vorschlag inzwischen als reizvoll. Sie selbst hatte wohl keine Chancen mehr, ihre Wurzeln zu finden. Ihre Mutter war gestorben, von möglichen Geschwistern wusste sie nichts und ihr Vater ... nun, es bestand eine geringe Chance, dass er noch immer auf Celcia umher wandelte. Aber wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, ihn zu finden? Corax hatte man eine Gelegenheit gegeben und Neugier regte sich in der Sarmaerin herauszufinden, ob man eine solche Gelegenheit immer nutzen sollte. Sie hatte zwar bereits zugestimmt, ein Treffen zu arrangieren, aber es schadete doch nicht, wenn man sich vorab ein wenig informierte. Sie durfte sich nur nicht erwischen lassen! Und nichts stehlen ... davon hielt Caleb sichtlich wenig. Es war schwer zu verstehen, denn er besaß alles. Das Haus van Tjenn war angefüllt mir Schätzen, selbst jetzt nach den Plünderungen. Er besaß so viel im Vergleich zu Madiha und doch reizte es ihren Gefährten, sich des Habs und Guts anderer zu bemächtigen. Den Grund kannte vermutlich nicht einmal Caleb. Möglicherweise war es auch einfach nur der Nervenkitzel, mit fremdem Eigentum ein unerlaubterweise fremdes Haus betreten und erfolgreich wieder verlassen zu haben. Hatte man dann eine Trophäe in der Hand, zeugte diese vom Können des Diebes. Ihr Wert war für ihn unerheblich. Bewunderer mussten damit beeindruckt werden, deshalb konnte jemand wie Caleb nicht einfach einen Holzlöffel stehlen. Dabei bräuchte er nur einsehen, dass seine größte Bewundererin nur ihn und ihn allein brauchte.
Ihn und das Wissen, was Corax in seiner Familie so erwarten könnte. Es sollte ihm nicht schlecht ergehen. Madiha hatte genug Einblicke in sein Leben erhalten, um sich ein Bild seines Leids zu machen. Sie schauderte noch immer, wenn sie nur an die unheimlichen Stockmännchen dachte und doch konnte es unmöglich mit dem verglichen werden, was Corax dazu empfinden musste. Er hatte Jahrzehnte unter ihrem Sadismus leben müssen. Er hatte überleben und dafür Dinge tun müssen, die die eigene Seele zerreißen konnten. Er hatte es nicht verdient, erneutem Leid ausgesetzt zu werden.
Es stand fest. Caleb und Madiha würden sich Zugang in das Anwesen verschaffen, in dem die Familie Faelyn nun residierte. Dafür benötigte es aber ein paar Vorbereitungen. Caleb war hier der Erfahrene. Er wusste, was für einen Einbruch nötig war und was sie würden beschaffen müssen. Sofort war er Feuer und Flamme. Es steckte an, wie bei einem Lauffeuer, das nun auch auf Madiha überging. Sie spürte die Hitze des Abenteuers, welche aus Calebs Augen loderte und seine Gras umsäumten Fjorde in Brand setzte. Er würde alles zusammentragen, damit sie ungehindert in das Haus eindringen könnten. Die Frage blieb, ob Madiha auch dorthin mitkommen wollte, von wo aus er es beschaffte. Er warnte sie vor. Das würde kein gemütlicher Spaziergang über den andunischen Markt werden. Bereits jetzt befanden sie beide sich mit einem halben Bein jenseits der Legalität.
"Ich lasse dich nicht allein in finstere Gassen gehen, damit du irgendwelchen Halunken begegnest, die dich daran erinnern, dass du ihnen noch etwas schuldest!"
Erwischt! Madiha traf voll ins Schwarze. Caleb zuckte nämlich nicht nur ertappt zusammen, er griff sich auch wie üblich in den Nacken. Außerdem wich er ihrem Blick aus, grinste dabei jedoch spitzbübisch. "Nun", räusperte er sich, "dann wäre es vielleicht besser, wenn ich nicht mehr auf die alten Jungs treffe." Zwischen seinen Brauen bildete sich eine Falte, als er die Stirn runzelte. "Nein, ich glaube, ich schulde ihnen nichts mehr. Ich hatte alles erledigt, bevor ich ... gegangen bin. Das sollte kein Problem sein." Anschließend hob er die Schultern an und ließ sie arglos sinken. "Wer weiß, ob die Taugenichtse die Belagerung überhaupt überlebt haben. Aber an ihre Stelle werden andere getreten sein. Hafenratten sind eine ware Plage, weil sie sich nicht ausrotten lassen." Er zwinkerte und gab dadurch bereits Aufschluss, wohin es gehen würde. Und Madiha würde ihn begleiten.
"Zu deinem Schutz", scherzte sie mit erhobenem Finger, von dem sich spielerisch ein paar Funken lösten. Caleb blinzelte, sichtlich beeindruckt, obgleich sie ihre Magie nicht wirklich eingesetzt hatte. Er staunte aber noch immer, was so in ihr steckte. Vor allem jedoch wirkte es vollkommen aufrichtig. Caleb täuschte keine Emotionen vor, nicht bei ihr. Er war stolz auf seine Madiha, auf ihre Fähigkeiten, vor allem aber darauf, dass sie sich mit so viel Liebe auf ihn einließ. Caleb streckte seine Hand aus, um sie sanft um Madihas Finder zu legen und so ihre Hand zu senken.
"Es ist gut, jemanden bei sich zu wissen, der einem den Rücken deckt. Trotzdem sollten wir noch einen Trumpf parat haben." Sein Blick huschte zum Durchgang der Küche. Er schien sich für etwas zu wappnen, denn Caleb straffte ein wenig die Schultern. Dann winkte er Madiha mit sich. Gemeinsam stiegen sie in die obere Etage.
Der Dieb blieb vor der Tür stehen, hinter jener sich Jivvins Schlafzimmer befand, wie Madiha wusste. Er klopfte an. Nichts und niemand regte sich. Caleb klopfte erneut. "Jivvin? Bist du da drin?"
Wieder nichts. Vielleicht befand sie sich in einem anderen Teil des Hauses. Ehe Caleb diese Vermutung laut anstellen konnte, öffnete sich die Tür. Die Dunkelelfe agierte lautloser als ein Schatten. Nicht einer ihrer Schritte war zu hören gewesen und das, obwohl sie nicht barfuß war. Ein Blick nach unten verriet, dass sie ihre kniehohen Lederstiefel trug, wenngleich das Material weich zu sein schien. Darüber kleidete sie sich in ein kurzes, nachtblaues Kleid mit Spitze an den Säumen und darüber hingen ihr Gürtel, sowie der Waffengurt, welcher sich quer über ihre Brust spannte. Die Oberarme wurden von Lederzeug geschützt und ihr langes, seidig schwarze Haar hatte sie zu einem Knoten gebunden, aus dem schwarze Nadeln von mindestens zwei Fingern Länge heraus ragten. Ihr goldener Blick traf Caleb kühl, aber nicht verärgert. Sie schaute ihn fragend an, so kam er gleich zur Sache.
"Madi und ich gehen ... äh ... wir besuchen ein paar alte Freunde und ich bräuchte etwas in der Hinterhand, falls du verstehst."
"Dann sind es keine Freunde", erwiderte die Elfe nur, zog die Tür aber auf und wandte sich dem Inneren ihres Raumes zu. Das Schlafzimmer grüßte mit seinen dunklen Holzfarben und diesem eher düsteren Grün. Alles wirkte schwer, selbst das Mobiliar. Jivvin schritt zu einer Kommode, in der wohl eher Unterwäsche oder Socken vermutete. Sie öffnete die dritte Schublade von oben und es präsentierte sich ein ganzes Sortiment an Klingen. Kurz- und Langschwerter langen ordentlich beisammen. Dazwischen fand sich auch ein schlankes Rapier, das unmöglich dunkelelfischer Machart entspringen konnte. Die kunstvolle Parierstange mit ihren filigranen Verästelungen, welche sich ineinander schlangen, erinnerten doch eher an den Einhorndolch an Calebs Gürtel.
Der Dieb hob sogleich beide Hände an. "Zu groß", meinte er unter einem Kopfschütteln. "Ich bräuchte eher etwas Unauffälliges für ... den Stiefel."
"Verstehe", hielt Jivvin sich einsilbig. Sie musterte Caleb kurz, schüttelte dann ihrerseits den Kopf und richtete die Augen auf Madiha aus. "Vergiftete Waffen sind nichts für euch, nehme ich an. Nein, ihr verletzt euch damit eher selbst." Sie drückte die Schublade mit ihrem Knie zu und wandte sich dann dem Bett zu. Dort hob sie die Matratze an, zog dann ein schlankes Messer mit schwarzer Klinge hervor und reichte es Caleb, den Griff voran. Er besaß die Form einer Fledermaus mit geöffnetem Maul, so dass man die Waffe auch mit den beiden kleinen Spitzzähnen an Kleidung befestigen könnte. In einem Stiefel wäre sie auf diese Weise rutschfest verankert, so dass der Läufer sich nicht versehentlich in einen Zeh schnitt.
"Perfekt", meinte Caleb, wollte schon nach dem Messer greifen. Jivvin hielt ihn zurück. Sie musterte ihn erneut. Dann trat sie zu Madiha herüber und reichte ihr die Waffe. "Sie ist unauffälliger und somit besser versteckt bei jemandem, dem man keinen Angriff zutraut", sagte sie trocken. Madiha erhielt allerdings einen längeren Blick. Und dann verpasste sie Caleb einen so schnellen, überraschenden Schlag an den Hinterkopf, dass jener mindestens zwei Sekunden brauchte, bis er mit einem leichten Keuchen reagierte. Er wandte sich um.
"Gib Estelle keinen weiteren Grund zur Trauer", warnte sie scharf. Das saß. Caleb schluckte, nickte und murmelte ein paar Worte des Danks. Jivvin rollte mit den Augen. Dann packte sie den Dieb am Arm, um ihn bis vor die Tür zu geleiten. Sobald Madiha von allein an seiner Seite war, fiel jene Tür auch wieder zurück sin Schloss.
Caleb seufzte: "Gehen wir."

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Re: Das Haus der Famlie van Tjenn

Beitrag von Erzähler » Dienstag 12. März 2024, 16:42

Madiha kommt von Das Anwesen der Familie van Ikari

Jakub wartete wie angekündigt im Eingangsbereich des Anwesens der Familie van Ikari. Er hatte die Mäntel einfach an der Garderobe hängen lassen. So tropften sie am besten ab. Letztendlich würden sie gleich erneut ins Nasse geraten. Die Regenschirme hingegen hatte er schon aus der großen Ziervase genommen, welche man so gedreht hatte, dass die gebrochene Stelle und ein langer Riss in der Keramik nicht weiter auffielen. Er stand mit stoischer Miene einem Zinnsoldaten gleich neben der Tür. Als Madiha endlich erschien, reichte er ihr schweigend den Mantel und einen der Schirme. Dann öffnete er die Tür und verließ mit ihr das Gebäude.
Es fühlte sich wahrlich wie ein Abschied für immer an und vielleicht war es das auch. Die Frage blieb, ob Corax hierbei involviert wäre. Vermutlich, denn er liebte Azura und würde sich nicht von ihr lösen. Da mussten wohl erst nochmal Situationen wie die eben Geschehene passieren. Wenigstens hatten Madiha mit ihrem Ausbruch und Jakub mit seinen knappen, aber klaren Worten ihn zum Nachdenken gebracht. Was schlussendlich dabei herauskäme, musste sich erst noch entwickeln. Es blieb abzuwarten und zu hoffen, dass Azura sich entwickelte und zu ihrem neuen Wesen zurückfand.
"Vielleicht liegt's an uns", meinte Jakub, nachdem sie die Straße mit dem Anwesen der van Ikaris bereits hinter sich gelassen hatten. "Vielleicht funktioniert es für ihn und sie, wenn keine ... nicht in Tücher gewickelte und gesalbte Hintern anwesend sind." Er schaute seitlich auf Madiha herab. "Wir sind nur das Fußvolk der Gesellschaft, aber das macht uns nicht wertlos. Es gibt Menschen, die uns mehr schätzen und deren Meinung mir hundertfach wichtiger ist als ein geblümtes Wort aus rot gefärbten Lippen in einer Welt der Heuchelei. Aye!" Sein letztes Wort brüllte er plötzlich in den Himmel hinein und stellte sich dem Regen entgegen, der unter dem Krach einmal zu erzittern schien. Dann grinste Jakub glatt, durchaus zufrieden. "Ab zum Käpt'n, aye?" Er war gleich viel gelöster, je weiter sie von dem wahrlich adligen Anwesen fortkamen. Caleb mochte in einer ähnlichen Behausung wohnen, aber dort warteten auch eine gewisse Spur an familiärer Wärme und Charme. Nein, das hatte es sogar im Haus van Ikari gegeben. Aquila hatte sich bemüht gezeigt, mit dem wenigen, was ihr geblieben war, eine harmonisch noble Atmosphäre zu schaffen. Was bei den van Tjenns fehlte war die Grenze, die vor allem Azura gezogen hatte. Estelle hatte von Anfang an keinen Unterschied gemacht zwischen ihr, Madiha oder auch ... Jivvin.
Der Name der Dunkelelfe fiel im Geiste und erinnerte Sarmas kleine Herrin daran, weshalb der Gang zum van tjenn'schen Anwesen ein beschwerlicher war. Dort würden eine Erklärung, aber vielleicht auch ein weiteres langfristiges Lebewohl auf sie warten. Ihr Herz drückte bei jedem Schlag schmerzhaft gegen ihren Brustkorb. Erst Azura unc Corax, nun wohl Jivvin und Caleb. Vor allem die Begleiter, deren Namen mit C begannen, würden ihr mehr als fehlen. Zu beiden hatte Madiha eine mehr als innige Beziehung aufgebaut. Von beiden wurde sie geliebt, auf unterschiedliche Weise, aber das Herz litt unter beiden. Corax hatte ihr eine kleine Feder geschenkt. Diese durfte sie nicht verlieren, doch in Zeiten des größten Kummers oder der Not konnte sie jene verbrenne und er ... würde kommen. So sein Versprechen, hoffentlich eines von zweien. Sie konnte nur hoffen, dass er sich ihre Bitte und Jakubs Rat zu Herzen nahm. Dass er nachdachte, sich nicht vergaß und notfalls allein zum Haus Faelyn ging, damit er glücklich wurde. Denn es ging nicht nur um Azura.
Jetzt aber war Madihas Stunde gekommen, jedenfalls die in Andunie. Anschließend würde sie wohl eine letzte Sternstunde erhalten, wenn Kjetell'o seine Pläne umsetzte und sie entweder gegen Alycide eintauschte oder ... nun, was auch immer er mit ihr vor hatte. Alle schienen halbwegs glücklich oder auf einem Weg, sich ihr Glück selbst schmieden zu können. Nur für Madiha sah es finster aus. Die Frau, die es wert war geliebt zu werden, wurde geliebt ... aber auch benutzt und weitergereicht, wenn sich bessere Pforten öffneten.
Nun stand sie vor einer, aber jene blieb noch zu. Sie und Jakub hatten wie von selbst das Anwesen der van Tjenns erreicht. Im Gegensatz zu dem der van Ikaris oder dem der Faelyns, die beide diese großen Gärten aufwiesen, wirkte das Haus hier geradezu schäbig klein. Aber Madiha spürte instinktiv, dass es ihr hier wohl am besten gefiel. Wie lange noch, würde sich zeigen.
"Da sind wir", meinte Jakub und fackelte nicht lange. Er klopfte an, machte selbst aber einen halben Schritt zurück. "Wenn du hiernach direkt wieder zu Akademie gehst, warte ich auf dich", meinte er in stillem Beistand. "Sofern die mich hier haben wollen." Er brummte. Caleb würde ihn gewiss nicht des Hauses verweisen, aber er hatte nicht unbedingt das Sagen, sondern Jivvin. Es sei denn, sie beiden hatten bereits mehr als ein Stelldichein hinter sich ... in Gassen, auf der Blauen Möwe, im elterlichen Ehebett, das zuletzt Caleb und Madiha bezogen hatten...
Bevor die Spirale an düsteren Gedanken noch tiefer führen konnte, öffnete sich die Pforte.
"Madi!", grüßte Caleb sie ganz natürlich auf Sendli und er lächelte, wenn auch ein wenig unsicher. Dann nickte er Jakub zu, als er auch diesen bemerkte und schon zog er einladend die Pforte auf. "Kommt rein, ihr beiden. Es ist noch immer nass und kalt, wärmt euch am Feuer."
Wieder betraten sie einen großen Eingangssaal. Madiha kannte ihn schon. Nun war es an Jakub zu staunen. Falls er es tat, dann still und mit ungerührter Miene. Wieder wurden Schirme und Mäntel abgenommen. Caleb brachte beide in den grünen Salon, der Madiha ebenfalls schon vertraut war. Estelle saß dieses Mal nicht in dem gemütlichen Sessel. Sie war überhaupt nicht anwesend. Dafür breitete sich der Duft von Gebratenem und einer interessanten Kräutermischung überall im Haus aus. Er kam aus der Küche, zusammen mit den üblichen Geräuschen von Fleisch, das in einer Pfanne brutzelte und irgendeiner Soße, die im Topf vor sich hin köchelte. Jemand schnitt Brot, was das Schaben eines Messers erklärte. Caleb wies Madiha und Jakub an sich zu setzen. "Ich sag Jivvin Bescheid, dass ihr hier seid." Schon verschwand er Richtung Küche. Er wirkte ja schon recht vertraut mit der Dunkelelfe. Es fehlte nur noch, dass sie Arm in Arm zurückkehrten.
Glücklicherweise blieb das aus. Es dauerte zwar noch eine Weile, ehe sie sich zeigten, das lag allerdings eher am Essen. Jivvin nutzte keinen Rollwagen wie Aquila van Ikari. Sie trug ein Tablett heran, Caleb ein Dreibein und einen kleinen Kessel. Geschirr wurde auf dem niedrigen Kaffeetisch verteilt, der Topf abgestellt und erneut verschwanden beide. Wenig später brachten sie dicke Scheiben saftigen Schweinefleischs heran, zusammen mit frisch gebackenem Brot, Kräuterbutter und einer Schale Trauben. Caleb reichte jedem einen langen Spieß, an dem sie Stücke des Brotes oder auch vom Fleisch in den Kessel tauchen konnten. Darin befand sich ein Gemüsefondue, das mit all den vielen Kräutern herzhaft und kräftig schmeckte. Während all des Auftischens machten der Dieb und die Elfe einen harmonischen Eindruck. Jedoch fehlten Dinge, die Madiha wohl auffallen mochten. Caleb warf ihr keine verliebten Blicke zu. Sie lächelten einander nicht mit dieser Wärme an, um dem jeweils anderen zu zeigen, wie sehr sie es mochten, Dinge gemeinsam zu tun. Sie schwiegen während ihrer Tätigkeiten. Nur Jivvin war es, die Caleb hin und wieder musterte. Er hingegen konzentrierte sich vollauf auf seine Arbeit.
Als alles serviert und Teller, samt Besteck verteilt waren, ließ Caleb sich sogar neben Madiha nieder. Jivvin aber nahm zu seiner anderen Seite Platz.
"Hast du alles klären können?", fragte der Dieb. Seinerseits führte er aus: "Wir haben das Messer an Harm ausgeliefert. Er hat keine Standpauke erhalten dafür, dass er uns heimlich verfolgt und beobachtet hat. Typisch Harm, das war so ausgemacht zwischen ihm und seinem Halunken. Er sollte nur vorgeben, uns nicht zu folgen, damit wir keinen Verdacht schöpfen, wenn er uns anschließend wirklich aus dem Verborgenen heraus beobachtete."
"So verborgen war er nicht. Lachhaft!", kommentierte Jivvin, ehe sie sich ein Stück des Brotes nahm. Caleb grinste sie schief an. Sie ignorierte es.
"Naja, Jiv hat uns ebenfalls heimlich verfolgt ... was ich dir immer noch ein wenig übel nehme." Besagte ... Jiv zuckte nur mit den Schultern. Caleb sprach weiter: "Das mit Harm ist jedenfalls geklärt. Er hat den Wein erhalten und sich den restlichen Silberstaub von meiner Kleidung gekratzt. Er hält nach wie vor viel von der kleinen Meisterdiebin. Wir können also auf Verbündete hoffen, falls wir sie brauchen. Und sofern Jiv sie lieben lässt."
"Ich hab keinen Grund für ein Massaker an irgendwelchen pathetischen Raubeinen."
Caleb lehnte sich zurück. Es war offenbar alles erzählt von seiner Seite aus. Madiha hatte sich um Corax gekümmert. Jetzt würde sie laut Calebs Annahme den Unterricht bei Kjetell'o aufnehmen. Für ihn aber ergab sich erst einmal nichts. So streckte er sich kurz, aber ausgiebig und fragte in die Runde: "Und? Wie geht es nun weiter?"
Jivvin tupfte sich Bratensaft von den Lippen, setzte ihren Teller ab und wartete, bis man ihre die volle Aufmerksamkeit schenkte. "Wir werden heiraten, Caleb." Stille kehrte am Kaffeetisch ein, abgesehen von Jakub, der sich an seinem Stück Brot verschluckte und kräftig zu husten begann, bis er sich endlich wieder beruhigte. Caleb starrte Jivvin mit hochroten Wangen an, aber wieder ... sagte er nichts. Wieder war er zu perplex ob ihrer Worte, um sofort etwas herauszubringen.
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