Ein Sturm zieht auf

In dieser Schule werden die tapferen Seemänner ausgebildet. Auch besitzt sie eine hauseigene Bibliothek mit Büchern über das Meer, Schiffe und Sonstiges über die Seefahrt
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Ein Sturm zieht auf

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 15. Februar 2024, 14:14

Rhuna kommt von: Rein ins Getümmel

Knarzend öffnete sich das schwere Holz so weit, dass sie hindurchschlüpfen konnten. Drinnen in der Schule befand sich als erstes ein Innenhof, der in der Mitte einen riesigen Anker ausgestellt hatte. Dieser war auf Hochglanz poliert und um ihn herum einige Blumen gepflanzt, in den Farben der Stadt. Daneben stand eine Statue eines wichtig aussehenden Mannes, der offenbar dieses Land erschlossen hatte. Eine nähere Erklärung gab es dazu aber nicht. Links und rechts vom Eingang befanden sich Äquadukte, die als Gänge dienten. Man war durch die halbrunde Bauweise vor Regen geschützt. Allerdings waren diese zu beiden Seiten geöffnet, sodass man sowohl den Innenhof als auch das Meer ringsherum sehen konnte. Rauschen wurde jeder Schritt von der Brandung begleitet, während hier und dort Wasser am Boden für die Gischt sprach, die auch mal hochspritzte. Sicherlich würde der Innenhof durchaus mal überflutet werden können, sollte es mal zu einer Sturmflut kommen. Jetzt aber gelang man trockenen Fußes zu einer Steintreppe, die wiederum zu den Äquadukten im ersten Stock führte. Von dort aus gelangte man schließlich über mehrere, braune Holztüren in das eigentliche Gebäude. Die Seemannschule war ein Turm. Er erstreckte sich gut sichtbar über ihre Köpfe hinweg und war unglaublich hoch. Höher noch als ein Leuchtturm, obwohl man erahnen konnte, das diese Schule ebenso einen derartigen Zweck erfüllen könnte. Breit und eckig war das Bauwerk und lud nicht unbedingt ein, hier zu verweilen. Allerdings gelang es durch ein wenig Liebe zum Detail, die Liebe zum Meer und zu Santros widerzuspiegeln. Hier und dort sahen Rhuna und Yedan immer wieder kleinere, maritime Indizien, wie Anker, Knoten, Kompasse oder Sternenbilder im Mauerwerk verewigt. Zudem war der Turm an sich ganz in Weiß gehalten und an jedem, kleinen Fenster gab es tatsächlich blaue Blumen, die irgendjemand pflegte. „Beeindruckend…“, murmelte Yedan, als er im Innenhof den Kopf in den Nacken legte und zur Spitze des Turms hinaufspähen wollte. Es gelang ihm beinahe nicht, ohne, dass ihm schwindelig wurde. Dann aber fanden die beiden den Weg, den Targin ihnen nannte. Backbordseite – also links – fanden sie im ersten Obergeschoss eine Tür, die sie ins Innere des Turms brachte.

Hier war der Boden aus Holz und es war erstaunlich hell. Die Wände waren aus dem selben, weißen Gestein, wie die Fassade des Turms und auch hier gab es immer wieder Zeichen des Stolzes für die Seefahrt und Santros selbst. In exakten Abständen lagen dicke Läufer auf dem Holzparkettboden aus und dämpften die Schritte. Immer mal wieder gab es Glasvitrinen, die einige alte Dinge ausstellte. Da waren zum Beispiel noch einige Wrackteile eines gesunkenen Schiffes, oder anderswo eine Uniform, irgendeines bestimmten Kapitäns, der geehrt wurde. Alles in allem war es gar nicht so ungemütlich, wie man es von außen vielleicht dachte. Im Innern des Gebäudes war es erstaunlich ruhig. Rhuna und Yedan fanden einen Gang vor, der einmal im Quadrat weiterführte und die Fenster zum Innenhof zeigten, dass sie sich nun im Turm selbst befanden. Jedes Stockwerk hatte eine Tür, die zum Treppenhaus weiterführte und wo man entweder weiter nach oben oder aber nach unten zum hinten liegenden Dock gelangte, von wo aus die Schiffe der Kadetten für Übungen ablegten. Überall war das Meeresrauschen zu hören und begleitete sie. „Ich war nie besonderes angetan vom Meer, mir war der Wald immer lieber, aber… das hier ist irgendwie gemütlich, findest du nicht?“, sprach Yedan, während sie den Weg weiterliefen. Es dauerte gar nicht lange, da hörten sie ein Klappern und Schmatzen. Offenbar tunkte jemand einen Mob in einen Eimer und ließ ihn dann auf den Boden klatschen. Und tatsächlich: Einige Schritte weiter stand eine Tür offen und gab den Blick auf ein Gemeinschaftsbad frei. Eine Reihe Waschbecken mit Spiegeln gab es, dahinter Toilettenkabinen. Mit dem Rücken zu ihnen stand ein breitschultriger Junge, der den Mob etwas lustlos über den Boden bewegte. Er trug, ebenso wie die anderen Kadetten, weiße Uniform, schwarze Schuhe und das schwarze, etwas längere Haar im Nacken gebunden. Seine Schultern waren kerzengerade und anhand seiner gutsitzenden Uniform durfte man erkennen, dass er äußerst trainiert war. Was man wohl auch für so eine Ausbildung sein musste.
Als der Junge wieder eintunken wollte, kippte der Eimer um und er fluchte lauthals „So eine verfluchte Drecksscheiße!“, knurrte er mit tiefem Timbre und senkte kurz resigniert den Kopf. Dann ließ er genervt den Wischmob fallen, dass es klapperte und hob den Eimer auf. Als er sich den Waschbecken zuwandte, fiel sein Blick auf Rhuna und Yedan. Letzterer hob eine Hand zum Gruß. „Wer seid ihr denn?“, murrte der Junge und trat an das Waschbecken heran, um den Eimer neu zu befüllen. Offenbar besaß die Seemannschule ein ausgeklügeltes System, um das Meerwasser zu nutzen, indem sie es filterten und dann auch in die oberen Stockwerke beförderte. Rhuna erkannte bereits am Profil die Ähnlichkeiten mit Pharus. Es war, als stünde eine junge Version ihres Freundes vor ihr. Das musste Bjorg sein… Er besaß die gleichen, schwarzen Haare und seine Augen waren durchdringend und blau. Er hatte ein kantiges Gesicht und ausgeprägten Kiefer. Seine Größe dürfte ungefähr die von Yedan entsprechen, dafür hatte er mehr Muskeln als der Halbelf. Bjorg sah auf seine Art gut aus, auch wenn er wesentlich jünger sein dürfte. Vielleicht gerade 19 oder 20. Auch fehlte dem jugendlichen Gesicht der Dreitagebart, den Pharus immer gerne zur Schau getragen hatte, um verwegener auszusehen. „Kommandantin Targin müsste unten sein.“, sprach Bjorg weiter und befüllte den Eimer mit lustlosem Ausdruck im Gesicht. „Oder sucht ihr den Dekan? Der ist sicher schon saufen.“, meinte er flapsig und wandte sich ihnen dann abwartend zu. „Also?“, fragte er auffordernd und schien nicht recht Lust zu haben, sich bei seiner Strafarbeit unterhalten zu müssen.
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Re: Ein Sturm zieht auf

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Samstag 17. Februar 2024, 16:04

Dank Arronds Brief verhielten sie tatsächlich sofort Zutritt zur Seemannsschule und die Kommandantin beschrieb ihnen den Weg, der sie zu Bjorg führen würde.
Sich bedankend verloren Yedan und sie dann auch keine weitere Zeit und folgten den Beschreibungen. Rhunas Blick wanderte neugierig umher, denn die Schule hatte Pharus das ein oder andere Mal in seinen Erzählungen erwähnt. Gerade den, im Hof stehenden, großen Anker erkannte sie wieder und musste schmunzeln, als sie sich einen jüngeren Pharus vorstellte, wie er die Farbe von dem schweren Metall abschrubbte, die er mit ein paar Freunden darüber gespritzt hatte. Dabei fiel ihr auf, dass sie sich nicht mehr genau an seine Augen und Züge erinnern konnte, was ihr doch einen Stich im Herzen verursachte.
Die Gänge waren breiter, als sie es angenommen hatte und plötzlich im Innern des Gebäudes, kam es ihr noch viel größer vor. Waren sie gerade richtig abgebogen?
Yedan bewies wieder einmal einen deutlich besseren Orientierungssinn. Auch wenn ihrer nicht schlecht war, war sie froh ihm eher folgen zu können. So betrachtete sie viel mehr die kleinen Details in den Mauern. Die Seemannswelt war ihr vollkommen fremd, wenn man von Pharus Geschichten absah, doch sie war neugierig darauf. Und wenn sie ihren Blick auf das schimmernde Meer richtete, meinte sie die Liebe, die ihr Freund dafür empfunden hatte, nachempfinden zu können.
Der Turm war wirklich imposant und beide mussten ihren Kopf weit in den Nacken legen, um zur Spitze sehen zu können.
„Beeindruckend…“, murmelte Yedan und Rhuna konnte ihm nur zustimmen, als auch sie hinauflugte und die Wolken an den Dachziegeln vorbeiziehen sah.
„Da sagst du was…!“, meinte sie bestätigend ehe sie an den Fenstern überall die Blumen entdeckte.
„Diese Blume sieht man hier immer wieder. Ob sie von den Santronern auch irgendwie als Stadtsymbol verwendet wird?“, rätselte sie, ehe sie links abbogen und die Türe durchquerten, um das Innere des Turms zu betreten.
Auf dem Weg hinauf gab es weiter viel zu entdecken, doch wirklich Zeit hatten sie nicht alles zu bestaunen. Rhuna fühlte sich plötzlich wie ein einer anderen Welt und irgendwie konnte sie darüber ihr Lächeln nicht zurückhalten. So zurückhaltend sie oftmals wirkte schien sie es zu genießen Neues zu erleben, doch konnte ihre Begeisterung und Neugierde das kriechende Gefühl der Nervosität vor dem Treffen nicht ganz wegtäuschen.
„Ich war nie besonderes angetan vom Meer, mir war der Wald immer lieber, aber… das hier ist irgendwie gemütlich, findest du nicht?“, fragte Yedan sie.
„Doch, du hast recht! Aber es fühlt sich trotzdem irgendwie vertraut an oder? Das Meeresrauschen und das Rauschen des Windes in den Blättern klingt unterschiedlich, aber beides läd zum Entspannen ein!“, erzählte sie fröhlich, bis ihre Aufmerksamkeit von anderen Geräuschen angezogen wurde.
Einige Schritte weiter kamen sie zu einer geöffneten Türe, hinter der sich ein Gemeinschaftsbad befand. Und langsam aber sicher ergaben die Klänge einen Sinn: jemand schien den Boden mit einem Mob zu wischen!
Als sie in den Türrahmen traten, fiel Rhunas Blick auf den Rücken eines Mannes, der nahe der Toilettenkabinen einen Mob lustlos über den Boden zog. Ihr Herzschlag beschleunigte sich augenblicklich und die Nervosität ließ ihr Lächeln versiegen.
Die dunklen Haare, der breitschultrige Körperbau… es war als würde sie in ihrem Garten in Shyána stehen und ihrem Freund dabei zusehen, wie er in die Wolken starrte.
„Bjorg…!“, flüsterte sie leise und für menschliche Ohren vermutlich nicht hörbar. Er musste es sein und dabei hatte sie noch nicht einmal sein Gesicht gesehen!
Der junge Mann wollte gerade seinen Wischer in den Eimer tunken, als dieser aufgrund seiner fahrigen Bewegungen umfiel. Das Wasser breitete sich fächerartig über den Boden aus und ein Fluch hallte durch den Raum.
„So eine verfluchte Drecksscheiße!“ Es waren die ersten Worte, die Rhuna vom Sohn ihres Freundes zu hören bekam. Ihr violetter Blick lag aufmerksam auf seiner Gestalt und registrierte das resignierte senken des Hauptes, ehe er den Wischmob fallen ließ. Als sich der Seemannsschüler umdrehte, wurde er sich der Anwesenheit der beiden Elfen bewusst und warf ihnen einen leicht skeptischen Blick zu. Zumindest sah es für die Brünette so aus.
„Wer seid ihr denn?“, murrte der Junge, der seinen Blick wieder abwandte um den Eimer neu mit Wasser zu befüllen. Das Kanalsystem für die Wasserzufuhr war wirklich beeindruckend.
Als Rhuna ihren Blick auf Bjorgs Gesicht richtete, spürte sie erneut ein Zusammenziehen ihres Herzens. Er sah Pharus so verdammt ähnlich! Lediglich das Alter, der fehlende Dreitagebart und der mürrische Blick wollten nicht so recht zu der Erinnerung passen, die sie von ihrem Freund hatte.
Er hat genauso blaue Augen wie er. Sie sind wirklich wie das Meer!, dachte sie und spürte, wie sie sich einen Moment versteifte. Ihre rechte Hand griff über ihre Brust zum Stoff ihres Kleides. Sie hatte das Gefühl ihren Herzschlag bis dorthin an ihren Fingern spüren zu können.
Äußerlich sah man ihr dies zum Glück nicht wirklich an, doch brauchte sie offenbar einen Moment mit ihrer eigenen Überraschung über seinen Anblick und die Ähnlichkeit zu Pharus klar zu kommen. Irgendwie hatte sie ihn sich anders vorgestellt … doch warum wusste sie nicht! Pharus hatte ihr nur ein paar Mal und recht am Ende seiner Zeit von seinem Sohn erzählt und in diesen Versionen war der junge Mann wirklich noch ein Junge gewesen.
„Kommandantin Targin müsste unten sein.“, sprach Bjorg weiter, begleitet von dem Plätschern des Wassers, dass sich strudelartig im Eimer sammelte.
„Nun…“, begann sie leise und irgendwie mit belegter Stimme, so dass sie den Satz selbst nicht zu Ende führte und sich leise räusperte. Was hatte sie nur erwartet, wie sie sich fühlen würde, wenn sie Bjorg gegenüberstand? Irgendwie hatte sie sich darüber während ihrer Reise nie Gedanken gemacht. Und nun fühlte sie sich mit einem Mal vollkommen unvorbereitet!
„Oder sucht ihr den Dekan? Der ist sicher schon saufen.“ Freundlich klang anders und auch darin unterschied sich der junge Mann von seinem Vater. Dessen Stimme hatte nie an Freude oder Scherz verloren…
„Also?“, fragte er auffordernd und Rhuna löste den Griff um den Stoff. Sie ließe die Hände wieder sinken und atmete leise tief ein, um sich zu beruhigen und zusammenzureißen.
„Wir suchen nicht den Dekan. Wir sind wegen dir hier!“, begann Rhuna und sah kurz zu Yedan, um sich etwas Mut zu machen, ehe sie einen Schritt näher auf den Schwarzhaarigen herantrat.
Als sie näher bei ihm stand, musste sie auch aufgrund des Größenunterschieds zu ihm aufsehen und irgendwie fühlte sie sich plötzlich und für den Bruchteil einer Sekunde gegen ihn sehr klein und vor allem schmal! Dennoch ließ sie sich nicht weiter von ihren Gefühlen aufhalten.
„Ich bin Rhuna und komme aus Shyána Nelle. Es wird dir sicher komisch vorkommen, aber ich war auf der Suche nach dir, weil…“, bisher hatte ihre Stimme klar und selbstsicher gewirkt, doch unter dem blauen Blick begann dieses etwas zu sinken. Wieso sah er Pharus auch nur so ähnlich?
„… also…“, begann sie weiter und ihr Griff umschlang nun den Lederriemen ihrer Seitentasche, in der neben dem Brief auch das Seemannsmesser des verstorbenen Santroners aufbewahrt war.
„… ich habe eine Nachricht von deinem Vater – Pharus Tamakiel!“ Ihr Herz schlug mittlerweile schmerzhaft schnell und die Nervosität pochte in ihren Ohren. Es gelang ihr nur mit viel Selbstdisziplin ihre Atmung ruhig zu halten. Als sie Pharus Namen ausgesprochen hatte, hatte sich ihr Blick leicht verändert. Sie sah Bjorg durchdringend an, der vermutlich nicht ahnte, dass seine Person in der fremden Elfe ein kleines Gefühlschaos anrichtete.
Sie senkte nur langsam den Blick und öffnete die Tasche, aus der sie den Brief und auch das Messer entnahm.
„Es kann sein, dass er nicht freundlich reagiert, mein Spatz!“, hörte sie Pharus Worte aus ihrer Erinnerung hallen, so dass sich ihr Griff um den Brief nur noch etwas stärker verfestigte.
„Bjorg war nicht nur einmal wütend darüber, dass ich wieder auf Reisen ging…“
Ihr Blick richtete sich wieder gefestigt in sein Blau und achtete auf jede Gefühlsregung in seinem Gesicht…

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Re: Ein Sturm zieht auf

Beitrag von Erzähler » Samstag 17. Februar 2024, 20:56

Die Seemannsschule war einfach beeindruckend. Gerade für jemanden, wie Yedan, der nur die Wälder und die Schönheiten der Natur kannte, waren Bauwerke dieser Größenordnung regelrecht majestätisch. Auch wenn er wohl selbst niemals in so einem Gebäude ein Zuhause finden könnte, konnte sein offenes Naturell durchaus anerkennen, dass dies geschaffen wurde. Geschaffen durch bloße Vorstellungskraft, präzisen Berechnungen und Leidenschaft. Die Schule an sich bildete bereits viele Generationen in der Nautik aus und verhalf Abenteurern zu einer Plattform, die ihnen als Sprungbrett dienen konnte. Dass das Ganze auch recht militant wirkte, war nun mal dem hohen Standart geschuldet, den man hier erreichen wollte. Santros galt nicht ohne Grund als DIE Adresse, für eine fundierte Ausbildung. Heute hatten Yedan und Rhuna Glück, dass sie alles ein wenig genauer inspizieren durften. Zwar war die Schule nicht für Besucher geöffnet, aber Arrond’s Brief hatte seine Wirkung, wie versprochen, nicht verfehlt. Und Arunn hatte nicht übertrieben, als er meinte, dass Arrond einflussreich und hilfreich für sie alle sein würde. Es war ein großes Glück, dass der Dessarier bei ihnen war und sich offenbar in der Welt auch ganz gut auskannte. Die Details in den Gängen der Seemannschule waren allesamt fein aufeinander abgestimmt. Tatsächlich fand sich immer wieder ein florales Thema, das Rhuna auffiel. Schon der Blumenwagen war derart bepflanzt gewesen und nun hatte sie selbst eine jener Blüten im Haar. „Diese Blume sieht man hier immer wieder. Ob sie von den Santronern auch irgendwie als Stadtsymbol verwendet wird?“ Yedan musterte die Blütenpracht an den kleinen Fenstern des Turms und schaute dann auf Rhuna’s Haare. „Vermutlich geht es eher um die Farbe. So ein sattes Blau… ist das natürlich oder haben sie einen Naturmagier, der die Farbe kreuzt?“, fragte er sich zu diesem Thema und strich Rhuna eine Haarsträhne hinter das spitze Ohr und lächelte sie warm an. Auch wenn man sich mit Seemannsgarn und nautischen Dingen nicht besonders gut auskannte oder bisher auch nicht langfristig über etwas darüber nachgedacht hatte, schaffte es die Liebe zum Detail tatsächlich ein Gefühl von Gemütlichkeit und Wohlwollen zu erreichen. Man hatte nicht den Eindruck, dass die Kadetten hier schmucklosem Drill ausgeliefert wurden, sondern tatsächlich sich auch wohlfühlen sollten. Wie nun die Mannschaftsschlafsäle aussähen, bliebe zu überprüfen, aber die Gänge zu den Klassenzimmern und Sanitäranlagen waren jedenfalls hübsch. Doch so sehr Rhuna sich an den Details erfreuen konnte, ihr Gang war ein schwerer. Sie spürte es mit jedem Einsinken ihrer Füße in den etwas dickflorigen Teppichläufer, der ebenfalls blau und an den Rändern weiß, gehalten war. Irgendwann zogen Geräusche ihre Gedanken aus dem Rauschen der Wellen, das sie als entspannend beschrieb. Yedan hatte sie dabei nur beobachtet und einen warmen Blick für sie übriggehabt.
Rhuna wusste, dass sie ihrem Ziel langsam näherkamen, und fühlte die Anspannung in sich aufsteigen. Schon beim ersten Blick auf die breiten Schultern, den schlanken Rücken und die etwas längeren, schwarzen Haare, schossen ihr die Erinnerungen an Pharus durch den Körper. Er war es. Die Erkenntnis war so einfach, wie aufwühlend und als sich der junge Mann umdrehte, war es, als würde sie in eine jüngere Version ihres Freundes schauen. Das allein sorgte schon für absolute Nervosität bei ihr. Yedan trat an seine Freundin heran und streichelte sanft über ihre Finger, um ihr etwas Mut zu geben. Der erste Ausspruch, verriet auch, dass Bjorg eine ähnliche Stimmfarbe, wie sein Vater geerbt hatte. Sie war noch etwas heller, nicht ganz so rauchig, aber es war unverkennbar. Was er allerdings sagte, verstand Rhuna nicht, war es doch in Sendli gehalten. Dass es kein netter Gruß war, sagte ihr allerdings die Klangfarbe seiner Stimme und die Körperhaltung. Danach musste Rhuna sich vorerst sammeln. Sie starrte Bjorg ein wenig an, sodass jener sich bemüßigt fühlte, voranzupreschen und ihnen zu sagen, wo die offenbaren Ansprechpartner für die Schule waren. Dass sie zu ihm wollen könnten, kam dem Jungen nicht eine Sekunde lang ins Gedächtnis. Warum auch?

Rhuna stand einer jüngeren Version ihres toten Freundes gegenüber und musste das erstmal verdauen. Auch wenn Bjorg bedeutend zorniger und gar etwas unfreundlich wirkte, war er dennoch auskunftsfreudig und halbwegs geduldig. „Wir suchen nicht den Dekan. Wir sind wegen dir hier!“ Bjorg stutzte und hielt in seiner Bewegung inne. Misstrauisch beäugte er erst Rhuna, dann Yedan. „Wer schickt euch?!“, wollte er sofort wissen und wirkte alarmiert. Yedan schüttelte den Kopf und hob beschwichtigend die Hände. „Niemand… nun, nicht direkt..“, bemühte sich der Halbelf. Bjorg aber blieb misstrauisch. Rhuna trat einen Schritt auf den Jungen zu und Yedan wollte sie noch aufhalten. Er wirkte vorsichtig im Bezug auf Bjorg. „Ich bin Rhuna und komme aus Shyána Nelle. Es wird dir sicher komisch vorkommen, aber ich war auf der Suche nach dir, weil…“ Die blauen Augen verengten sich prüfend und er sah auf Rhuna herab. „Weil?“, wartet er lauernd ab. Offenbar rechnete der Junge damit, dass er Scherereien bekommen würde. „… also…“ Seine Augen glitten an Rhuna vorbei zu Yedan, er stehengeblieben war. Er wollte den Jüngeren nicht einschüchtern und beobachtete trotzdem mit wachsamem Blick, wie er sich verhielt. Er würde Rhuna nicht einer Gefahr aussetzen, weil Bjorg von etwas Falschem ausging. „… ich habe eine Nachricht von deinem Vater – Pharus Tamakiel!“ Bjorg’s Gesicht entglitt kurz. Er starrte Rhuna wieder an und schien für einige Sekunden sprachlos. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet! Bjorg umklammerte daraufhin äußerst fest den Stiel des Mobs und mahlte die Kiefer aufeinander. „Ist das ein dummer Scherz?“, wollte er grollend wissen. Der Junge hatte längst nicht die feine Note von Schalk in seinem Ausdruck. Er besaß auch nicht die Güte, den Humor von Pharus. Er zeigte keine Spuren von Abenteuerlust und Freiheit auf See. Er wirkte gestresst, abgekämpft und wütend. „Verschwindet von hier, bevor ich mich vergesse!“, blaffte er los und schnaubte verächtlich. Yedan öffnete seine Haltung alarmiert, bei der erhobenen Stimme des Dunkelhaarigen. Er trat einen Halbschritt an Rhuna heran und lauerte. Bjorg aber registrierte das und wich zurück. „Verschwinde, Mann! Ich schwöre dir, ich hab‘ da keine Lust zu, aber ich verarbeite dich zu Kleinholz, wenn du Dummheiten machst!“, warnte er ihn.
Bjorg wirkte wie ein Mann in seinem Alter, der noch nicht seine Mitte gefunden hatte. Er war… ein Bisschen zu viel Muskeln, ein bisschen zu wenig Nachdenken. Er war impulsiv und launisch. Offenbar hatte er Probleme hier in der Schule, denn die Strafarbeit war nicht die erste. Yedan atmete durch, wie Rhuna in ihrem Rücken hören konnte, doch wappnete sich der Sarier etwas für die kommenden Worte. Er wollte Rhuna helfen und nicht Teil des Problems sein. „Bjorg – mein Name ist Yedan. Es ist vollkommen verständlich, dass du nicht glaubst, was wir sagen aber…“, er warf dem Mob einen Blick zu. Dann kam Yedan eine Idee.

„Vorschlag: Wenn du dich bereiterklärst, mit Rhuna einen Moment zu reden, übernehme ich in der Zwischenzeit deine Strafarbeit und mache sie fertig. Dann wirst du keinen Zeitverzug haben und… Rhuna kann dir etwas näher berichten.“ Abwartend ruhte das dunkle Braun auf dem Jüngeren und Bjorg runzelte die Stirn. „Ist das ein Trick?“, wollte er wissen, wechselte von Yedan zu Rhuna und zurück. Er haderte, dann schob er Yedan Eimer und Mob hin und blickte zu Rhuna. „Du hast fünf Minuten!“, räumte er ihr ein und ging dann bereits an ihr vorbei, um die Toiletten zu verlassen. Yedan lächelte Rhuna aufmunternd zu und ermutigte sie mit einem Nicken, dem Jungen zu folgen. Sie würden sich schon wiederfinden. Bjorg aber wartete draußen auf den Gängen auf die Elfe. Er hatte die Arme verschränkt und wirkte noch etwas unsicher, ob das alles nur ein blöder Streich sein könnte. Dann nickte er mit dem Kopf. „Da lang.“, wies er Rhuna an und kam mit ihr gemeinsam schließlich an eine kleine Erkernische, die mit drei Fenstern direkt auf das Meer wies. Hier saß man recht gemütlich in weißen Korbsesseln mit blauen Polstern und einem kleinen Tisch dazwischen, auf dem man wohl auch Tee oder Gebäck abstellen könnte, was ein kleiner runder Glasabdruck und ein paar Krümel verrieten. Bjorg fläzte sich in einen der Korbsessel und starrte für einen Moment aus dem mittleren Fenster. Im Profil hatte er Pharus‘ Nachdenklichkeit geerbt und selbst in der Art sich zu bewegen oder Worte zu betonen, waren sie sich so unheimlich ähnlich. Nur der Zorn… der war neu. „Also dann.“, beschleunigte er die Dinge und kehrte mit seinem Blau zu Rhuna’s Violett. „Woher kennst du meinen Vater, wieso glaubst du, dass ich eine Nachricht von ihm will, und was soll das alles hier?“, wollte er wissen und behielt sie direkt im Blick.
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Re: Ein Sturm zieht auf

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Sonntag 18. Februar 2024, 00:02

Yedan an ihrer Seite zu wissen beruhigte Rhuna sehr. Vermutlich wusste der Halbelf nicht einmal welchen Wert er mittlerweile in ihrem Leben besaß, auch wenn sie manchmal ein paar Worte wählte, die darauf hinwiesen. Mit einem sanften Lächeln betrachtete sie sein Profil, nachdem er ihr ein paar Strähnen hinters Ohr gestrichen hatte und sie nun weiter den Weg entlangbegleitete.
Bei Bjorg angekommen traf die junge Elfe allerdings auf ein Spiegelbild ihrer Vergangenheit. Der junge Mann sah ihrem verstorbenen Freund so ähnlich, dass ihr Herz gleichermaßen vor Freude tanzte und sich schmerzhaft zusammenzog. So lange sie auf diese Begegnung hingearbeitet hatte, war sie nun doch vollkommen überrumpelt und fand zunächst nicht die Worte, die sie wählen wollte. Ihre Gedanken waren plötzlich vollkommen chaotisch und sie wusste nicht so recht welches Detail in Bjorgs Gesicht sie als erstes ansehen sollte.
Du hättest mir sagen können, dass er dir wie aus dem Gesicht geschnitten ist…!, murrte sie gedanklich mit Pharus, ehe sie sich nach einem tiefen Atemholen zusammenriss und dem Schwarzhaarigen mitteilte, dass sie hier waren, weil sie ihn gesucht hatten.
Bjorg stutzte und hielt in seiner Bewegung inne. Es war ihm anzusehen, dass er mmit solch einer Information nicht gerechnet hatte und Rhuna konnte ihm sein Misstrauen irgendwo nicht verübeln. Doch gleichzeitig… die Art und Weise, wie er sie und Yedan beäugte, war irgendwie besonders tief.
„Wer schickt euch?!“, fragte der Mensch alarmiert und das Blau seiner Augen verengte sich, so dass die junge Elfe etwas verwundert den Kopf zur Seite neigte. Pharus hatte sie niemals so angesehen! Er schien allgemein niemandem groß Argwohn oder Misstrauen entgegengebracht zu haben und hatte das Getuschel und teils hochmütige Gerede einiger Shyáner mit einem heiteren Lächeln ignoriert. Bjorg hingehen…
„Niemand… nun, nicht direkt..“, warf nun Yedan beschwichtigend ein, doch war es Rhunas Aufgabe das Missverständnis aufzuklären. Von daher trat sie einen Schritt auf den Schwarzhaarigen zu, der sie noch immer misstrauisch beäugte. Dass sich ihr Halbelf um ihre Sicherheit sorgte, entging ihr allerdings. Ihre Aufmerksamkeit lag bei Bjorg, dem sie sich nun vorstellte und etwas holprig erklärte, weshalb sie ihn gesucht hatte. Dabei half es ihr nicht gerade, dass Bjorg in ihren Pausen immer wieder das letzte Wort wiederholte und sie gleichzeitig mit diesem prüfenden Blick bedachte, der sie immer nervöser machte.
Bei Florencia, reiß dich zusammen!, ärgerte sie sich gedanklich über sich selbst und überwand dann ihre Nervosität, so dass sie mit der Sprache herausrückte:
„… ich habe eine Nachricht von deinem Vater – Pharus Tamakiel!“ Ihr Blick hatte sich gefestigt, doch als Bjorg sein Gesicht entglitt und er sie geradezu anstarrte, wuchs erneut die Unsicherheit. Hatte sie mit solch einer Reaktion gerechnet? Welche hatte sie überhaupt erwartet?
„Ist das ein dummer Scherz?“, wollte er grollend wissen, woraufhin sie hastig mit dem Kopf schüttelte. Hatte Pharus also doch recht gehabt: Die Erwähnung seines Vaters löste nicht unbedingt Begeisterungsströme in seinem Sohn aus.
„Verschwindet von hier, bevor ich mich vergesse!“, blaffte Bjorg sie an, doch gewann ihre Sturheit wieder die Oberhand und sie blieb an Ort und Stelle stehen und wich nicht einmal einen halben Schritt zurück. Ihr Blick wurde ernster und der Griff um das Messer und den Brief festigte sich. So schnell würde sie nicht aufgeben!
Dass Yedan aus Sorge in ihrem Rücken näher gekommen war, hatte sie nicht bemerkt, doch brachte Bjorgs Reaktion sie dazu, sich kurz zu ihrem Sarier umzusehen.
„Verschwinde, Mann! Ich schwöre dir, ich hab‘ da keine Lust zu, aber ich verarbeite dich zu Kleinholz, wenn du Dummheiten machst!“, warnte der Mensch, so dass Rhuna Blickkontakt zu Yedan suchte. Sie schüttelte leicht mit dem Kopf und lächelte ihn an, zum Zeichen, dass sicher nichts geschehen würde.
Dann sah sie zu dem Sohn ihres Freundes zurück und sie fragte sich, ob seine etwas überspitzte Reaktion auf etwas zurückzuführen war. Hatte er vielleicht schon mal schlechte Erfahrungen gemacht? Dabei fiel ihr Blick wieder auf den Mob und sie erinnerte sich an die Worte der Mädchen.
„Bjorg – mein Name ist Yedan. Es ist vollkommen verständlich, dass du nicht glaubst, was wir sagen aber…“ Yedans Worte lenkten wieder Rhunas Aufmerksamkeit zu ihm zurück, bevor sie sich intensivere Gedanken darüber machen konnte, ob und welche Art von Problemen der Schüler wohl hatte.
„Vorschlag: Wenn du dich bereiterklärst, mit Rhuna einen Moment zu reden, übernehme ich in der Zwischenzeit deine Strafarbeit und mache sie fertig. Dann wirst du keinen Zeitverzug haben und… Rhuna kann dir etwas näher berichten.“ Nicht nur Bjorg überraschten die Worte des Halbelfen – auch Rhuna sah verwundert zu ihm. Tatsächlich war sein Vorschlag, abgesehen davon, dass er sehr nett war, sehr bedacht und hilfreich: immerhin hatte die Kommandantin Targin ihnen halb gedroht Bjorg nicht von seiner Strafarbeit abzuhalten, da dieser offenbar ein Zeitlimit aufgebrummt bekommen hatte.
Rhunas Violett huschte zurück zu dem großgewachsenen Menschen. Ob er das Angebot annehmen würde?
„Ist das ein Trick?“, fragte er nach und wechselte weiter misstrauische Blicke zwischen ihr und dem Sarier, bis er offenbar resignierte und ihren Bitten nachgab.
„Du hast fünf Minuten!“ Auf die Worte hin breitete sich ein Strahlen auf ihrem Gesicht aus. „Das reicht mir, danke!“, sagte sie und machte Anstalten dem Jüngeren zu folgen, als sie noch einmal innehielt und Yedan ansah. Er nickte ihr lächelnd zu und sie faltete es erwidernd die Hände vor dem Gesicht und formte stumm die Worte: Ich danke dir!!! Dass Yedan nun zum Putzen verdonnert war brachte ihr dann doch ein schlechtes Gewissen ein, doch sie nahm sich vor es wieder gut zu machen. Doch nun folgte sie Bjorg und wieder verriet sie ihr Herz, indem es erneut vor Nervosität schneller zu schlagen begann.
„Da lang.“, wies er Rhuna noch immer etwas mürrisch an und führte sie dann den Gang hinab zu einer Erkernische. Warmes Licht brach durch die Fenster und ließen den Magentastich in ihren Augen intensiver durchbrechen. Für einen Moment sah sie hinaus aufs Meer, das ruhige Wellen warf.
Bjorg ließ sich auf einem der Korbsessel nieder und auch Rhuna setzte sich, so dass sie ihm gegenübersaß. Er wandte ihr gerade sein Profil entgegen und sie schluckte, weil er in diesem Moment seinem Vater unglaublich ähnlich war. Dieser hatte häufiger mit genau demselben Blick in den Himmel gesehen – ganz so, als würde er hoffen sein geliebtes Meer darin wiederzuentdecken.
„Also dann.“, begann der junge Mann dann und begegnete ihrem Blick, so dass sie sich kurz etwas gerader aufrichtete.
„Woher kennst du meinen Vater, wieso glaubst du, dass ich eine Nachricht von ihm will, und was soll das alles hier?“ Die Fragen waren berechtigt, auch wenn sie harsch klangen. Besonders der Teil, indem er andeutete die Nachricht gar nicht zu wollen.
Rhuna senkte kurz ihren Blick auf den Brief und das Messer in ihren Händen.
„Pharus er… war bei mir in Shyána und bat mich dir diesen Brief zu geben! Es war ihm so wichtig, dass du ihn erhältst.“, begann sie und sah ihn dann wieder an. Mit gefestigter Miene streckte sie die Arme aus und hielt ihm den Brief und das Messer entgegen.
„Ich bitte dich, nimm ihn an und lies ihn! Danach erzähle ich dir alles, was du wissen willst!“ Auch ihr Blick bat ihn innig um diesen kleinen Vorschuss an Vertrauen. Sie wusste nicht wie sie Bjorg sagen sollte, dass sein Vater nicht mehr lebte. Dass es ihm leidtat ihn nicht mehr wiedersehen zu können und dass er sich entschuldigte, kein besserer Vater gewesen zu sein.
Rhuna wusste nicht, was in dem Brief stand, doch hatte Pharus ihr oft von seinen Gedanken erzählt. Und auch wenn er nichts in seinem Leben bereuen konnte – da er ein Abenteurer durch und durch gewesen war – so bereute er nicht mehr Zeit mit seinem Sohn gehabt zu haben.
Ihr Blick tastete das junge Gesicht ab und sie entdeckte eine kleine Narbe neben Bjorgs rechten Ohr. Sie kannte die Geschichte hinter dieser verheilten Verletzung, die bereits Bjorgs halbes Leben zurücklag. Und aus irgendeinem Grund sorgten eben diese Geschichten, dass der junge Mann vor ihr, ihr nicht ganz so fremd war, wie er sein müsste.
„Bitte…!“, flüsterte sie noch einmal leise und hoffte, dass er sie erhören würde.

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Re: Ein Sturm zieht auf

Beitrag von Erzähler » Sonntag 18. Februar 2024, 21:57

Es war schon eine enorme Hilfe, wenn man jemanden, wie Yedan an seiner Seite hatte. Der Sarier bewies immer wieder ein feines Gespür für Situationen und schaffte es, seine eigenen Empfindungen hintenan zu stellen. Rhuna erhielt also Unterstützung von ihm und konnte sich darauf verlassen, dass er die Aufgabe auch wirklich übernahm, wenn er sie schon anbot. Die Aussicht, die Latrinen nicht mehr putzen zu müssen, half ebenso dabei, Bjorg zu einem Gespräch zu bewegen. Er ließ sich widerwillig darauf ein und führte Rhuna daraufhin zu einer doch recht hübschen Sitznische. Das Wetter war noch immer wundervoll und so glitzerte die Sonne nicht nur auf dem Meer unter ihnen, sondern auch in dem Violett ihrer Augen. Bjorg betrachtete das Spiel einen Moment, dann wandte er sich mürrisch ab. Tatsächlich war er um einiges muskulöser als sein Vater es gewesen war. Pharus hatte nie erwähnt, dass sie sich so ähnlich sahen. Aber vielleicht wusste er es auch nicht, was aus Bjorg geworden war? Pharus war immer wieder auf Reisen gewesen und hatte viele Entwicklungsschritte seines Kindes nicht mitbekommen. Und dann… wurde Bjorg zum Mann. Auch das hatte Pharus versäumt war kurze Zeit später verstorben. Das dem Jungen beizubringen, der ohnehin nicht gut auf seinen Vater zu sprechen schien, war… eine ziemliche Aufgabe, der Rhuna sich gegenüber sah. Bjorg erwartete jetzt aber, dass sie auch sprach. Vermutlich würde er dann das Ganze sonst abbrechen und ihre Chance wäre vertan. „Pharus er… war bei mir in Shyána und bat mich dir diesen Brief zu geben! Es war ihm so wichtig, dass du ihn erhältst.“ Sein blauer Blick legte sich auf ihre Hände und begutachtete, das Dargebotene. Draußen vor dem Fenster segelte mit gemächlicher Fahrt ein Schiff mit weißen Segeln in Richtung Hafen. Einige Möwen zogen am blauen Himmel ihre Kreise. Es war friedlich hier, während die Strahlen der Sonne ihre Haut wärmten.

„Ein Brief und ein rostiges Messer?“, Bjorg schnaubte ablehnend. „Ich bitte dich, nimm ihn an und lies ihn! Danach erzähle ich dir alles, was du wissen willst!“ Er musterte Rhuna und für einen Moment erkannte sie das, was Pharus ausgemacht hatte. Der Junge war nur zornig, aber in ihm schlummerte der gute Teil seines Vaters. Der leichte Bruch im Blick des Schwarzhaarigen, ließ ihn ausatmen und handeln. Er lehnte sich vor, nahm Brief und Messer und legte letzteres auf seinem Schoß ab, um den Brief zu öffnen. Das Pergament hatte etwas gelitten unter ihren eigenen Abenteuern, doch war es glücklicherweise immer gut behütet von ihr geblieben, sodass Bjorg nun die Worte seines Vaters lesen konnte. Rhuna blieb für den Moment nur die Interpretation seiner Mimik. Der Sohn runzelte die Stirn, dann brach das Gesicht wieder auf, dann verdüsterte es sich wieder. Was auch immer darin stand: Es ließ den jungen Mann nicht kalt. Er wusste nicht mit seinen Gefühlen umzugehen und zerknüllte am Ende die letzten geschriebenen Worte seines Vaters. In seiner Faust quetschte er sie aus und mahlte mit seinem Kiefer. Für einen Moment sah es so aus, als würde Bjorg jeden Augenblick laut werden. Seine Fingerknöchel wurden bereits weiß von so viel Druck, den er um die Worte seines Vaters aufbaute. Doch dann brach diese Mimik der Wut komplett und er atmete leidend aus, öffnete hastig seine Hand und strich den Brief glatt. Bjorg atmete schwer, dann schloss er die Augen und verbarg sein Gesicht mit seiner Hand. Rhuna hörte ein leises Schluchzen und sah, dass er sich versuchte vor ihrem Blick zu verstecken. In seiner Hand hielt er den halbwegs gerichteten Brief, doch lesen konnte Rhuna es nicht, da die Worte auf Sendli waren. Erkennen konnte sie aber, dass es nicht viele Worte waren, die Pharus seinem Sohn geschrieben hatte. Sie reichten aber wohl, damit sich Bjorg ihr gegenüber öffnete. „Er ist tot, nicht wahr?“, fragte er plötzlich aus dem Nichts heraus.
Bjorg nahm seine Hand wieder hinunter und blickte Rhuna aus glasigen, leicht feuchten blauen Augen an. „Dieser Mistkerl…“, fluchte er schon wieder, aber es klang mehr verletzt, als wütend. „Ich habe ihn Jahre nicht gesehen und… jetzt das…“, murmelte er und schluckte den Kloß hinunter. Rhuna konnte erkennen, dass der zornige Mann einem verlassenen Jungen wich. „Ich war 8 als mein Vater uns verließ… Er kam nie wieder und …“, er presste die Lippen zusammen und strich über das Pergament. „Er schreibt, dass das Messer ihm Glück brachte. Aber dass er dieses Glück nun an mich weitergibt, weil er es nicht mehr gebrauchen konnte..“, erklärte er und schniefte kurz. Keine Träne rollte über seine Wange. Aber man sah ihm an, dass er zu kämpfen hatte. „Glück…“, schnaubte er erneut und dieses Mal verächtlich. Er griff das Messer, wiegte es in der Hand und ballte dann seine Faust um den Griff. „Mein Glück hat mich verlassen, als er ging!“, kehrte der Unmut zurück und er schaute aus dem Fenster. „Stattdessen sitze ich hier in dieser…. Diesem Gefängnis und ackere wie eine Hafennutte, weil ich sauberbleiben soll!“, er warf das Messer scheppernd auf den Tisch. „Unfug alles. Was ist ihm passiert, hm?“, wollte er dann harsch von Rhuna wissen und sah sie schneidend an. „Hat er sich ins Grab gesoffen?“ Offenbar hatte Bjorg von seinem Vater keine hohe Meinung. Und offenbar wusste er gar nicht, was für ein toller Mensch er gewesen war. Bjorg hatte seine eigene Vorstellung von ihm. Und würde niemals lernen, dass er falsch lag.
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Re: Ein Sturm zieht auf

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Sonntag 25. Februar 2024, 14:30

Die Ähnlichkeit von Bjorg und Pharus war etwas, das Rhuna doch ein wenig zu schaffen machte. Ihr Herz zog sich immer mal wieder stechend zusammen, oder sie spürte einen Kloß im Hals, wenn der Jüngere eine Bewegung machte, die seinem Vater so stark ähnelte, dass es sich so anfühlte, als würde ihr Freund wieder vor ihr stehen. Gleichzeitig sah und erkannte sie die Unterschiede, die ihr ein wenig Sorge bereiteten. Zumindest, was den Ärger und die Wut anging, die in dem Schwarzhaarigen zu brodeln schienen.
Als sie beide in den Korbsesseln im Erkern saßen, nahm die Anspannung zumindest ein wenig ab. Bjorg zeigte sich nicht unbedingt offen, aber zugänglicher als zuvor, so dass die Elfe ihre Chance nutzte und ihm den Brief übergab.
„Ein Brief und ein rostiges Messer?“ Die Stimme des jungen Mannes klang ablehnend, aber glücklicherweise ging er auf Rhunas innige Bitte ein, den Brief zu lesen, nahm ihn entgegen und öffnete ihn.
Damit wäre im Grunde ihr Versprechen erfüllt und sie könnte ihrer Wege ziehen. Doch Rhuna war nicht so. Schon beim Erhalt des Briefes hatte sie ein merkwürdiges Verantwortungsgefühl gegenüber Pharus Sohn entwickelt, so dass sie ihn nun unmöglich alleine lassen könnte.
Aufmerksam beobachteten ihre violetten Augen das Gesicht des Jüngeren, achteten auf jede kleine Regung, jeden Mienenwechsel. Schon beim Rascheln des Papiers, als der Brief entfaltet wurde, hatte ihr Herz wieder einen nervösen Satz gemacht. Pharus hatte sie zwar gewarnt, dass Bjorg nicht gut auf ihn zu sprechen war, doch irgendwie hatte sie die Erfüllung der Warnung wohl doch nicht erwartet. Lag Bjorg wirklich nichts mehr an ihm? Hatte sich die Enttäuschung auf seinen Vater vielleicht in Hass gewandelt?
Die Antwort auf diese Fragen bekam Rhuna sehr schnell und sie atmete ein klein wenig erleichtert aus. In der Mimik und den Augen des Schwarzhaarigen war für sie deutlich zu erkennen, dass die Worte des Briefes ihn erreichten.
Ihre eigene Miene verlor an Anspannung und wurde weicher. Sie erkannte, dass Bjorg einfach nur wütend war. Vielleicht hatte er seinen Weg im Leben einfach noch nicht gefunden?! Er war immerhin noch sehr jung und …
Plötzlich zerknüllte Bjorg den Brief in seinen Händen. Rhunas Hand zuckte kurz in einer kleinen Bewegung nach vorne, doch stoppte sie sich noch. Was er mit dem Brief tat, auf den sie die letzten Wochen versucht hatte aufzupassen, ging sie im Grunde nichts mehr an.
Vorsichtig tastete sich ihr Blick von dem zerknüllten Papier zurück nach oben zu seinem Gesicht und so wie er gerade aussah, machte sie sich bereit einem Sturm an Gefühlen zu begegnen. Ihr Körper spannte sich ganz von selbst an und ihre Finger zerquetschten den Stoff ihres Rockes.
Doch mit einem Mal hielt er inne und seine Wut flachte sichtbar ab. Die Anspannung in seinem Gesicht wich vollkommen und Rhuna beobachtete mit nervösem Herzen, wie er seine Hand öffnete und den Brief glattzustreichen versuchte.
Bei Florencia…! Bin ich erschrocken!, dachte sie im Stillen und lockerte auch wieder ihren Griff.
An ihr feines Gehör drang der Klang einer schweren Atmung und im nächsten Moment wurde sie Zeuge, wie Bjorgs Mauer aus Wut in sich zusammenfiel. Der Junge verbarg sein Gesicht in seiner Hand und leises Schluchzen drang an ihre Ohren.
„Er ist tot, nicht wahr?“, fragte er plötzlich und sein Anblick griff sofort nach Rhunas Herzen. Auch sie befiel die Trauer, doch versuchte sie die Tränen wegzublinzeln, die sich hartnäckig bilden wollten.
„Ja…!“, antwortete sie leise und nickte sachte, als sich ihre Blicke trafen. Erneut spürte sie einen Kloß im Hals, den sie hinunterschlucken wollte. Was sollte sie nur sagen? Sie wollte ihn trösten, doch ihrem ersten Impuls, ihn in die Arme zu nehmen, nachzugeben, traute sich die Elfe gar nicht.
„Dieser Mistkerl…“ Bjorg verfiel zurück in seine Flüche, doch erkannte sie den feinen Unterschied. Sachte rutschte sie ein Stück nach vorne, einfach um ihm ein klein wenig näher zu sein.
„Ich habe ihn Jahre nicht gesehen und… jetzt das…! Ich war 8 als mein Vater uns verließ… Er kam nie wieder und …“ Rhuna nickte wieder, zum Zeichen, dass sie ihm zuhörte. Dass Bjorg seinen Vater mit 8 Jahren verloren hatte, war auch ihr neu. Pharus hatte Zeit irgendwie nie viel bedeutet, so dass er keine klaren Aussagen auf zeitliche Frage hatte treffen können. Er hatte bei seiner Erzählung Bjorg auf etwa 11 Jahre geschätzt, was sie nun im Nachhinein doch kritisieren musste.
„Er schreibt, dass das Messer ihm Glück brachte. Aber dass er dieses Glück nun an mich weitergibt, weil er es nicht mehr gebrauchen konnte! Glück…“
Rhuna konnte in Bjorgs Gesicht den Wechsel seiner Gefühle ablesen. Er kämpfte sichtlich mit dem Verlust seines Vaters, egal wie lange er ihn nicht gesehen hatte. Doch gleichzeitig verschwanden dadurch nicht die Gefühle, die sich seit seinem Verlassen ihm gegenüber gebildet hatte. Und irgendwie… auch wenn es ihr selbst etwas wehtat, konnte sie die Wut nachempfinden.
„Mein Glück hat mich verlassen, als er ging! Stattdessen sitze ich hier in dieser…. Diesem Gefängnis und ackere wie eine Hafennutte, weil ich sauberbleiben soll!“ Als das Messer scheppernd auf dem Tisch aufkam und sie die harschen Worte hörte, zuckte sie dann doch kurz zusammen. Rhunas Gefühle waren gerade auch ein wenig zerrissen. Einerseits verstand sie Bjorg, doch andererseits fühlte sie sich Pharus noch immer so nah und empfand in ihrer Loyalität den Drang ihn zu rechtfertigen. Doch was wusste sie schon von Bjorgs Leben? Seien Worte klangen nicht so, als wäre sein Leben geregelt und glücklich verlaufen, nachdem sein Vater ihn verlassen hatte.
„Unfug alles. Was ist ihm passiert, hm? Hat er sich ins Grab gesoffen?“ Sein Tonfall stieß ihr nun doch etwas auf und sie sah ihn aus leicht verengten Augen an.
„Du kannst auch anständig mit mir sprechen! Ich bin kein Seesack, an dem du deine Laune auslassen kannst!“, mahnte sie ihn, doch dann wandte sie den Blick zum Fenster und beobachtete das ruhige Spiel der Wellen und den Anblick der vorbeiziehenden Möwen.
„Ich fand deinen Vater verletzt vor unseren Stadttoren und er kam im Haus meiner Familie unter. Ich verarztete seine äußeren Wunden, doch konnte ich nichts gegen die Krankheit ausrichten, die sich in seinem Inneren ausbreitete. Er erzählte uns, dass er von Dunkelelfen angegriffen und verletzt worden war. Doch niemand – keiner unserer Heiler oder Gelehrten konnte herausfinden, was ihn innerlich zerfraß. Ob es ein Gift war, oder Magie… ich weiß es nicht.“, begann Rhuna zu berichten, ohne ihren Blick von dem Fenster zu nehmen. Innerlich reiste sie gerade zurück und ihr Blick verriet, wie stark sie selbst damit zu kämpfen hatte.
„Pharus wusste, dass er sterben und nicht zurückkehren würde. Dank unserer Heiler konnten wir sein Leben um ein paar Wochen verlängern, während wir nach einer Heilmethode suchten, doch schlussendlich konnten wir nichts ausrichten. Ich… blieb die nächsten Wochen bis zu seinem Tod an seiner Seite und lernte die Welt durch seine Augen neu kennen.“ Sie schluckte und wischte sich verstohlen eine Träne von der Wange.
„Anfangs schien ihm sein prognostizierter, naher Tod nichts auszumachen. Bis zum Schluss sagte er, dass er ein tolles Leben gehabt hatte und nichts bereuen würde!“ Ihr violetter Blick richtete sich nun langsam doch wieder auf Bjorg.
„Bis auf eine Sache: Er bereute so wenig Zeit mit dir verbracht zu haben. Deshalb bat er mich dich nach seinem Tod zu finden und dir diesen Brief zu geben.“ Dass er sie auch darum gebeten hatte ihm zu helfen, sollte er Hilfe brauchen, sprach sie in diesem Moment noch nicht aus. Rhuna stand nun auf uns sah zu ihm hinab. Vielleicht half es ihr ein wenig sich in diesem Moment nicht kleiner zu fühlen.
„Pharus wusste, dass er kein guter Vater gewesen war. Aber die letzten Tage redete er nur von dir und das hat mir zumindest gezeigt, wie wichtig du ihm warst… und wie stolz er auf dich war. Deshalb verließ ich meine Heimat.“ Einen Moment schwieg sie und musterte das junge Gesicht, das dem ihres verstorbenen Freundes so ähnlich war.
„Ich verstehe deine Wut Bjorg, auch wenn ich nicht weiß, wie dein Leben nach Pharus Weggang verlaufen ist. Deine Worte vorhin deuten an, dass du es nicht leicht hattest und vielleicht noch immer nicht hast. Aber dein Vater war kein schlechter Mensch. Er war kein guter Vater – aber auch kein schlechter Mensch!“ Der brünetten Elfe war anzusehen, dass es ihr wichtig war, diesen Unterschied klar aufzuzeigen. Sie ging nun zu dem jungen Mann und setzte sich mit etwas Abstand neben ihn.
„Und auch, wenn du durch deine Wut unzufrieden und rau wirkst, sehe ich, dass auch du kein schlechter Mensch bist. Deshalb… sag mir ruhig, wenn ich dir bei etwas helfen kann. Ich bin für dich zwar nur eine Fremde, aber durch deinen Vater besteht zumindest für mich eine Verbindung zwischen uns.“ Ein sachtes Lächeln legte sich auf ihre Lippen. Rhuna wusste selbst nicht so recht was sie sagen sollte und zweifelte gleichzeitig, ob das, was sie sagte, das Richtige war. Sie wusste ja nicht einmal, ob Bjorg bei etwas Hilfe brauchte, doch wollte sie, dass er wusste, dass er sich an sie wenden könnte…

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Re: Ein Sturm zieht auf

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 29. Februar 2024, 09:06

Nicht immer war Wut etwas, das aus Hass geboren wurde. Bjorg zeigte Rhuna deutlich den Schmerz, den er empfand, wenn er an seinen Vater dachte. Was auch immer der Junge erlebt haben mochte. Was auch immer er durchgemacht hatte, sein Vater hatte ganz offensichtlich gefehlt. Dass Pharus so sorglos war hatte einen gewissen Reiz auf Rhuna ausgeübt. Jetzt musste sie allerdings auch den Preis dafür erkennen, den er gezahlt hatte. Ob Bjorg ein Wunschkind gewesen war oder nicht, ließ sich zu diesem Zeitpunkt nicht erahnen, doch konnte man sich gut vorstellen, dass Pharus schlicht das Leben genossen und die Konsequenzen verdrängt hatte. Niemand sollte sein Kind allein lassen. Die Verantwortung, die man als Mutter oder Vater trug war immens und konnte erdrücken, aber hier sah Rhuna das Resultat zerplatzter Hoffnungen und Träume sitzen. Bjorg wirkte ungestüm, zerrissen und seiner widerstreitenden Gefühle hilflos ausgeliefert. Er rührte das Herz der Elfe, die ein hohes Maß an Mitgefühl aufbringen konnte. Gleichwohl aber fühlte sie sich ihrem Freund verpflichtet. Aber Freundschaft hieß nicht, jemanden nie auf Fehler hinzuweisen. Bei Pharus war dies nur noch rückwirkend möglich aber in Anbetracht der Situation nur recht. Als Bjorg seine Gefühle nicht im Zaum halten konnte, stutzte sie ihn aber zurecht: „Du kannst auch anständig mit mir sprechen! Ich bin kein Seesack, an dem du deine Laune auslassen kannst!“ Der junge Mann zuckte. Seine blauen Augen stachen in ihre und für einen Moment kämpfte er gegen die Reaktion, die ihn verlassen wollte. Doch Rhuna wirkte authentisch in ihrem Handeln und somit entspannte sich der Schwarzhaarige wieder. „‘tschuldigung“, murmelte er mürrisch und wandte den Blick ab, so wie sie. „Ich fand deinen Vater verletzt vor unseren Stadttoren und er kam im Haus meiner Familie unter. Ich verarztete seine äußeren Wunden, doch konnte ich nichts gegen die Krankheit ausrichten, die sich in seinem Inneren ausbreitete. Er erzählte uns, dass er von Dunkelelfen angegriffen und verletzt worden war. Doch niemand – keiner unserer Heiler oder Gelehrten konnte herausfinden, was ihn innerlich zerfraß. Ob es ein Gift war, oder Magie… ich weiß es nicht.“
Während Rhuna in ihren Erinnerungen zerging, wanderte das Blau des Mannes zurück zu ihrem Profil. Er beobachtete sie und sie hatte sein Interesse geweckt. Etwas über seinen Vater zu hören war für Bjorg offenkundig wichtig und gleichzeitig rebellierte seine Jugend gegen die Gefühle, die der abwesende Vater immer noch hervorrief. „Pharus wusste, dass er sterben und nicht zurückkehren würde. Dank unserer Heiler konnten wir sein Leben um ein paar Wochen verlängern, während wir nach einer Heilmethode suchten, doch schlussendlich konnten wir nichts ausrichten. Ich… blieb die nächsten Wochen bis zu seinem Tod an seiner Seite und lernte die Welt durch seine Augen neu kennen.“ Nun richtete sich der stechende Blick auf den Tisch vor sich. Er betrachtete das Messer, das er zuvor darauf geworfen hatte. Bjorg presste die Lippen aufeinander und knetete seine Handknöchel. „Anfangs schien ihm sein prognostizierter, naher Tod nichts auszumachen. Bis zum Schluss sagte er, dass er ein tolles Leben gehabt hatte und nichts bereuen würde!“ Bjorg schnaubte und runzelte die Stirn. „Schön.“, zischte er zwischen den Zähnen hervorgepresst. Es fiel ihm sehr schwer, das Gehörte einzuordnen. „Bis auf eine Sache: Er bereute so wenig Zeit mit dir verbracht zu haben. Deshalb bat er mich dich nach seinem Tod zu finden und dir diesen Brief zu geben.“

Bjorg starrte regelrecht auf einen unbestimmten Punkt. Er hörte Rhuna zu, aber er versuchte es nicht an sich heranzulassen. Nun glitzerte auch in seinen Augen verstohlene Zeugnisse seiner Gefühle. Bjorg zog die Nase hoch und brach seine angespannte Haltung auf, rutschte auf seiner Bank nach vorne und lehnte sich scheinbar gelassen zurück. „Tja, da sind wir nun.“, knirschte er und Rhuna konnte die Nuancen seiner Verletzlichkeit heraushören. Sie erhob sich, während er noch sprach: „Hätte er ein paar Entscheidungen FÜR seinen Sohn getroffen und GEGEN seine Freiheit, wäre es vielleicht anders gekommen!“, schnaubte er abermals unwillig, ihr zu glauben, dass er bereute. „Pharus wusste, dass er kein guter Vater gewesen war. Aber die letzten Tage redete er nur von dir und das hat mir zumindest gezeigt, wie wichtig du ihm warst… und wie stolz er auf dich war. Deshalb verließ ich meine Heimat.“ „Hat er dich also instrumentalisiert, ja? Dieser… Taugenichts… Er besaß schon immer die Finesse, sich anderer Leute Arbeitskraft zu bedienen!“, grollte er und in seinem Gesicht stand erneut die Wut. „Ich verstehe deine Wut Bjorg, auch wenn ich nicht weiß, wie dein Leben nach Pharus Weggang verlaufen ist. Deine Worte vorhin deuten an, dass du es nicht leicht hattest und vielleicht noch immer nicht hast. Aber dein Vater war kein schlechter Mensch. Er war kein guter Vater – aber auch kein schlechter Mensch!“ Als Rhuna sich bewegte, starrte Bjorg erneut stur aus dem Fenster. Sie setzte sich neben den jungen Mann und jener spannte sich an. Seine Augen rutschten zur Seite, um zu sehen, was sie da tat. „Und auch, wenn du durch deine Wut unzufrieden und rau wirkst, sehe ich, dass auch du kein schlechter Mensch bist. Deshalb… sag mir ruhig, wenn ich dir bei etwas helfen kann. Ich bin für dich zwar nur eine Fremde, aber durch deinen Vater besteht zumindest für mich eine Verbindung zwischen uns.“ „Wieso?!“, kam es prompt und nun richtete er nicht nur den Blick auf Rhuna, sondern auch seine Haltung wandte sich ihr zu. Er fixierte sie mit seinem Blick, war deutlich größer als sie und wirkte fast einschüchternd. Wenn er nicht so verdammte Ähnlichkeit mit Pharus gehabt hätte. Auch in seinem Gesicht, gerade jetzt von Nahem, fand Rhuna eben jene Züge, die sie so positiv mit dem Vater verband. Es war erschreckend und schön gleichermaßen. „Wieso setzt du dich für die Fehler meines Vaters so ein?“, er ließ seinen Blick über ihr apartes Gesicht wandern.
„Du bist weder ihm noch mir etwas verpflichtet. Und das, was er versaut hat, sollte nicht dein Problem sein!“, sprach er energisch und wohl die Wahrheit, aber so funktionierte Freundschaft eben nicht. „Außerdem willst du gewiss nicht meine Probleme wälzen!“, schnaubte er erneut und ruckte mit dem Kopf in Richtung Latrinen. „Geh zu deinem Leben zurück und lass mich in Ruhe!“, wies er sie ab und verschränkte erneut die Arme, dass sich das Hemd ordentlich spannte.

„Manchmal wäre es klüger Hilfe anzunehmen, wenn sich die Gelegenheit bietet, Bjorg.“, mischte sich mit einem Mal eine weibliche Stimme ein. Sobald Rhuna die Verursacherin der Worte ausfindig machte, konnte sie ein junges Mädchen erkennen, das sicher erst siebzehn oder achtzehn sein dürfte. Sie hatte braungelocktes, kurzes Haar und große runde Augen, die hinter Brillengläsern steckten. Das sanfte Braun dahinter wirkte vorsichtig, musterte Rhuna aber war dennoch aufgeweckt. In den Armen, vor ihrer Brust hielt sie einige Bücher fest und trug einen Rock, so wie schwarze Halbschuhe. Bjorg richtete seinen Blick auf sie. „Flora.“, begrüßte er sie nüchtern und das Mädchen trat etwas dichter. Sie lächelte Rhuna an und musterte sie neugierig. „Ich bin Flora, freut mich sehr.“, stellte sie sich höflich vor und reichte Rhuna eine Hand, dass ihr beinahe die Bücher abhandenkamen. „Huch!“, machte sie, zog die Hand zurück und fing ihre Bücher gerade so wieder auf. Sie lächelte unsicher in Rhuna’s Richtung. „Peinlich…“, lachte sie dann und Bjorg’s Mundwinkel zuckten amüsiert. Er beobachtete Flora einen Moment, dann warf er Rhuna einen kurzen Blick zu. „Mein Vater ist tot.“, bemerkte er und Flora’s Lächeln gefror langsam. „Oh Bjorg… es tut mir unendlich leid…“, sagte sie und der Schwarzhaarige nickte leicht. Er wirkte plötzlich etwas zugänglicher. „Danke…“, nickte er und Flora musterte erneut Rhuna. „Du hast ihn gekannt?“, fragte sie dann und Rhuna konnte Neugierde darin heraushören. Bjorg kam ihr allerdings zuvor. „Sie war bis zum Ende bei ihm und hat mir den Brief da und das Messer gebracht…“, erklärte er und seufzte schwer. Flora nickte verstehend. „Aber Bjorg… du… du hast so lange auf Nachricht gewartet und..“, fing Flora zögernd an und musterte ihn. „und jetzt hast du Gewissheit. Du musst endlich aufhören, auf ihn zu warten…“, tastete sie sich weiter vorsichtig vor und warf auch Rhuna immer wieder einen Blick zu. „Aber ich…“, Bjorg begann, führte aber nicht aus, was er wollte. Flora seufzte. „Du hast geglaubt, dass er kommen und alles in Ordnung bringen würde. Aber… Bjorg – das…, das wird nicht passieren. Du musst dein Leben selbst in den Griff bekommen…“, mahnte sie, ohne zu viel Druck auszuüben. Flora wirkte geübt im Umgang mit dem Jähzorn des Älteren. Bjorg warf ihr einen nachdenklichen Blick zu, dann wanderte er zu Rhuna. „Willst du mir wirklich helfen? Glaub‘ mir, das… das wird eine Lebensaufgabe. Ich … ich wüsste nicht mal, wo ich anfangen sollte!“, resignierte er und strich sich die Haare aus dem Gesicht. Er rutschte in seiner Position wieder nach vorne und lehnte den Hinterkopf gegen die Korblehne der Bank. „Scheiße… Ich habe geglaubt, er kommt und… nimmt mich mit… Weg von hier und... allem“, flüsterte er und jetzt drang endlich die Erkenntnis in seinen Sturkopf, dass sein Vater nie wieder kommen würde. Flora musterte ihn einen Moment mitleidig und deutete auf Rhuna. „Sie will dir helfen. Lass sie! Nimm Hilfe an und … krieg‘ dein Leben in den Griff… sonst endest du noch irgendwo im Kanal!“, ging es mit ihr und ihrer heimlichen Sorge durch. Bjorg aber riss den Kopf hoch und zischte Flora an: „Flora! Halt die Klappe!“, schnitt er ihr kalt durch das Wort. Flora zuckte. „Sobald sich jemand Sorgen um dich macht, wirst du zum Arsch, Bjorg!“, schniefte sie verletzt und funkelte ihn an. „Dann sieh zu, wie du dein Leben rettest! Wie du der Mutter deines Kindes ein Leben ohne Wiederholung ermöglichst! Wie du deine Schulden begleichst und deinen Kopf aus der Schlinge ziehst! ICH werde das nicht mehr für dich machen! Du… du… Hundsgemeiner!“, fuhr sie ihn an, stampfte mit dem Fuß und verließ die Szene ebenso zügig wieder, wie sie gekommen war. Bjorg starrte ihr wütend nach und fing dann Rhuna’s Blick auf. Sofort zuckte er zurück. Sie hatte alles gehört. Und kannte nun zumindest einen Teil seiner Geschichte. Bjorg ächzte gequält. „Warum lasst ihr mich nicht einfach alle in Ruhe…“, flüsterte er erschöpft und wischte sich über das Gesicht.
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Re: Ein Sturm zieht auf

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Montag 4. März 2024, 20:30

Eltern konnten vieles falsch machen. Das merkte Rhuna in diesem Moment noch einmal mehr, als es ihre eigene Erfahrung zeigte. Sie selbst war überbehütet aufgewachsen, war von Vorgaben und Erwartungen beinahe erstickt worden. Bjorg hingegen schien keine konstante und verlässliche Person an seiner Seite gehabt zu haben. Natürlich gab es da noch die Mutter, doch wusste sie im Grunde nichts. Pharus hatte sie nie groß erwähnt und Rhuna hatte in diesem Fall nie nachgefragt. Derzeit hörte es sich nicht so an, als wäre sie dem Jungen eine Stütze oder ein Wegweiser im Leben gewesen.
So sehr sie das Andenken an Pharus auch bewahren wollte, musste sie sich selbst eingestehen, dass er in diesem Punkt nicht richtig gehandelt hatte. Seine Freiheit, die die junge Elfe in ihren Bann gezogen hatte, war nicht durch und durch positiv. Auch sie hatte einen Preis gekostet und dieser saß in Form von Bjorg vor ihr, der weder in sich selbst gefestigt, noch sein Leben im Griff zu haben schien.
Als seine Gefühle ihn dazu verleiteten, diese auf Rhuna zu projizieren und sie an ihr auszulassen, da sonst niemand anderes da war, wies sie ihn dann aber doch zurecht. Noch immer freundlich, aber bestimmt – eigentlich so, wie es ein Elternteil bei seinem Kind tun sollte. Bjorg bemerkte zumindest, dass sie weder etwas dafür konnte, noch dass sie ihm etwas Böses wollte. Sie versuchte ihn gerade nicht alleine zu lassen, obwohl ihr Auftrag im Grunde schon erledigt war. Zumindest, wenn es rein um das Überbringen der Nachricht und des Andenkens ging.
„‘tschuldigung“, murmelte er mürrisch und den Blick abwendend, woraufhin sie nur nickte und ihm dadurch zeigte, dass sie es ihm nicht übel nahm. So war Rhuna nicht. Sie machte sich vermutlich wieder mehr Gedanken, als sie es tun musste oder sollte. Doch wie könnte sie Pharus Sohn nun einfach alleine lassen, wo er sich anmerken ließ, wie schwer er mit der Nachricht zu kämpfen hatte.
Sie beantwortete seine Fragen und erzählte ihm, was seinem Vater geschehen war. Dabei konnte sie nicht verbergen, dass ihr der verstorbene Santroner wichtig geworden war. Sie versuchte ihm etwas von seinem Vater zu geben – und seien es nur ein paar knappe Anekdoten. Doch erkannte sie auch, dass nicht alles angenehm war zu hören, besonders nicht, als sie beschrieb, dass er nichts in seinem Leben bereute, was absolut der Wahrheit entsprach.
Kaum hatte sie den Satz ausgesprochen, erklang ein bissiges „Schön.“, gefolgt von einem Schnauben. Die Brünette betrachtete ihn kurz und verstand diese Reaktion. Doch hatte sie den Satz im Grunde noch nicht beendet und so fügte sie wahrheitsgemäß hinzu, dass Pharus nichts bereute, außer zu wenig Zeit mit seinem Sohn verbracht zu haben.
Obwohl Bjorg sie nicht ansah konnte Rhuna in seinem Gesicht ablesen, dass ihm diese Worte dann doch viel bedeuteten. Sie trafen auf den verletzten Teil seines Herzens und würden die Wunde vielleicht ein wenig verbinden, wenn auch nicht wirklich heilen können.
„Tja, da sind wir nun. Hätte er ein paar Entscheidungen FÜR seinen Sohn getroffen und GEGEN seine Freiheit, wäre es vielleicht anders gekommen!“, schnaubte er und unwillig ihr und damit den Worten seines Vaters Glauben zu schenken. Auf diese Bemerkung schwieg Rhuna für eine Weile. Sie verstand Bjorgs Wut und den Frust darüber, dass sich nichts ändern würde, selbst wenn die Worte der Wahrheit entsprachen. Sie waren nur ein schwacher Trost!
Dennoch versuchte sie ihm zu verstehen zu geben, dass Pharus sich nicht als guten Vater betrachtet hatte, dass er bei seinem Ende selbst etwas zu bereuen hatte und wie wichtig er ihm dann doch gewesen war. Wieder kein wirklicher Trost, besonders nicht, wo die Information so frisch war. Doch es war wichtig, dass der junge Mann sie hörte. Vielleicht würden sie ihm irgendwann einmal helfen können…
Als Rhuna erwähnte, dass sie ihre Heimat für Pharus Bitte verlassen hatte, brodelten die Gefühle in Bjorg wieder hoch und richteten sich erneut gegen sie.
„Hat er dich also instrumentalisiert, ja? Dieser… Taugenichts… Er besaß schon immer die Finesse, sich anderer Leute Arbeitskraft zu bedienen!“, grollte er mit wütendem Blick, dem Rhuna merkwürdig ruhig begegnen konnte. Dennoch zog sie leicht die Augenbrauen zusammen. Wer wurde auch schon gerne angemeckert? Ihre Worte hingegen waren wieder wohl gewählt. Es war ja nicht so, dass sie seine Gefühlsausbrüche nicht verstand. Dennoch stellte sie klar, dass Pharus nicht der abgrundtief schlechte Mensch war, für den Bjorg ihn in diesem Moment noch hielt.
Die junge Elfe erhob sich und setzte sich neben ihn, woraufhin er sich sichtlich anspannte, was sie fast ein wenig zum Schmunzeln verleitet hätte, wäre die Situation nicht so ernst gewesen. Ihre Augen ruhten auf ihm, als sie ihm erklärte, dass sie für ihn da sein würde, sollte er ihre Hilfe benötigen. Denn in Rhunas Augen bestand eine Verbindung zwischen ihnen – egal ob der junge Seemannsschüler diese erkannte oder nicht.
„Wieso?!“, fragte er prompt, während er sich so setzte, dass er ihr beinahe direkt gegenüber saß. Die blauen Augen fixierten sie auf eine Weise, die einschüchternd hätte sein können, allerdings war Bjorg im Vergleich zu dem Dämon, dem sie mehrfach die Stirn geboten hatte, nur ein wütender Junge, vor dem sie keine Angst hatte. Erst recht nicht, weil er Pharus so ähnlichsah und sie auch glaubte das gute Herz des Abenteurers in ihm zu erkennen.
„Wieso setzt du dich für die Fehler meines Vaters so ein? Du bist weder ihm noch mir etwas verpflichtet. Und das, was er versaut hat, sollte nicht dein Problem sein!“
Auf die Worte lächelte sie und ein sachtes Nicken war erkennbar.
„Er war mein Freund, Bjorg. Und er hat, in der kurzen Zeit, in der er bei mir war, viel für mich getan.“, sagte sie ruhig, war sich am Schluss aber nicht ganz sicher, ob er ihre Worte überhaupt hörte. Denn er selbst sprach einfach weiter und schien drauf und dran sie verbal und emotional von sich zu schubsen.
„Außerdem willst du gewiss nicht meine Probleme wälzen! Geh zu deinem Leben zurück und lass mich in Ruhe!“ Ihr Blick folgte seinem Fingerzeig zu den Latrinen, wo ihr armer Yedan den Putzdienst ausführte. Bjorg hatte recht. In dieser Richtung lag ihr Leben. Doch hatte sie dieses Leben im Grunde Pharus zu verdanken, denn ohne ihn wäre sie Yedan niemals begegnet und würde ein Leben führen, dass für sie einfach kein Leben war.
Pharus kannte dich doch ziemlich gut, du sturer Esel!, schalt sie Bjorg gedanklich und wollte zu einem Gegenargument ansetzen, als plötzlich eine weitere Stimme erklang und sich in ihr Gespräch einmischte.
„Manchmal wäre es klüger Hilfe anzunehmen, wenn sich die Gelegenheit bietet, Bjorg.“ Überrascht sah Rhuna in die Richtung, aus der die Stimme kam und erblickte kurz darauf ein junges, menschliches Mädchen mit kurzen braungelockten Haaren und einer Brille. Sie war in etwa in Bjorgs Alter und hielt einige Bücher vor sich, die sie offenbar aus einem der anderen Räume geholt hatte. Und sie hatte ganz eindeutig ihr Gespräch belauscht.
„Flora.“, begrüßte Bjorg das Mädchen nüchtern, das nun etwas näher zu ihnen kam. Rhuna erwiderte das Lächeln, mit dem Flora sie bedachte und erwiderte den Gruß:
„Ich bin Flora, freut mich sehr.“ – „Ich heiße Rhuna, die Freude ist auf meiner Seite!“ Die junge Elfe wollte sich gerade erheben, um ihr ebenfalls die Hand zu reichen, als Flora die Bücher, die sie trug beinahe aus den Armen fielen. Rhuna griff reflexartig nach einem und sicherte es im Griff des Mädchens.
„Peinlich…“, lachte sie, doch Rhuna schüttelte nur mit dem Kopf, damit sie sich darüber keine Gedanken machte. Überraschenderweise brach Bjorg sein Schweigen und vertraute sich Flora an, indem er ihr von den traurigen Neuigkeiten erzählte:
„Mein Vater ist tot.“ Der Mitschülerin gefror das Lächeln und mit einem Mal wirkte sie betreten.
„Oh Bjorg… es tut mir unendlich leid…“, „Danke…“ Rhuna nahm sich vor sich zurückzuhalten und die beiden erst einmal sprechen zu lassen. Sie setzte sich wieder neben den Schwarzhaarigen, bis ihr Floras Blick auffiel, der erneut auf ihr zum Ruhen kam.
„Du hast ihn gekannt?“, fragte sie, woraufhin sie leicht nickte, doch bevor sie antworten konnte, sagte Bjorg schon: „Sie war bis zum Ende bei ihm und hat mir den Brief da und das Messer gebracht…“
Das Mädchen Flora schien sich gut mit Bjorg zu verstehen, was für Rhuna eine kleine Erleichterung darstellte. Offenbar hatte er zumindest eine Freundin an der Schule, über die er selbst nicht besonders gut dachte. Immerhin hatte er sie vorhin noch als Gefängnis betitelt.
„Aber Bjorg… du… du hast so lange auf Nachricht gewartet und…und jetzt hast du Gewissheit. Du musst endlich aufhören, auf ihn zu warten…“
„Aber ich…“,
„Du hast geglaubt, dass er kommen und alles in Ordnung bringen würde. Aber… Bjorg – das…, das wird nicht passieren. Du musst dein Leben selbst in den Griff bekommen…“

Wie vorgenommen hielt sich Rhuna bedeckte und hörte nur aufmerksam zu. Sie beobachtete Bjorgs Mienenspiel, das sie je nach Gefühlsänderung schnell wandelte.
Er hat also doch auf eine Nachricht von ihm gewartet…!, erfuhr sie, auch wenn sie sich diesen Gedanken nicht anmerken ließ.
Flora schien über Bjorgs Lage erstaunlich gut Bescheid zu wissen und die Art und Weise, wie ihre Worte zu dem Dickschädel durchdrangen, zeugte von einer Freundschaft, auf die der junge Mann vertraute.
Nach kurzem Zögern wandte sich Bjorg wieder Rhuna zu, die seinem Blick aufmerksam begegnete. Die folgenden Worte schienen ihm nicht wirklich leicht zu fallen:
„Willst du mir wirklich helfen? Glaub‘ mir, das… das wird eine Lebensaufgabe. Ich … ich wüsste nicht mal, wo ich anfangen sollte!“ Die Geste, wie sich Bjorg die Haare aus dem Gesicht strich, hatte die Elfe schon einige Male bei Pharus beobachten können. Es war beinahe unrealistisch, wie ähnlich sich die beiden waren.
Einen Moment zögerte Rhuna dennoch mit einer Antwort, was Bjorg gar nicht zu bemerken schien, denn er redete bereits weiter und lehnte seinen Hinterkopf gegen die Korblehne.
„Scheiße… Ich habe geglaubt, er kommt und… nimmt mich mit… Weg von hier und... allem“ Noch immer wusste die junge Elfe nicht, wobei Bjorg genau Hilfe benötigte. Er selbst behauptete, dass es eine Lebensaufgabe sei, was in ihren Ohren im ersten Moment etwas übertrieben klang. Ihr Blick huschte in Richtung der Latrinen, doch Yedan schien sich noch nicht zu ihnen gesellen zu können. Vermutlich war dort doch mehr Arbeit zu erledigen, als er vielleicht selbst im ersten Moment geglaubt hatte.
Würde sie Bjorg überhaupt bei allem helfen können…?
„Sie will dir helfen. Lass sie! Nimm Hilfe an und … krieg‘ dein Leben in den Griff… sonst endest du noch irgendwo im Kanal!“ Die klaren Worte ließen Rhuna aufmerken und sie richtete sich gerader auf. War es wirklich so schlimm?
„Flora! Halt die Klappe!“, schnitt er ihr harsch das Wort ab, womit er seine Freundin ganz offensichtlich verletzte. Sie zuckte zusammen und begann zu schniefen, was Rhuna mal wieder nicht gut sehen konnte. Dennoch hielt sie sich noch zurück und sah zwischen den beiden hin und her. Wäre Yedan doch schon hier…
„Sobald sich jemand Sorgen um dich macht, wirst du zum Arsch, Bjorg! Dann sieh zu, wie du dein Leben rettest! Wie du der Mutter deines Kindes ein Leben ohne Wiederholung ermöglichst! Wie du deine Schulden begleichst und deinen Kopf aus der Schlinge ziehst! ICH werde das nicht mehr für dich machen! Du… du… Hundsgemeiner!“ Mit einem Aufstampfen löste Flora ihre Füße vom Boden und verschwand hinter der nächsten Ecke.
Rhuna war aufgestanden, doch beschloss sie Flora gehen zu lassen. Ihr Blick traf dafür Bjorg und dieses Mal lag wieder ein eindeutiger Vorwurf darin.
„Du solltest dich entschuldigen!“, warf sie ihm vor, woraufhin er gequält ächzte.
„Warum lasst ihr mich nicht einfach alle in Ruhe…“, erklang leise seine Stimme, während er sich über das Gesicht fuhr. Rhuna beobachtete ihn einen Moment, ehe sie sich vor ihn hockte und seinen Blick suchte. Im ersten Moment ernst, doch dann brach die Strenge darin und sie hob die Hand und legte sie auf die deutlich größere des anderen. Dank Flora hatte Rhuna viel erfahren. Und so wie es aussah, hatte sich Bjorg bemüht in die Fußstapfen seines Vaters zu treten – er besuchte nicht nur wie er die Seemannsschule, sondern hatte bereits eine eigene Familie gegründet, ob nun geplant oder nicht. Innerlich seufzte die Elfe. War sie dem überhaupt gewachsen? Sie zählte zwar viel mehr Jahre, als er, doch auf Menschenjahre umgerechnet, war sie auch nur ein paar Jahre älter als er.
„Bjorg!“, nannte sie ihn ruhig beim Namen und drückte ganz sachte seine Hand. Sie zögerte kurz, denn wenn sie ehrlich zu sich selbst war, wusste sie nicht so recht, ob sie ihm Hilfe zusichern konnte, wo sie nicht wusste, was alles auf sie warten würde. Doch ihr gutes Herz traf längst die Entscheidung für sie.
Sie erhob sich wieder und setzte sich neben ihn.
„Du hast also ein Kind? Bist du verheiratet?“, fragte sie und legte den Kopf etwas seitlich, so dass ihre braunen Locken über ihre rechte Schulter fielen. In ihrem Blick lag kein Urteil, sie versuchte schlicht und ergreifend etwas Ordnung in das Chaos zu bringen.
Vorhin sagte er, dass er gehofft hatte, dass sein Vater ihn mit sich nimmt. Heißt das er würde sein Kind lieber verlassen? Oder fühlt er sich mit der Verantwortung überfordert? Vielleicht waren sich auch in diesem Punkt Vater und Sohn ähnlich. Florencia möge ihr beistehen!
„Du hast mich vorhin gefragt, ob ich dir wirklich helfen würde.“, begann sie wieder nach einer kurzen Pause und suchte den Blick seiner blauen Augen.
„Erzähl mir doch erst einmal, was los ist. Wobei du Hilfe benötigst, wo du nicht weiterweißt und was du am liebsten tun würdest. Ich hör mir alles an, Bjorg. Und soweit ich kann, werde ich versuchen dir zu helfen! Natürlich kann ich dir nicht versprechen, dass alles direkt klappt und deine Verantwortung kann ich dir auch nicht nehmen. Aber ich kann dich unterstützen und das verspreche ich dir. In Ordnung?“
Ein zaghaftes aber ehrliches Lächeln legte sich auf ihre Lippen. Vielleicht machte sie hier gerade einen Fehler, doch wie könnte sie das, was sie nun schon gehört hatte, ignorieren? Pharus hatte sie gebeten Bjorg zu helfen, sollte er Hilfe brauchen. Und wie es aussah… benötigte er sie äußerst dringend.

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Re: Ein Sturm zieht auf

Beitrag von Erzähler » Montag 4. März 2024, 21:54

Dass sich das Mädchen Flora mit ins Gespräch einmischte, war am Ende dann doch wohl mehr Segen als Fluch. Zumindest für Rhuna, denn so konnte sie mehr erfahren als nur halbgare Äußerungen eines launischen Halbstarken. Bjorg war, im Vergleich zu Rhuna, nicht sehr viel jünger, verhielt sich dann aber doch etwas kindischer. Sie konnte anhand seines Verhaltens erkennen, wie viel es eben ausmachte, wenn man ein sicheres, beständiges Umfeld hatte. Beide Extreme waren nicht sonderlich hilfreich beim Aufwachsen, denn Rhuna kann die Kehrseite. Doch im Gegensatz zu Bjorg, hatte sie sich lediglich befreien müssen und war zu einer selbstsicheren, starken Persönlichkeit geworden, die sie lediglich freilegen musste. Die Sicherheit, die in mancher Hinsicht zu viel gewesen war, hatte ihr auch die Möglichkeit gegeben, in sich gefestigt in dieses neue Abenteuer zu starten. Zweifel gab es schließlich immer und niemand war frei davon, mal sich selbst oder sein Können zu hinterfragen. Rhuna war in der Lage nun das Leben anzupacken und das nachzuholen, was ihre Eltern ihr mit ihrer Fürsorge verbauten. Bjorg hingegen schien aber gar nicht zu wissen, wohin ihn das Leben treiben wollte. Er wirkte zerrissen, unbeständig und allein seine Gefühle zeigten Rhuna deutlich, dass er längst nicht frei von Sorgen und Nöten war. Flora bewies ein feines Gespür für den Santroner und offenbarte Rhuna, vielleicht auch nicht ganz ohne Hintergedanken, dass Bjorg tatsächlich Hilfe gebrauchen konnte. Ob Rhuna ihm jene aber gewähren könnte? Bevor sie sich darüber Gedanken machen konnte, verprellte Bjorg die vermeintliche Freundin, sodass sie wieder unter sich waren. „Du solltest dich entschuldigen!“ Fand sie und nicht ohne Vorwurf in der Stimme. Bjorg warf ihr einen augenrollenden Blick zu und nuschelte in sich hinein, sie sollten ihn alle bloß in Ruhe lassen. Rhuna aber tat genau das Gegenteil. Sie hockte sich vor ihn und Bjorg blickte hinter seinen Fingern, mit denen er durch das Gesicht gestrichen hatte, hervor.

„Bjorg!“, versuchte sie seine Aufmerksamkeit vollends zu erhalten. Der Junge nahm seine Hand von seinem Gesicht und sein Blick fiel auf die braunen Locken, die sich aufgrund ihrer Haltung über ihrer Schulter verteilten. Der sanfte Druck an seiner Hand, regte seine Aufmerksamkeit darauf und er blickte für einen Moment verwundert. Bjorg betrachtete die Finger, die sich um seine schlossen, dann packte er plötzlich leicht zu und umfasste auch die Finger von Rhuna. Sie konnte ein sanftes Streicheln fühlen, ehe er es wieder unterließ. „Du hast also ein Kind? Bist du verheiratet?“ offenbar war das etwas, das Bjorg nicht recht gerne ansprach. Er legte seinen Kopf in den Nacken und ächzte gequält auf. „Ein Kind… nicht verheiratet…“, murmelte er und rieb sich verlegen über den Nacken. Dabei nahm er aber nicht die Hand unter Rhuna’s weg. Das gefiel ihm offenbar ganz gut. „Du hast mich vorhin gefragt, ob ich dir wirklich helfen würde. Erzähl mir doch erst einmal, was los ist. Wobei du Hilfe benötigst, wo du nicht weiterweißt und was du am liebsten tun würdest. Ich hör mir alles an, Bjorg. Und soweit ich kann, werde ich versuchen dir zu helfen! Natürlich kann ich dir nicht versprechen, dass alles direkt klappt und deine Verantwortung kann ich dir auch nicht nehmen. Aber ich kann dich unterstützen und das verspreche ich dir. In Ordnung?“
Ungläubigkeit traf sie mit seinem blauen Blick und für einen Moment verfestigte sich der Griff an ihrer Hand. Er war angespannt und die Last offenkundig groß. Er suchte in ihrem Violett nach etwas, das ihm Aufschluss über ihre Absichten bescherte, doch tatsächlich fand er einfach nur ein sanftes Herz, das sich ehrlich um ihn sorgte. Bjorg schluckte. Für einen Moment blickte er Rhuna einfach nur ins Gesicht und verlor sich in ihrem Blick. Dann räusperte er sich und setzte sich gerade hin. Er löste ihren Griff an seinen Fingern auf und wischte unsicher mit beiden Handflächen über seine Oberschenkel. Er wirkte unschlüssig, ob ihrer Bitte und in Rhuna keimte die Sorge, dass seine Probleme viel zu groß waren, um sie von ihr zu lösen. Nun geriet Bjorg allerdings in Bewegung. Er erhob sich, griff nach Rhuna’s Schultern und mit einer erstaunlichen Kraft aber trotzdem behutsam, tauschte er mit ihr die Plätze. Er setzte sie auf die Bank und betrachtete sie noch einmal, während er jetzt dort stand, wo sie eben noch hockte. „Du meinst das ernst!“, sprach er endlich und begann dann auf und abzutigern. Der Mann war unruhig und gleichwohl aufgeregt. Er wagte noch nicht die Hoffnung in sein Herz zu lassen, die Rhuna’s Hilfeangebot in ihm auslösen wollte.

„Das Kind… mein… meine Tochter, sie… war ein Unfall.“, begann er plötzlich und schritt unruhig vor der Sitzecke hin und her. Er rieb sich immer die Hände aneinander und bedachte Rhuna nicht mit einem Blick. Er traute sich scheinbar nicht oder fürchtete, wenn er es tat, dass ihn dann der Mut für seine folgenden Worte verließ. „Ihre Mutter ist eine Prostituierte und… etwas älter. Sie will nur meine Alimente, aber nicht, dass ich ein Vater bin. Ich… ich habe nichts gelernt und hielt mich immer nur mit kleinkriminellen Sachen über Wasser. Das, was es einbrachte, versoff ich oder… naja… investierte es eben…“, bemerkte er und räusperte sich. „Ich spielte, ich trank, ich wachte am nächsten Morgen woanders auf, ohne Erinnerungen an den Tag zuvor… Ich hatte keinen Halt… meine Mutter wurde… verschleppt und ich hatte keine Ahnung, wo mein Vater war. Ich habe keine Ahnung, ob sie noch lebt…“, berichtete er und seufzte. „Als ich hörte, dass ich Vater werde, versuchte ich mein Leben auf die Reihe zu kriegen. Ich… ich wollte anständig werden, weißt du? Ich… habe mich hier verpflichtet und einen kalten Entzug gemacht. Kein Tropfen Alkohol mehr seit fast einem Jahr.“, versuchte er sich im Licht trauriger Erfolge zu sonnen. „Anfangs lief es sogar ganz gut…“, murmelte er und strich sich durch die Haare. Er sah Rhuna immer noch nicht an, sondern schien seine Geschichte loswerden zu müssen. „Doch Probleme folgen dir überall hin, wenn du versuchst wegzulaufen… Ich bin ohne Glück auf dieser Welt.“, seufzte er. „Ich hatte Schulden gemacht. Ich wollte meiner Kleinen etwas bieten und nahm einen Kredit auf. Konnte aber nicht zurückzahlen…“, murmelte er und schloss die Augen. Die Last drückte seine Schultern hinunter. „Also versuchte ich, das Geld anders zu besorgen. Der Lohn hier ist ein Witz… wie soll man da bloß anständig bleiben?“, murrte er und schüttelte den Kopf, ehe er sie endlich wieder ansah. „Ich beteiligte mich an einem Einbruch in eines der reicheren Häuser. Und … ich bestahl ganz offenbar den Falschen…“, schluckte er.
Er wurde blasser. „Ich nahm ein Schmuckstück mit, das ganz offenbar sehr viel wert war. Und nun… nun verlangt er es zurück. Er weiß, wer ich bin und ich weiß genau, wenn er es bekommt, dann tötet er mich!“, japste er und wirkte so verzweifelt, dass kein Zweifel an seiner Aussage bestand. „Ich muss weg von hier… weit weg. Noch weiß er nichts von Isobel und ich will, dass das so bleibt. Ihr soll nichts passieren!“, Bjorg ließ sich neben Rhuna fallen und vergrub sein Gesicht in den großen Händen. „Ich bin eine Katastrophe. Diese Kette muss unglaublich wertvoll sein. Ich werde noch paranoid, fühle mich ständig verfolgt…“, gestand er ihr und öffnete seine Hände wieder. Er ballte sie zu Fäusten und versuchte sich mit einem tiefen Atmen zu beruhigen. Dann richtete er die blauen Augen auf sie. „Du kannst mir gar nicht helfen…“, nahm er ihr die Worte vorweg. „Ich… wie soll man das jemals wieder hinkriegen?“ fragte er und schüttelte den Kopf. „Ich bin verloren…“, resignierte er und schloss die Augen für einen Moment.
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Re: Ein Sturm zieht auf

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Dienstag 5. März 2024, 00:37

Anfangs erwartete Rhuna nicht wirklich, dass sich Bjorg ihr gegenüber so schnell öffnete, doch überraschenderweise erwiderte er den Druck ihrer Hand sanft und behielt die Geste sogar aufrecht. Die deutlich größere warme Hand erinnerte sie wieder ein wenig an die ihres verstorbenen Freundes, nur waren dessen Finger rauer und von den vielen Jahren auf der See und mit dem Schwert beansprucht gewesen. Bjorgs Haut war dagegen weicher.
Dass seine Finger kurz über ihre streichelten überraschte sie, doch ließ sie sich nichts anmerken und lächelte nur. Dass er sie nicht direkt von sich stieß oder verbal wegbiss freute sie ja.
Als sie sich dann nach Frau und Kind erkundigte ächzte er, als wolle er das Thema am liebsten umgehen. So wirklich nach der großen Liebe hörte sich das für Rhuna nun nicht an.
„Ein Kind… nicht verheiratet…“, murmelte er, woraufhin sie neutral nickte. Vielleicht war das Kind wirklich ein Unfall – immerhin konnte es schneller dazu kommen, als so junge Menschen es erwarteten. Tatsächlich konnte sich Rhuna in diesem Fall sogar an die eigene Nase fassen, denn Yedan und sie hatten in diesem Punkt auch keine Vorkehrungen getroffen.
Bei dem Gedanken daran errötete sie sanft, doch vertrieb sie die Erinnerungen schnell wieder und konzentrierte sich auf das eigentliche Problem: Herauszufinden, wie sie Bjorg helfen könnte.
Noch einmal versuchte sie zu ihm durchzudringen, ihn dazu zu bringen sich ihr anzuvertrauen und ihre Hilfe in Anspruch zu nehmen, die sie ihm bereitwillig anbot, solange es in ihrer Macht stand. Nach einigen Momenten gelang es ihr tatsächlich, ihn mit ihren Worten zu erreichen. Die blauen Augen fixierten ihr Gesicht und der Griff um ihre Hand wurde eine Spur fester, so dass sie für einen kurzen Augenblick überrascht auf ihre Hände sah. Weh tat es nicht direkt, aber er hielt sie fester, als zuvor.
Als sich ihr Blick wieder hob bemerkte sie, dass Bjorg sie eingehend musterte und scheinbar versuchte eine Lüge in ihren Augen zu erkennen. Doch das gelang ihm nicht, denn Rhuna meinte ihr Hilfsangebot aufrichtig. Vielleicht hatte Pharus gewusst, dass er Bjorg mit ihr eine sanfte und ehrliche Seele schickte, die alles versuchen würde, um ihn zu unterstützen.
Ihr violetter Blick lag musternd in seinem Blauen. Sie entdeckte kleine hellere Sprenkel in seinem Blau, was sie nur noch mehr an das rauschende Meer erinnerte, das nur ein paar Meter von ihr entfernt, bereits aus dem Fenster zu betrachten war. Pharus Blick hatte sie immer in ihren Bann gezogen, weil sein Blick so intensiv und tief gewesen war.
Plötzlich löste Bjorg seinen Griff und rieb sich in einer nervösen Geste die Oberschenkel. Vermutlich rasten seine Gedanken und Rhuna konnte nur vermuten, wie groß die Überwindung war, sich ihr – einer Fremden einfach anzuvertrauen. Dennoch wollte sie ihm zeigen, dass er es tun konnte, auch wenn sie selbst nicht das größte Vertrauen in sich besaß, ihm tatsächlich helfen zu können.
Plötzlich erhob er sich und griff nach ihren Schultern. Er half ihr auf die Beine und sie ließ sich überrascht von ihm drehen und auf den Korbstuhl setzen. Abwartend hob sie den Kopf und musste ihn aufgrund seiner Größe weiter in den Nacken legen, um ihn ansehen zu können.
„Du meinst das ernst!“, sprach er nach einem Moment, woraufhin sie wieder nickte.
„Tue ich!“, bestätigte sie schlicht, aber ehrlich und folgte mit den Augen seinen tigernden Bewegungen, die sie doch ein wenig zum Schmunzeln brachten. Allerdings nur kurz, denn sie wollte nicht, dass er es falsch verstand. Sie machte sich immerhin nicht über ihn lustig, sondern fand sein Hadern irgendwie ganz niedlich. Es erinnerte sie an ihren Bruder, der früher ganz ähnlich herumdruckste, wenn er etwas von ihr gewollt hatte.
„Das Kind… mein… meine Tochter, sie… war ein Unfall.“, erklärte Bjorg dann und bestätigte damit ihren Verdacht. In so jungem Alter planten immerhin die Wenigsten bewusst ein Kind zu bekommen.
„Ihre Mutter ist eine Prostituierte und… etwas älter. Sie will nur meine Alimente, aber nicht, dass ich ein Vater bin. Ich… ich habe nichts gelernt und hielt mich immer nur mit kleinkriminellen Sachen über Wasser. Das, was es einbrachte, versoff ich oder… naja… investierte es eben…“ Aufmerksam hörte Rhuna zu, doch als er erwähnte, dass die Mutter nicht wirklich wollte, dass Bjorg ein Vater war, sondern sie es nur auf seine finanzielle Unterstützung abgesehen hatte, verzog sie doch die Augenbrauen. Sie kannte sich mit dem Thema Prostitution tatsächlich nicht besonders gut aus. Allerdings hatte sie gehört, dass die Frauen, die in diesem Beruf tätig waren eine Schwangerschaft in der Regel zu verhindern wussten. Doch gut, vermutlich war ein solcher Unfall ein tägliches Risiko, das sie unter anderem eingingen.
Dennoch hörte es sich erst einmal… nett an, dass sich Bjorg zu der Tochter bekannte und sogar versuchte für sie zu sorgen. Die wenigsten Männer taten dies, soweit sie gehört hatte. Zumindest wenn die Mutter eine Dirne war. Woher wusste sie überhaupt, dass Bjorg der Vater war? Sie würde doch sicher nicht nur mit ihm sexuell verkehrt haben?
Zu hören, wie Bjorgs Leben bis dahin verlaufen war, war dahingehen nicht besonders erheiternd.
„Ich spielte, ich trank, ich wachte am nächsten Morgen woanders auf, ohne Erinnerungen an den Tag zuvor… Ich hatte keinen Halt… meine Mutter wurde… verschleppt und ich hatte keine Ahnung, wo mein Vater war. Ich habe keine Ahnung, ob sie noch lebt…“, berichtete er weiter und Rhuna spürte einen Kloß in ihrem Hals. Wie sollte sie auch kein Mitleid mit Bjorg haben, der offenbar viel zu früh auf sich alleine gestellt gewesen war, ohne Richtung, ohne Wertekompass oder einem Vorbild, an dem er sich hätte orientieren können.
„Das tut mir leid zu hören…!“, wagte sie leise zu sagen, ehe sie ihn weiterreden ließ.
„Als ich hörte, dass ich Vater werde, versuchte ich mein Leben auf die Reihe zu kriegen. Ich… ich wollte anständig werden, weißt du? Ich… habe mich hier verpflichtet und einen kalten Entzug gemacht. Kein Tropfen Alkohol mehr seit fast einem Jahr. Anfangs lief es sogar ganz gut…“ Auf seine Worte hin lächelte sie. Er zeigte zumindest mit seinen Worten, dass er sich bemüht hatte. Doch ahnte sie bereits, dass ein Aber folgen würde… und wie erwartet ließ die Erklärung in die falsche Richtung nicht lange auf sich warten.
„Doch Probleme folgen dir überall hin, wenn du versuchst wegzulaufen… Ich bin ohne Glück auf dieser Welt. Ich hatte Schulden gemacht. Ich wollte meiner Kleinen etwas bieten und nahm einen Kredit auf. Konnte aber nicht zurückzahlen…“ Seine Worte ließen sie unruhig werden. Natürlich ließ es sie nicht kalt zu hören, wie all deine Versuche stetig gescheitert waren und sich die Schlinge um seinen Hals fester schloss. Die junge Elfe erkannte, dass er sich bemüht hatte. Doch leider hatte ihm von Anfang an ein Wegweiser gefehlt. Mit einem Vorbild oder jemandem, der ihn unterstützt hätte, wäre er vielleicht niemals in Schwierigkeiten geraten oder hätte sich bereits aus diesen befreien können.
Pharus… du hast ihn wirklich im Stich gelassen...! Sie konnte leider nicht anders, als ihrem toten Freund gedanklich diesen Vorwurf zu machen. Sie merkte, dass sich die Probleme langsam, aber sicher mehrten.
Ein Kind mit einer Prostituierten, die nicht an einer Familie interessiert war – Unterhaltskosten - Schulden – ein unbezahlter Kredit – vielleicht trank er durch den Frust doch wieder…?!
„Also versuchte ich, das Geld anders zu besorgen. Der Lohn hier ist ein Witz… wie soll man da bloß anständig bleiben?“ Bei diesen Worten spürte sie, dass ihr Mund etwas trockener wurde. Eine andere Art Geld zu besorgen…? Sie ahnte Übles und langsam aber sicher wurde sie so nervös, dass sie leise an ihren Fingern zu knibbeln begann.
„Ich beteiligte mich an einem Einbruch in eines der reicheren Häuser. Und … ich bestahl ganz offenbar den Falschen. Ich nahm ein Schmuckstück mit, das ganz offenbar sehr viel wert war. Und nun… nun verlangt er es zurück. Er weiß, wer ich bin und ich weiß genau, wenn er es bekommt, dann tötet er mich!“ Bjorg war die Verzweiflung anzuhören und anzusehen. In Rhunas Blick mischte sich Sorge. Würde man Bjorg wirklich töten, wenn er das Schmuckstück zurückgeben würde?
„Ich muss weg von hier… weit weg. Noch weiß er nichts von Isobel und ich will, dass das so bleibt. Ihr soll nichts passieren!“ Als Bjorg sich ihr wieder näherte und sich neben sie fallen ließ setzte sich Rhuna etwas seitlich, um ihn weiter ansehen zu können. Wenn sie ehrlich war, war das doch ganz schön viel für sie, aber wie könnte sie ihm nach alldem, was sie gerade erfahren hatte, hängen lassen?
Neben ihr saß, in sich zusammengesunken, ein verlassener Junge, der bereits im Körper eines jungen Erwachsenen und bis zum Hals in Problemen steckte. Er vergrub sein Gesicht in seinen großen Händen und Rhuna spürte ihre Hand zucken. Sie wollte ihn trösten, doch noch fiel ihr nichts ein, wie sie ihm Mut machen könnte. In Santros verlief das Leben noch einmal anders und vermutlich war auch das Rechtssystem ein anderes, als in Shyána oder im Sarius.
„Ich bin eine Katastrophe. Diese Kette muss unglaublich wertvoll sein. Ich werde noch paranoid, fühle mich ständig verfolgt…“ Sein Geständnis stach ihr ins Herz.
„Bjorg…!“, sprach sie ihn leise an, bis sich sein Blick wieder in ihren richtete. Und ohne eine Antwort zu haben, versuchte sie ihn aufmunternd anzulächeln.
„Du kannst mir gar nicht helfen… Ich… wie soll man das jemals wieder hinkriegen?“ fragte er und schüttelte den Kopf. Er hatte sich alles von der Seele geredet und sich dadurch offenbar selbst noch einmal veranschaulicht, wie tief er sich in Probleme verstrickt hatte. „Ich bin verloren…“ Mit diesen Worten endete er seine Selbstanklage. Einen Moment hielt Rhuna inne und ließ das Erzählte noch einmal durch ihre Gedanken laufen. Dann atmete sie ruhig ein und aus, erhob sich und umarmte den verzweifelten Jungen, der die Augen geschlossen hielt, als würde er so der Welt entfliehen können.
Bjorg war noch breiter als Yedan, so dass die Umarmung etwas ungewohnt war, doch das ignorierte sie.
„Alles wird gut!“, sprach sie leise und strich ihm mit einer Hand sanft über das schwarze Haar.
„Wir bekommen das schon hin! Verlier nicht deinen Mut.“, versuchte sie ihn weiter aufzumuntern, ehe sie sachte die Umarmung löste, soweit er dies zuließ, um ihn anzusehen. Tatsächlich fühlte sich Rhuna selbst ein wenig überfordert und wünschte sich Gedanklich Yedan herbei, der ihr stets mit seinem Rat zur Seite stand und zu helfen wusste. Doch seine Hilfe war im Grunde nicht allzu weit entfernt. Sie musste ihm nur von alldem, was sie erfahren hatte, erzählen!
„Ich will dich nicht anlügen: Ich weiß noch nicht, wie wir dich da rausbekommen. Aber wir schaffen das! Ich kenne jemanden, der uns vielleicht mit der Person helfen kann, die du bestohlen hast!“, sagte sie mit Arrond in Gedanken.
Sie kniete sich wieder vor ihn hin und nahm erneut seine Hand in die ihre. Rhuna zeigte in ihrem Blick Zuversicht, die trotz der Ratlosigkeit ernst gemeint war.
„Wie hoch sind deine Schulden und wem schuldest du wie viel? Und wem hast du die Kette gestohlen?“, fragte sie mit ruhiger Stimme und in der Hoffnung, dass sie sich all die weiteren Informationen merken könnte. Sie strich sich eine verirrte Strähne hinter ihr Ohr, die jedoch schnell wieder nach vorne rutschte, was sie dann allerdings ignorierte.
„Am besten du schreibst es mir auf! Und… wo wohnst du derzeit Bjorg? Bist du dort sicher? Woher weißt du denn, dass der Besitzer der Kette weiß, dass du der Dieb warst?“

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Re: Ein Sturm zieht auf

Beitrag von Erzähler » Dienstag 5. März 2024, 22:07

Im Nachhinein hatte Rhuna allen Grund dazu, ihren verstorbenen Freund ein wenig bis ins Jenseits zu verfluchen. Er hatte ihr zwar gesagt, dass er davon ausging, dass Bjorg nicht hocherfreut über ihre, beziehungsweise seine, Nachrichten sein würde, aber dass der Junge vollkommen den Halt verloren hatte, was dann doch etwas anderes. Und trotzdem musste Pharus geahnt und schon damals in Rhuna etwas gesehen haben, das ihn glauben ließ, dass sie die richtige Person wäre. Er hatte Vertrauen in sie und dieses durfte sie nun auch in sich finden. Sicher, ein weniger romantisch Veranlagter hätte gewiss gesagt, dass er einfach nur niemand besseres gehabt hatte, um seine letzte Bitte vorzutragen, aber so dachte Rhuna nicht. Sie und Pharus hatte etwas verbunden und das lebte nun weiter, da sie Bjorg gefunden hatte. Der Junge, von dem sie gehört hatte, war längst keiner mehr und hatte sich zu einem Mann entwickelt. Bis über beide Ohren in Problemen steckend. Die Erzählungen beunruhigten die Elfe dann doch. Sie fühlte sich nicht ansatzweise in der Lage, jene Probleme anzugehen und gute Ratschläge zu verteilen. Nun war guter Rat teuer, da sie Bjorg versichert hatte, sie könnte helfen und auch Flora ihm zugeredet hatte, es zu versuchen. Und mit einem Mal war da eine Hoffnung in dem Blau seiner Augen, die sie einfach nicht zerstören konnte. Ihrem ersten Impuls folgend, schaute sie in die Richtung, in der sie Yedan wusste. Er war ihr Anker, ihr Halt und gerade jetzt, sehnte sie sich nach ihm. Er wusste so oft einen Rat, aber offenbar war er mit seinem Versprechen noch nicht fertig geworden. Rhuna sah nun sich in der Pflicht, Bjorg nicht hängenzulassen. Sie erhob sich von der Sitzbank und umarmte den Größeren, der doch noch einiges mehr an Muskelmasse hatte. Sie spürte unter seinem locker sitzenden Seemannshemd, dass er wirklich gut trainiert war und kein Gramm Fett zu viel hatte. Warm war sein Körper, der sich ein wenig echauffiert hatte, während er sie in sein Leben einweihte.
„Alles wird gut!“, beruhigte sie ihn und fuhr in einer sanften Geste über sein Haar. Bjorg hatte sich etwas versteift und wusste nicht so recht etwas mit ihrer sanften Geste anzufangen. Doch dann löste sich der breite Rücken etwas und die Anspannung fiel ein wenig ab. Er sank in ihre Umarmung und legte seine Arme um ihren schmalen Körper. Sein Atem entlud sich warm an ihrem Hals, während er die Umarmung wirklich erwiderte. „Wir bekommen das schon hin! Verlier nicht deinen Mut.“ Sie löste die Umarmung und er wirkte nicht ganz so willig dabei, dass es etwas Nachdruck bedurfte, ehe er vor ihr stand und sich die schwarzen Haare zurück wischte.

Er blickte auf sie hinab und musterte ihr Gesicht eingehend. „Ich will dich nicht anlügen: Ich weiß noch nicht, wie wir dich da rausbekommen. Aber wir schaffen das! Ich kenne jemanden, der uns vielleicht mit der Person helfen kann, die du bestohlen hast!“ Er runzelte die Stirn. „Sagtest du nicht, du bist meinetwegen in der Stadt? Wen kennst du hier denn?“, fragte er und Argwohn mischte sich bei. Bjorg war wirklich nicht sehr gut darin, Vertrauen nachhaltig zu fassen. Er seufzte, ließ sich auf die Bank fallen und stützte sein Gesicht in seine Linke, während sein Ellbogen auf der Armlehne stand. Rhuna wollte nicht aufgeben und fuhr fort: „Wie hoch sind deine Schulden und wem schuldest du wie viel? Und wem hast du die Kette gestohlen?“ Bjorg öffnete die Augen und betrachtete Rhuna wieder. Tatsächlich ruhte sein Blick einen Moment lang in ihren Augen, ehe er ihrer Geste folgte, wie sie versuchte sich die Haarsträhne beiseite zu streichen. „Am besten du schreibst es mir auf! Und… wo wohnst du derzeit Bjorg? Bist du dort sicher? Woher weißt du denn, dass der Besitzer der Kette weiß, dass du der Dieb warst?“ „Hm?“, machte er abgelenkt und blinzelte, ehe sein Blick zurück in ihre Augen kehrte. „Oh!“, fühlte er sich ertappt, bevor er sich räusperte. „Ich schulde hier und dort jedem etwas… ich habe aufgehört zu zählen. Ich glaube, es sind inzwischen insgesamt zwei Drachmen und ein Lysanthemer.“, nuschelte er kleinlaut. Das war wirklich viel Geld. „Ich schulde einigen Schülern etwas… ein Bisschen was dem Hafenmeister und den Großteil schulde ich diesem windigen Kerl, der treibt sich in einer Taverne am Hafen herum.“, murmelte er weiter. „Ich wohne hier und … bevor jemand ungebeten an Kommandantin Targin vorbeikommt, muss wohl der Harax mit Hymlia tauschen“, erwähnte er seltsam konkret, bevor seine Finger zuckten.
Er strich Rhuna tatsächlich im Anflug von Mut die Strähne hinter das Ohr und streichelte dabei zart über ihre Ohrmuschel. Sein Blick wirkte dabei ein wenig verklärt, bevor er die Finger wegzog und sich räusperte. Er nahm wieder einen muffeligen Gesichtsausdruck ein und schaute stur zum Fenster. „Ich war nicht allein auf dem Raub… die anderen haben mich verpfiffen. Sie wurden erwischt, ich konnte fliehen aber … naja. Diese verdammten Hafenratten!“, knurrte er und presste die Kiefer aufeinander. Bjorg erhob sich schließlich und versuchte um Rhuna herumzutänzeln, was gewiss etwas lustig aussah. Er ging zu einem kleinen Sekretär auf dem Flur zu den Toiletten und öffnete eine Schublade. Darin befand sich ein schmales Kontingent an Schreibutensilien. Er lehnte sich vor, tauchte die Feder ein und schrieb auf ein Stück Pergament folgende Aufstellung:

1. 1 Lysanthemer an Ardin Gurrel, Hafenmeisterei Santros
2. 10 Lysanthemer und 15 Füchse Schülern der Seemannschule
3. 2 Drachme und 5 Lysanthemer Falkon Petz, Taverne zur See
Schriftrolle Fuss
Er kehrte zurück zu Rhuna und überreichte ihr die kleine Pergamentrolle. Tatsächlich konnte sie erkennen, dass Bjorg eine ausnahmslos schöne Handschrift hatte. „Ich habe den zweiten Punkt durchgestrichen… das Geld habe ich, das kann ich begleichen“, murrte er und es schmeckte ihm wohl nicht. „Mehr habe ich aber nicht.“, meinte er seufzend und strich sich abermals die Haare zurück. „Wen kennst du, der mir helfen kann?“, meinte er dann und sah sie eindringlich an. „Ich…“, er stockte, als er Schritte hörte. Eine Gruppe von Mitarbeitern schritt an ihnen vorbei und blickte zu ihnen. Bjorg nickte nur stumm zum Gruß und wartete, bis die Gruppe wieder weg war. „Ich habe Kallum Fjard bestohlen. Einen reichen Schnösel aus Andunie, der hier einen Zweitsitz hat. Er… Himmel er besitzt so viele Artefakte, dass es unmöglich erschien, dass er es vermissen würde!“, versuchte er sich zu rechtfertigen und zischte leise in ihre Richtung. Er beugte sich ihr etwas entgegen, um nicht zu laut werden zu müssen. Sie sah ihm seine Anspannung an. „Kallum Fjard ist wohl einer der mächtigsten Männer hier. Sein Vermögen unermesslich…“, murmelte er und legte eine Hand auf Rhuna’s Schulter. „Bist du dir sicher, dass du das aus der Welt schaffen kannst?“, fragte er abermals, bevor erneut Schritte erklangen. Dieses Mal aber tauchte Yedan bei ihnen auf und blickte auf die vertraute Szenerie. Er stutzte einen Moment, bevor er dann an sie herantrat. „Bin ich zu früh?“, fragte er und Bjorg trat zurück.
„Nein, Mann… vermutlich nicht.“, erwiderte der Dunkelhaarige und trat zum Fenster. „Ich hoffe, ihr könnt euer Wort halten… Ich… sonst kann ich auch gleich zu den Fischen!“, murmelte er mit Blick aus dem Fenster. Bjorg war verzweifelt und wusste nicht mehr weiter. Jetzt lag es an Rhuna und an Yedan. „Unser Wort?“, fragte Yedan in Rhuna’s Richtung und sah sie einen Moment an. „Rhuna will mir helfen… ich… habe Schulden gemacht.. Fehler begangen… sie bot Hilfe an.“, erklärte Bjorg knapp und sah noch immer aus dem Fenster. Yedan aber blickte von dem Jungen wieder zurück und hob beide Augenbrauen. „Achja?“, er schmunzelte leicht und schien sich über Rhuna zu amüsieren. „Da ist man einmal kurz den Haushalt schmeißen…“, witzelte er und sah erneut zu Bjorg. „Nun, wenn sie sagt, sie hilft dir, hast du wohl Glück Junge.“, sprang er Rhuna ohne zu zögern zur Seite. „Was müssen wir tun?“, wollte er nur noch wissen und Bjorg schnaubte über so viel Positives. „Als erstes, solltet ihr wohl… die Kette holen.“, murmelte er und wandte sich dann wieder um. Bjorg trat an Rhuna und Yedan heran und wirkte verschwörerisch. „Ihr findet sie an dem vierten Steg, dritte Lamelle, die mit der losen Naht. Sie ist in einer kleinen Kiste und an das Holz gebunden…“, wies er sie ein. Dann holte Bjorg tief Luft. Er sah beide Elfen an und biss sich auf die Unterlippe. „Ihr verarscht mich nicht, oder?“, fragte er unsicher und erneut flammte die verletzliche Hilflosigkeit auf. „Ihr seid meine einzige Hoffnung…“
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Re: Ein Sturm zieht auf

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Mittwoch 6. März 2024, 20:05

Obwohl Rhuna noch keinen wirklichen Plan im Hinterkopf hatte, wollte sie positiv denken. Irgendwie würden sie Bjorgs Schulden schon tilgen können und vielleicht würde ihnen Arrond wirklich helfen können. Natürlich wäre das viel verlangt, immerhin kannte er sie im Grunde nicht, doch Rhuna würde schon ein Ratschlag reichen.
Mit der Umarmung wollte sie Bjorg spüren lassen, dass er nicht länger alleine war. In ihren Augen war der junge Mann ein Junge, der ohne elterliche Führung seinen Weg in ein aufrichtiges Leben verloren hatte. Und das konnte sie ihm unter den vergangenen Umständen nicht einmal zum Vorwurf machen. Das bedeutete zwar nicht, dass sie für alles, was er getan hatte eine Entschuldigung fand, doch glaubte sie, dass man sein Verhalten ein wenig anders bewerten sollte.
Als Rhuna die Umarmung lösen wollte, spürte sie, dass Bjorg nicht sofort willens war, sie loszulassen. Das verwunderte sie doch ein wenig, denn anfangs hatte sie geglaubt, dass er die Umarmung nicht gestatten wollte. Doch nach einem weiteren Anlauf und etwas Nachdruck, entließ er sie aus seinen Armen.

„Sagtest du nicht, du bist meinetwegen in der Stadt? Wen kennst du hier denn?“, fragte Bjorg mit zurückkehrendem Misstrauen, nachdem sie ihre Bekanntschaft erwähnte, die ihnen vielleicht weiterhelfen könnte. Überrascht betrachtete sie die Veränderung seiner Miene, ehe er sich beinahe erschöpft auf die Bank zurückfallen ließ. Rhuna stellte sich vor ihn und hielt ihre Arme locker vor sich, so dass ihre Hände jeweils sie Ellbogen berührten.
„Nun kennen ist vielleicht ein wenig übertrieben…!“, gab sie zu und ließ ihren Blick kurz zum Fenster wandern. „Dank einer meiner Gefährten konnten wir im Haus eines Santroners unterkommen: Arrond Vesuve. Dank seiner Mithilfe konnten wir erst die Seemannschule passieren und dich hier finden.“, erklärte sie, während ihre Augen das Wellenspiel der Küste betrachtete. Noch immer war der Anblick für sie faszinierend und wunderschön! Der Laut der Möwen und die salzige Luft, die durch den Flur zogen, weil vermutlich irgendwo ein Fenster geöffnet war, waren neue aber wunderschöne Eindrücke.
Dann riss sie sich allerdings von dem Anblick los und kehrte mit ihrer Aufmerksamkeit wieder voll und ganz zu Bjorg zurück. Er hatte seinen Ellbogen auf der Armlehne abgestützt und schien noch immer skeptisch, ob ihn seine neue Bekanntschaft wirklich unterstützen könnte.
Rhuna hockte sich noch einmal vor ihn und fragte nach der Höhe seiner Schulden und dem Besitzer der gestohlenen Kette. Es war wichtig, dass sie diese Details kannte, doch wenn sie so recht darüber nachdachte, wäre es besser, wenn sie eine Liste bekäme. Fremde Namen sofort zu behalten war ihre größte Stärke.
Dieses Mal schien es Bjorg zu sein, der von etwas abgelenkt war, denn als sie ihn um eine Auflistung bat, wirkte er für einen Moment etwas verwirrt.
„Hm?“, machte er abgelenkt und blinzelte, ehe sein Blick zurück in ihre Augen kehrte. Sie hob sachte die Augenbrauen und auf ihre Miene legte sich ein fragender Ausdruck. Gut, es war viel für ihn und vermutlich war er mit seinen Gedanken gerade bei einer der unschönen Situationen, die er erlebt hatte.
„Die Schulden! Und bist du hier sicher…?“, wiederholte Rhuna noch einmal etwas sachter, doch offenbar hatte Bjorg sie davor schon unterbewusst gehört.
„Oh! Ich schulde hier und dort jedem etwas… ich habe aufgehört zu zählen. Ich glaube, es sind inzwischen insgesamt zwei Drachmen und ein Lysanthemer.“ Gedanklich schluckte die junge Frau, denn die Summe war im Grunde keine Kleinigkeit. Sie hätte schlimmer sein können und doch… sie selbst besaß nicht im Ansatz so viel. Zumindest nicht hier!
„Ich schulde einigen Schülern etwas… ein Bisschen was dem Hafenmeister und den Großteil schulde ich diesem windigen Kerl, der treibt sich in einer Taverne am Hafen herum.“, murmelte er weiter und sie nickte leicht, wobei ihr die braune Locke wieder stärker ins Gesicht fiel.
„Schreib mir auch seinen Namen auf!“, bat sie ihn und begann bereits Gedanklich nach Möglichkeiten zu suchen, wie sie schnell an das nötige Geld kommen könnten, um all diese Leute auszubezahlen. Dabei wäre das nicht unbedingt ihre Aufgabe.
„Ich wohne hier und … bevor jemand ungebeten an Kommandantin Targin vorbeikommt, muss wohl der Harax mit Hymlia tauschen“ Bei der Erwähnung der Kommandantin verzogen sich Rhunas Lippen leicht zu einem Lächeln und sie nickte verstehend. So wie es aussah verdankte Bjorg der disziplinierten Frau, die manch einer sicher als ‚Harter Knochen‘ beschreiben würde, seine Sicherheit. Rhuna zumindest beruhigte dieses Wissen – so musste sie sich beim Verlassen der Schule nicht direkt Sorgen um ihr neues Problemkind machen.
„Ich verstehe…!“, merkte sie nur an, bis sich plötzlich seine Hand in ihr Sichtfeld schob und sie spüren konnte, wie er ihr die Strähne hinters Ohr strich. Dabei berührte er kurz ihre Ohrmuschel, was sie den Kopf leicht zur Seite neigen ließ, da sie dort doch recht empfindlich war. Ihr Violett hob sich und musterte sein Gesicht. Diese Geste war liebevoll und irgendwie sehr … persönlich und von ihm ausgeführt wusste sie nicht so recht etwas damit anzufangen. Doch auf der anderen Seite hatte Pharus sie auch oft mit kleinen Gesten überrumpelt. Santroner schienen dahingehend allgemein etwas offener zu sein und sie war es einfach nicht gewohnt! Zumindest glaubte Rhuna das, auch wenn es noch immer etwas weltfremd war.
Da er die Hand jedoch zurückzog und sich räusperte, ging sie nicht näher darauf ein und ließ es darauf beruhen. Sie legte ihre Arme auf den Oberschenkeln ab und lauschte seiner Ausführung, über den Raubzug.
„Ich war nicht allein auf dem Raub… die anderen haben mich verpfiffen. Sie wurden erwischt, ich konnte fliehen aber … naja. Diese verdammten Hafenratten!“ Er knurrte und sie konnte noch immer die Anspannung an ihm sehen, was durchaus verständlich war. In diesem Moment hielt sie ihre Worte zurück, denn sie hätte ihm in diesem Moment keinen Vorwurf ersparen können. Doch da sie ihr eh sehr zerbrechliches Verhältnis nicht gefährden wollte, sparte sie sich eine solche Bemerkung.
Nun erhob sich Bjorg und sie legte den Kopf etwas in den Nacken, um ihm nachsehen zu können, als er an ihr vorbeitänzelte und zu einem Sekretär ging.
Auf ihre Lippen legte sich kurz wieder ein amüsiertes Lächeln. So ähnlich Bjorg seinem Vater auch sah, charakterlich war er ganz anders. Pharus hatte mehr Selbstbewusstsein besessen, als vermutlich gut für ihn gewesen war. Ein Seebär durch und durch, der einen mit Charme, Lachen und Geschichten in seinen Bann hatte ziehen können. Sein Sohn war ernster – grummeliger, doch konnte Rhuna nicht anders, als gedanklich den Vergleich mit einem Bärenkind zu schließen.
Langsam erhob sich auch die junge Frau und griff hinter ihrem Rücken mit der rechten Hand nach ihrem linken Ellbogen. Ihr Blick wanderte vom Rücken des Schwarzhaarigen zu dem Korridor, der zu den Toiletten führte, wo ihr treuer Yedan den Putzdienst ausführte. Später würde sie sich dafür erkenntlich zeigen. Oh weh! Was er wohl zu ihrem Hilfsangebot sagen würde? Sie hatte nichts mit ihm besprochen, obwohl sie selbst nicht wusste, wie es nach ihrem Botendienst bei ihnen weitergegangen wäre. Nun hatte sie diesen Schritt einfach beschlossen…!
Das Kratzen der Schreibfeder drang sachte an ihr feines Gehör und Rhuna wandte das Gesicht zurück zu Bjorg, der nach einem Moment die Feder ablegte und mit einer kleinen Pergamentrolle zu ihr zurückkehrte, die er ihr übergab. Sie betrachtete die feine Handschrift, die sie glücklicherweise ohne Schwierigkeiten lesen konnte.
„Ich habe den zweiten Punkt durchgestrichen… das Geld habe ich, das kann ich begleichen. Mehr habe ich aber nicht.“,erklärte er und strich sich durchs Haar, während sie kurz nickte. Noch immer betrachtete sie die Worte und schien nachzudenken.
„Und die Kette? Wem gehörte sie?“
„Ich…“, er stockte, als eine Gruppe von Mitarbeitern den Flur passierten, denen sie beide nur stumm zunickten. Bjorg trat einen Schritt auf sie zu.
„Ich habe Kallum Fjard bestohlen. Einen reichen Schnösel aus Andunie, der hier einen Zweitsitz hat. Er… Himmel er besitzt so viele Artefakte, dass es unmöglich erschien, dass er es vermissen würde!“, sprach er leise und Rhuna konnte seinen Atem auf ihrem Gesicht spüren, als er sich noch etwas näher beugte. Gedanklich wiederholte sie schon einmal den Namen, um ihn nicht wieder zu vergessen.
„Aber zu deinem Pech wurdet ihr erwischt und er vermisst sein Schmuckstück…!“, endete sie seinen Gedanken und seufzte leise, während sich ihr Blick nachdenklich zu Boden richtete. Einen Diebstahl konnte man nur rückgängig machen, wenn man das Diebesgut zurückgab und sich entschuldigte. Doch Bjorgs Erzählung nach war dieser Kallum Fjarg niemand, der es damit auf sich beruhen lassen würde. Wie sollte sie den jungen Mann vor seiner Rache bewahren?
„Kallum Fjard ist wohl einer der mächtigsten Männer hier. Sein Vermögen unermesslich…“ Seien Hand berührte ihre Schulter, woraufhin sie ihn wieder ansah.
„Bist du dir sicher, dass du das aus der Welt schaffen kannst?“ Sie musterte sein Blau, doch dann hörte sie Schritte und wandte den Kopf um. Als Yedan um die Ecke bog, hellte sich ihr Gesicht sofort auf und sie lächelte ihm zu. Seinen stutzenden Blick registrierte sie dabei gar nicht wirklich.
„Bin ich zu früh?“, fragte er, woraufhin Bjorg zurück und zum Fenster ging.
„Nein, Mann… vermutlich nicht.“, erwiderte der Mensch und Rhuna bestätigte seine Worte mit einem Kopfschütteln. Sie war froh, dass er nun hier war, auch wenn sie noch nicht so recht wusste, wie sie ihn ins Bilde setzen sollte. Doch scheinbar wollte ihr Bjorg diese Aufgabe schon abnehmen.
„Ich hoffe, ihr könnt euer Wort halten… Ich… sonst kann ich auch gleich zu den Fischen!“, murmelte er, woraufhin der Halbelf fragend zu Rhuna sah, deren Lächeln sich schon ein wenig ertappt verzog.
„Unser Wort?“ Ihr Violett schielte seitlich nach oben zu seinem Gesicht.
„Weißt du…“ – „Rhuna will mir helfen… ich… habe Schulden gemacht.. Fehler begangen… sie bot Hilfe an.“ Pharus Sohn unterbrach sie, worüber sie sich innerlich doch ein wenig ärgerte, denn sie glaubte, dass es besser gewesen wäre, wenn sie es Yedan selbst erklärt hätte. Doch nun war es raus und es brachte nichts sich darüber aufzuregen.
„Achja?“ Sie beobachtete, wie sich seine Augenbrauen hoben. Als sich sein Blick dann wieder auf sie richtete schmunzelte er leicht – und amüsiert! War ja mal wieder typisch! Yedan sah ihr vermutlich das schlechte Gewissen an und beschloss daraufhin sie ein wenig aufzuziehen.
„Da ist man einmal kurz den Haushalt schmeißen…“, witzelte er weiter, woraufhin die Elfe ihm gespielt in sie Seite boxte.
„Natürlich nutzt du das aus, um mich zu ärgern!“, warf sie ihm leise, jedoch im Guten vor und schlang ihre Arme um seinen Körper um sich an ihn zu lehnen. Das Band zwischen ihnen war stark und Rhuna hatte sofort bemerkt, dass er ihr diese Entscheidung nicht übelnahm – mehr noch, er unterstützte sie, was auch seine nächsten Worte zeigten!
„Nun, wenn sie sagt, sie hilft dir, hast du wohl Glück Junge! Was müssen wir tun?“ Sie sah ihn dankbar an und spürte ihr Herz springen. Ihr war bewusst wie viel Glück sie mit Yedan hatte. Wie sollte sie ihn nicht lieben? Er war immer für sie da und sie mochte es sogar, wenn er sie neckte.
Bjorg war natürlich nicht so begeistert über Yedan, den er vermutlich noch gar nicht einschätzen konnte. Dennoch führte er seine Erklärung weiter aus und kam zu ihnen zurück: „Als erstes, solltet ihr wohl… die Kette holen. Ihr findet sie an dem vierten Steg, dritte Lamelle, die mit der losen Naht. Sie ist in einer kleinen Kiste und an das Holz gebunden…“ Rhuna ließ Yedan los und ging nun selbst kurz zum Sekretär und beugte sich leicht über die Schreibfläche, als sie auf die kleine Pergamentrolle selbst etwas schrieb:

1. 1 Lysanthemer an Ardin Gurrel, Hafenmeisterei Santros
2. 10 Lysanthemer und 15 Füchse Schülern der Seemannschule
3. 2 Drachme und 5 Lysanthemer Falkon Petz, Taverne zur See

Kallum Fjard ~ K 4S3L
Schriftrolle Fuss
Nachdem sie die Feder ablegte und sich wieder aufrichtete, zog sie ihre Seitentasche nach vorne und verstaute das kleine Pergament sicher. Danach strich sie sich ihre Haare über die linke Schulter und kehrte zu den beiden Männern zurück.
„Ihr verarscht mich nicht, oder? Ihr seid meine einzige Hoffnung…“ Bjorgs Verzweiflung war ihm deutlich anzumerken und Rhuna trat einen Schritt auf ihn zu. Mit einem zuversichtlichen Lächeln suchte sie Augenkontakt und nickte noch einmal.
„Vertrau uns! Ich habe dir versprochen, dass wir dir helfen und ich halte dieses Wort! Wir gehen jetzt aber fürs Erste. Mach dir keine Sorgen und pass bitte auf, dass dich in der Zwischenzeit keiner deiner Schuldeneintreiber erwischt! Wir kommen Morgen wieder – wann passt es dir? Um dieselbe Zeit, oder arbeitest du dann noch?“
Zusammen klärten sie noch alle wichtigen Details für ihr nächstes Treffen, bis sich die beiden Elfen dann von Bjorg verabschiedeten.
Als sie den Korridor zurück liefen griff Rhuna nach Yedans Hand und lehnte sich an seine Schulter.
„Tut mir leid…!“, begann sie dann und sah ihn von der Seite an – auf ihren Lippen ein entschuldigendes Lächeln.
„Ich wollte eigentlich erst mit dir sprechen, aber … dann kam es anders und ich versprach ihm meine, oder eher unsere Hilfe. Er…“, sie seufzte und strich sich die Haare in einer fahrigen Geste zurück, „… nachdem er den Brief las war er völlig aufgewühlt. Er ist wütend auf Pharus, weil dieser ihn bereits in seiner Kindheit verließ. Seine Mutter wurde offenbar verschleppt und er wuchs ohne Halt eines Elternteils auf. Und leider…“, erneut unterbrach sich Rhuna. Ihr Blick hatte sich auf den Boden geheftet und sie schien ihr Gespräch mit dem Jungen Revue passieren zu lassen.
„… er hat sich in Schwierigkeiten gebracht! Pharus bat mich ihm zu helfen, sollte er Hilfe brauchen. Und nachdem Bjorg erzählte, was er alles ausgefressen hatte, konnte ich ihm nicht einfach den Rücken kehren!“ Langsam hob sie wieder den Blick. So war Rhuna eben. Sie lud sich die Probleme anderer auf, auch wenn sie diese kaum kannte. Sie war in mancher Hinsicht vielleicht zu hilfsbereit und dabei etwas naiv, doch sprach es auch für ihr gutes Herz.
Sie zog den Zettel aus ihrer Tasche und reichte ihn Yedan.
„Das sind seine Schulden. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht wie ich ihm helfen soll, so viel Geld aufzutreiben! Doch das größte Problem ist diese Kette, die er Kallum Fjord gestohlen hat.“ Wahrscheinlich war es gut gewesen, dass sie den Namen richtig aufgeschrieben hatte.
„Scheinbar ist er einer der einflussreichsten und reichsten Personen der Stadt. Und er weiß, dass Bjorg bei dem Raubzug dabei war. Nun fürchtet er um sein Leben…! Und… um das seiner Tochter!“ Rhuna blieb stehen und stellte sich vor ihn, um sich an Yedan zu lehnen und erneut ihre Arme um ihn zu schließen. Das brauchte sie gerade. Vielleicht bekam sie so einen klareren Kopf.

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Re: Ein Sturm zieht auf

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 7. März 2024, 09:17

Es war vermutlich gut, dass sich Rhuna im Vorfeld keine näheren Gedanken zu ihrem Treffen mit Bjorg gemacht hatte. Sie wäre eventuell enttäuscht gewesen oder aber überfordert. Bjorg war ein junger Mann, gerade die Schwelle des Erwachsenwerdens der Menschen überschritten und hatte bereits einen großen Sack voller Probleme zu schultern. Anhand des Dunkelhaarigen ließ sich ziemlich gut ablesen, wie das Leben ohne Führung und Richtung verlaufen könnte. Er wusste sich keinen anderen Rat, suchte sein Glück in zwielichtigen Ecken und schaffte es nicht, sich darüber zu sanieren. Dass er für seine kleine Tochter Isobel aber anständig werden wollte, ehrte ihn. Aber der Zweck heiligte noch immer nicht die Mittel, nicht wahr? Wobei das eine Frage war, die sich Rhuna ebenfalls bereits hatte stellen müssen. Manchmal verlief das Leben rein gar nicht so, wie man es sich erhoffte und dann musste man eben mit den Karten spielen, die das Leben einem austeilte. Bjorg aber würde nicht auf ewig so weitermachen können. Schon jetzt fühlte er sich redlich in die Ecke gedrängt und erweichte Rhuna’s Herz damit. Nachdem sie alle weiteren Details vorerst geklärt hatten, besprachen sie noch, dass sie sich am nächsten Tag bei Arrond’s Haus treffen wollten. Nachdem sie den Namen nannte, war Bjorg sichtlich beeindruckt, denn auch ihm war dieser Name nicht unbekannt. Arrond besaß einfach einen Ruf und Hoffnung war in das dunkle Blau des Santroners getreten. Rhuna hatte ihn etwas beruhigen können und so versprach Bjorg, dass er am nächsten Tag gegen Mittag vor dem Bürgerhaus warten würde, dass sie ihre Neuigkeiten austauschen konnten. Vielleicht hatte Rhuna dann auch bereits mit Arrond sprechen können. Nun allerdings, war erstmal Yedan dran. Die Elfe führte ihren Sarier an der Hand durch die Schule zurück in den Innenhof. Hier wurde das Brausen der Brandung stärker und auch die Stimmen der unzähligen Gäste wurden wieder präsenter. Dass Bjorg sie Yedan das nicht hatte, selbst erzählen lassen, war ihr etwas sauer aufgestoßen, allerdings war Yedan auch niemand, den man behutsam auf etwas hinweisen musste. Der Elf besaß eine scharfe Auffassungsgabe und las in anderen, wie in Büchern. Es musste ein Talent sein, denn letztendlich hatte er in den letzten Jahrzehnten nicht so viel Kontakt gehabt. „Tut mir leid…! Ich wollte eigentlich erst mit dir sprechen, aber … dann kam es anders und ich versprach ihm meine, oder eher unsere Hilfe. Er…nachdem er den Brief las war er völlig aufgewühlt. Er ist wütend auf Pharus, weil dieser ihn bereits in seiner Kindheit verließ. Seine Mutter wurde offenbar verschleppt und er wuchs ohne Halt eines Elternteils auf. Und leider- er hat sich in Schwierigkeiten gebracht! Pharus bat mich ihm zu helfen, sollte er Hilfe brauchen. Und nachdem Bjorg erzählte, was er alles ausgefressen hatte, konnte ich ihm nicht einfach den Rücken kehren!“ Yedan hatte ihre Hand festgehalten und ihr zugehört. Jetzt aber schnaubte er amüsiert und sah seitlich auf sie hinab. „Rhuna, deshalb musst du dich doch nicht bei mir entschuldigen!“, begann er sanft und küsste ihre Hand kurz, bevor er mit ihr weiterlief und sie die Schule durch die große Doppeltür verließen.

Rhuna weiter bei: Rein ins Getümmel
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