Ein letztes Mal durchs Dorf

Das Grenzdorf, geschützt durch seinen Wall und die Spähtürme, steht an der Grenze zu Grandessa. Die Soldaten nächtigen in Gaststätten oder bei freundlichen Familien, die einen Platz frei haben.
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Ein letztes Mal durchs Dorf

Beitrag von Marga » Montag 2. Juni 2008, 18:40

Das letzte Mal blickte Marga auf das Bauernhaus zurück. Viele Jahre hatte es Marga vor Regen, Schnee und Kälte geschützt. Doch das würde es nie wieder tun. Nun war es verkauft. Schlüssel und Besitzurkunde waren den neuen Bewohnern, einem frisch verheirateten Bauernjungen und seiner Frau, übergeben worden. Das Haus galt wegen Marga als verflucht. Angeblich habe sie alle ihre Verwandten nach und nach darin ermordet. Als Besitzer eines verfluchten Hauses würden die Beiden wahrscheinlich ein paar Jahre gemieden werden, doch Marga war die einzige gewesen, die ein so gutes Haus zu einem so billigen Preis verkauft hätte. Die Sache mit der Besitzurkunde hatte Marga nie verstanden, warum brauchte man einen solchen Fetzen Papier, wenn doch der Schlüssel das einzig wichtige war? Doch das brauchte sie nicht mehr zu interessieren.

Schließlich lief sie los. Da Orlos Haus recht weit vom Tor entfernt war würde sie noch einmal durch das komplette Dorf laufen müssen. Es waren nur ein paar Minuten, dann würde sie das Dreckskaff hinter sich lassen. Auf der Straße rannten ein paar spielende Kinder. Sie hasste diese dämlichen Balgen, denn sie nervten die Halborkin. Sie rannten um einen herum, schrien und heulten ständig. Manche von ihnen beleidigten sie sogar wegen ihrer Rasse, doch das ließ sie kalt, sollten sie doch, Marga hörte da gar nicht mehr hin.
Es war eine Vergnügen für Marga, ab und zu mal ein Bein zu stellen, damit die Plagen auf ihre Nasen flogen, doch heute wichen die Kinder ihr aus. Ihre Eltern hatten ihnen eingeschärft, sich von der halben Orkfrau fern zu halten, denn sie hatten Angst, dass Marga eines von ihren Sprösslingen als Marschproviant mitnehmen würde. Marga war das nur Recht, denn so standen ihr die dummen Kinder nicht im Weg.

Schließlich kam sie an der Dorfkapelle vorbei. Der Priester stand vor dem Tor und blickte grimmig von den Stufen auf sie hinab. Marga ignorierte das und ließ einen Blick auf den Friedhof dahinter gleiten. Eines der vielen Gräber musste das Grab sein, in dem ihre Mutter, ihr Ziehvater und ihre Großmutter gegraben lagen. Auf einen letzten Besuch verzichtete sie jedoch. Den halben Weg bis zum Tor hatte sie zurückgelegt und sie kam in geschäftigere Teile Jersas. Dort, wo die Läden und Gaststätten standen. Alle Menschen schauten auf sie. Alle hatten die Neuigkeit gehört, dass sie - der Schandfleck der Stadt - endlich verschwand. Scheinbar alle waren glücklich darüber, denn sie lächelten breit.
<span style="color:0109A;"> "Wenigens ihr macht keinen Hehl daraus, dass ihr mich nicht mögen." </span>, sagte sie so laut, dass alle sie hören konnten. So machte sie den Bewohnern Jersas wenigsten noch ein schlechtes Gewissen, bevor sie ging. Das bereitete ihr eine Befriedigung.
Endlich kam sie zum Holztor der Palisade, die Jersa wie ein Gürtel umfasste. Ein einzelner Wächter stand davor. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sich das Tor zur Freiheit öffnen würde. Selbstbewusst schritt sie auf den Mann zu.
Zuletzt geändert von Marga am Montag 2. Juni 2008, 18:43, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Ein letztes Mal durchs Dorf

Beitrag von Stadtwache » Dienstag 3. Juni 2008, 15:51

Heute hatte Gandrosh, der junge Wächter mit dem riesigen Ego, Dienst. Kaum das er Marga erspäht hatte, richtete er seine große, muskulöse Gestalt auf, ließ betont seine durchaus ausgeprägten Muskeln spielen.

"Wen haben wir den da? Die weibliche Ausgeburt der Unterwelt." Seine Stimme klang wie immer unangenehm und aufdringlich. Langsam schlenderte er auf Marga zu. "Na gibst du unserem kleinen Städtchen endlich den guten Ruf zurück?" Langsam fing er an sie wie ein Raubtier, das Beute gewittert hatte, zu umkreisen. "Wurde ja auch Zeit." Ein Grinsen, dass zu finster war, um forsch zu gelten, verzog seine gutaussehenden, harschen Züge. "Vielleicht haben ja die anderen Städte Glück und du überlebst die Reise durch den Wald nicht."

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Re: Ein letztes Mal durchs Dorf

Beitrag von Marga » Dienstag 3. Juni 2008, 20:20

Gandrosh... Warum musste es ausgerechnet Gandrosh sein? Wäre es doch nur einer der älteren Wächter. Die Älteren machten sich nicht die Mühe, sie zu beleidigen; Die Jungen hingegen hatten nicht verstanden, dass sie damit auf eine Steinmauer stießen, an der alle Worte wie Pfeile abprallten. Sie knirschte mit den Zähnen, als er auf sie zukam. Anstatt das Tor zu öffnen, wollte er sie noch mit ein paar Gemeinheiten verabschieden.

Er erreichte die Halborkin und fing mit seinen Beleidigungen an. Marga sagte erst nichts, blieb aber nicht untätig: Als er sie umkreiste, wie es eine Katze bei einer verzweifelten Maus tat, blieb sie nicht wie die Maus, sondern bewegte sich auch. Sie ging recht schnell auf das Tor zu, sodass Gandrosh sich sputen musste und sie somit nichtmehr umrunden konnte.

"Weib Ausburt des Unterwald? Neue Namen du dir nicht denken aus. Das sein seeehr alt. Ganos, du leer von Fantsie."

Sie wusste, dass dieser Satz den Wächter nicht sonderlich bekümmern würde, doch er flippte aus, wenn man seinen Namen nicht richtig aussprach. Marga blickte ihm dabei tief in seine braune Augen. Sie hatten die Form von gerösteten Haselnüssen, doch sie blickten immer in ihrer Nähe finster. Sie lies ihren Blick einmal über Gandroshes Körper gleiten. Unbestritten fand Marga die starken Muskeln anziehend. Wenn sie ein normales Menschenweib wäre, so hätte sie sich bestimmt in den gut aussehenden Jüngling verliebt, doch sie hielt ihn für einen Idioten ohne Manieren.

"Du fertig? Dann mach auf Tor und mich durchlassen."
Zuletzt geändert von Marga am Dienstag 3. Juni 2008, 20:23, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Ein letztes Mal durchs Dorf

Beitrag von Stadtwache » Freitag 6. Juni 2008, 00:26

Die Wache schien Margas Verhalten nicht wirklich zu beeindrucken. Nur für einen Sekundenbruchteil war Verärgerung in seinem Blick zu erkennen. Dann jedoch folgte er ihr in einem betont langsamen, schlendernden Gang, wobei er die Daumen locker in seinem Waffengurt einhakte.

„Lieber fantasielos, als so beschränkt wie du, Missgeburt.“ Seine Stimme troff nur so vor Boshaftigkeit. „Du bist ja zu dämlich um auch nur ein normales Wort aus deinen Reißzähnen hervor zu bekommen.“

Schließlich war er nun doch am Tor angekommen. Wieder glitt sein Blick geringschätzig über Marga. „Ein Glück habe ich eine wahrhaft heroische Ader...“ Ein finsteres Lächeln zog auf sein eigentlich so gut aussehendes Gesicht. „...und daher werde ich jetzt unsere Stadt von dir Abschaum befreien.“

Mit einer theatralischen, weit ausholenden Bewegung öffnete er das Tor, wobei seine Muskeln ein eindrucksvolles Spiel zeigten. „Auf dass dir dein Weg das zeige, was solche wie du verdienen.“ Seine boshaft funkelnden Augen ließen keine Zweifel zu, was er damit wohl meinte.

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Re: Ein letztes Mal durchs Dorf

Beitrag von Marga » Freitag 6. Juni 2008, 16:03

Als sie seinen Namen verstümmelte, schien er zwar kurz wütend zu sein, doch das legte sich sofort wieder und er verfiel wieder zurück in sein gewohntes Schema und verspottete Marga auch weiterhin. Sie bot diesmal keine Paroli, sondern ignorierte es lieber. Auch wenn sie dumm war, so verstand sie, dass jedes sinnlose Wortgefecht den Moment verzögern würde, in dem Gandrosh das Tor öffnete.
Stattdessen stellte sie sich lieber in Gedanken vor, wie es wäre, ihn umzubringen. Sein Körper war vom Kettenhemd mit Jorsans Adlersymbol geschützt, doch das Fleischermesser könnte sie ihm beispielsweise in den Schädel rammen. Oder ihm die Finger auf die Augen legen und sie mit Magie in Eiswürfel verwandeln. Tatsächlich kribbelte es schon in ihren Fingern und die Kälte kroch in sie hinein wie ein Wurm, doch sie schüttelte den Kopf. Ein Beobachter mochte denken, dass sie damit einfach nur auf die Frechheiten der Wache reagierte.

<b>Nein! Kaltmagie sein geheim, niemand darf erfahn. Keiner wissen, nur mich und Orlo und Orlo jetzt tot.</b>

Was hatte sie überhaupt geritten, dass sie versucht hatte, den Torwächter zu reizen? Das passte eigentlich gar nicht zu ihr. Vielleicht war es dieses Hochgefühl, gewesen, das Dorf endlich hinter sich lassen zu können? Das selbe hatte Marga schon auf der Bestattung ihres Ziehvaters gefühlt. Das Gefühl der Freiheit.
Sie hörte schon gar nicht mehr zu, was Gandrosh von sich gab. Das Holztor der Palisade schwang langsam auf und Marga wartete nicht lange, es zu durchqueren, so eilig hatte sie es. Dabei verstand sie noch das letzte, was der Wächter sagte.

"Es geben niemand wie mich.", stellte Marga fest. Sie war etwas viel besseres. Ein Juwel im Schlamm... Auf diesen klugen Vergleich war sie sehr stolz. Und Marga wusste, dass sie eigentlich nur das Beste verdiente. Sie trotzte Gift, Krankheit und Erschöpfung und konnte zaubern, Menschen hingegen waren minderwertig, nicht mehr als Vieh.
Doch ihre Magie war noch zu schwach und das störte Marga gewaltig. Um ihre Kräfte zu verstärken, brauchte sie entweder eine Lehrkraft oder besseren Bücher. Und das alles würde sie in der Hauptstadt Jorsa finden. Sie machte sich auf den gepflasterten Weg gen Südosten, auf dem Händler zwischen Jorsa und Jersa reisten, und lief ohne Zurückblicken los.
Zuletzt geändert von Marga am Freitag 6. Juni 2008, 16:04, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Ein letztes Mal durchs Dorf

Beitrag von Stadtwache » Samstag 7. Juni 2008, 01:24

Mit ihrer mangelnden Reaktion erreichte sie letztendlich genau das, was sie erreichen wollte. Gandrosh zeigte eine deutlich zornige Miene -und er öffnete das Tor schnell und energisch. „So viel Glück haben wir nicht.“ Er spuckte verächtlich auf die Erde knapp neben Margos Fuß. „Bestimmt gibt es noch mehr Missgeburten wie dich. Nur mit ein bisschen Verstand waren deren Mütter schlauer und töteten sie.“ Der letzte Gedanke schien ihn zu erfreuen, denn wieder zeigte sich das finstere Grinsen.

Kaum das Marga einen Schritt aus dem Tor gemacht hatte, wurde jenes schon mit einem lauten Knall wieder zugeschmissen. Mit einem lauten Poltern wurde das Tor wieder verriegelt. „Grausame Reise, Orkbastard.“ Ein hämisches Lachen folgte den Worten, dann sich entfernende Schritte, welche von einem fröhlichen Pfeifen und fernen Beifallsbekundungen begleitet wurde.

[weiter in „Zwischen Jorsa und Jersa“]

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